Bürgergeld: Betriebskostenabrechnung – das zahlt das Jobcenter und das nicht

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Betriebskostennachzahlungen bringen viele Haushalte zum Jahresende in finanzielle Schieflage. Besonders brisant ist das für Menschen mit niedrigem Einkommen, für Bürgergeld- und Sozialhilfebeziehende, aber auch für Wohngeld- und Kinderzuschlagshaushalte.

Sozialrechtlich gilt jedoch: Unter bestimmten Voraussetzungen müssen Jobcenter und Sozialämter die Nachforderungen ganz oder teilweise tragen – selbst dann, wenn die Kosten in Zeiten ohne Leistungsbezug entstanden sind.

Betriebskostenabrechnungen zum Jahresende: Der Fälligkeitsmonat entscheidet

Vermieterinnen und Vermieter müssen Betriebskostenabrechnungen spätestens zwölf Monate nach Ende des Abrechnungszeitraums zustellen. Für eine Abrechnung über das Kalenderjahr 2024 ist der Stichtag der 31. Dezember 2025. Kommt die Abrechnung rechtzeitig an, wird die darin ausgewiesene Nachforderung normalerweise sofort oder innerhalb einer kurzen Frist fällig.

Genau dieser Monat der Fälligkeit ist im Sozialrecht entscheidend: Erst mit Zugang der Abrechnung und Fälligkeit der Forderung entsteht ein Unterkunftsbedarf, den Jobcenter oder Sozialamt prüfen und gegebenenfalls übernehmen müssen.

Nachforderungen als Bedarf nach SGB II und SGB XII

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist hier eindeutig. Betriebs- und Heizkostennachzahlungen gelten grundsätzlich als Bedarf im Monat der Fälligkeit oder Rechnungsstellung. Sie werden nicht auf das Jahr verteilt, sondern in genau diesem Monat als zusätzliche Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigt. Maßgeblich ist die tatsächliche Höhe der Nachforderung, soweit die Unterkunft insgesamt noch als angemessen gilt.

Besonders wichtig: Diese Rechtsfolge greift auch dann, wenn die zugrunde liegenden Kosten ganz oder teilweise in Monaten angefallen sind, in denen keine Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezogen wurden.

Die Frage, ob jemand früher im Leistungsbezug war, spielt für die Bewertung der Nachforderung keine Rolle. Entscheidend ist allein, dass die Wohnung aktuell genutzt wird, die Abrechnung rechtzeitig zugeht und die Forderung fällig ist.

Bürgergeld und Sozialhilfe: Übernahme für laufende Leistungsbeziehende

Wer bereits Bürgergeld nach dem SGB II oder Grundsicherung beziehungsweise Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII bezieht, hat in aller Regel einen Anspruch auf Übernahme der Betriebskostennachzahlung als Kosten der Unterkunft. Die Behörden müssen diese Beträge zusätzlich zur laufenden Warmmiete berücksichtigen, wenn die Nachforderung im Fälligkeitsmonat entsteht.

Zwar können Jobcenter und Sozialämter die laufenden Unterkunftskosten auf ein „angemessenes“ Niveau begrenzen, wenn die Miete dauerhaft zu hoch ist und eine Kostensenkungsaufforderung ergangen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bleibt eine Nachforderung aus der Jahresabrechnung jedoch ein eigenständiger Bedarf.

Auch wenn die laufende Miete bereits gedeckelt ist, sind Betriebskostennachzahlungen grundsätzlich in tatsächlicher Höhe anzuerkennen, solange die Wohnung weiterhin bewohnt wird und die Kosten nicht offensichtlich unangemessen sind.

Temporäre Hilfebedürftigkeit: Wenn nur die Nachzahlung in den Bezug führt

Für viele Haushalte wird es genau in dem Moment spannend, in dem bisher noch nie Leistungen bezogen wurden. Eine hohe Nachforderung kann dazu führen, dass das Einkommen in einem einzelnen Monat nicht mehr ausreicht, um Regelsatz und Unterkunftskosten zu decken. Dann entsteht eine sogenannte temporäre Hilfebedürftigkeit.

Wer etwa durch Arbeit oder Rente seinen Lebensunterhalt normalerweise aus eigener Kraft bestreiten kann, kann für den Fälligkeitsmonat der Betriebskostennachzahlung trotzdem Anspruch auf Bürgergeld oder Grundsicherung bekommen. Voraussetzung ist, dass der Antrag rechtzeitig gestellt wird.

Der Leistungsantrag muss im Monat der Fälligkeit beim Jobcenter oder Sozialamt eingehen. Wird erst später reagiert, bleibt die Nachforderung oft ein reines Privatproblem – selbst wenn sie objektiv zu hoch für den Haushalt ist.

Wohngeld, Kinderzuschlag und zusätzliche SGB-II-Leistungen

Besonders sensibel ist die Schnittstelle zwischen Wohngeld, Kinderzuschlag und Bürgergeld. Grundsätzlich gilt: Wer KiZ oder Wohngeld erhält, ist vom laufenden Bürgergeldbezug ausgeschlossen. Bei einmaligen Sonderbelastungen wie einer Betriebskostennachzahlung hat der Gesetzgeber jedoch zusätzliche Möglichkeiten geschaffen.

Für Haushalte mit Kinderzuschlag sieht § 6a Absatz 7 BKGG ausdrücklich vor, dass ergänzende Leistungen nach dem SGB II gewährt werden können, wenn es sonst im Fälligkeitsmonat nicht zur Deckung des Bedarfs reicht. Ein Durchführungserlass des Bundesinnenministeriums stellt außerdem klar, dass einmalige SGB-II-Leistungen – etwa für Betriebskostennachzahlungen oder Brennstoffkosten – den Wohngeldanspruch nicht zunichtemachen.

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Wohngeld- und Kinderzuschlagsbeziehende können daher zusätzlich beim Jobcenter eine Übernahme der Nachforderung beantragen, ohne den Wohngeld- oder KiZ-Bescheid zu verlieren.

Vermögen und Ein-Monats-Fälle: Besonderheiten des § 12 Absatz 6 SGB II

Mit Einführung des Bürgergeldes wurde eine Vermögenskarenz geschaffen, die im ersten Jahr des Leistungsbezugs vergleichsweise hohe Schonbeträge zulässt. Bei Fällen, in denen lediglich für einen einzelnen Monat Leistungen wegen einer Betriebskostennachzahlung beantragt werden, gilt jedoch eine besondere Regelung in § 12 Absatz 6 SGB II.

Für diese Ein-Monats-Fälle greift die reguläre Karenzzeit formal nicht. Zugleich enthält die Vorschrift eine Vermutungsregel: Solange die antragstellende Person nachvollziehbar erklärt, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, müssen Jobcenter zunächst davon ausgehen, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen existiert.

In der Praxis bedeutet das, dass kleinere Ersparnisse häufig geschützt bleiben, während deutlich höhere Guthaben auf Konten oder Depots zur Ablehnung eines Antrags führen können. Entscheidend ist, ob das vorhandene Vermögen die gesetzlich zulässigen Grenzen des Schonvermögens klar überschreitet.

Antragstellung im Fälligkeitsmonat: Fristen und Stolpersteine

Für die Übernahme einer Nachforderung ist der Monat der Fälligkeit der zentrale Dreh- und Angelpunkt. Wer eine Betriebskostenabrechnung Ende Dezember erhält und eine Zahlungsfrist bis Mitte Januar eingeräumt bekommt, muss genau prüfen, in welchem Monat die Forderung rechtlich fällig wird. Daran knüpft sich der Zeitpunkt, bis zu dem der Leistungsantrag gestellt sein muss.

In vielen Fällen kann es sinnvoll sein, zunächst die Abrechnung fachkundig prüfen zu lassen und Einsicht in die zugrunde liegenden Belege zu verlangen. Solange die Abrechnung inhaltlich nicht nachvollziehbar ist und Belege fehlen, kommen mietrechtliche Zurückbehaltungsrechte in Betracht.

Dadurch lässt sich die Fälligkeit hinauszögern, was zusätzliche Zeit verschaffen kann, um Leistungen rechtzeitig zu beantragen. Lehnt das Jobcenter oder Sozialamt die Übernahme mit Begründungen ab, die der Rechtsprechung widersprechen, sollten Betroffene die Fristen für Widerspruch und gegebenenfalls Klage im Blick behalten.

Praxisbeispiel: Erwerbstätige mit hoher Nachzahlung

Wie stark eine Nachforderung die Hilfebedürftigkeit auslösen kann, zeigt ein vereinfachtes Beispiel. Eine alleinstehende Person erzielt ein Nettoerwerbseinkommen von 1.900 Euro. Die Warmmiete beträgt 750 Euro im Monat.

Unterstellt man einen Bürgergeld-Regelsatz von rund 570 Euro, liegt der monatliche Gesamtbedarf ohne Nachzahlung bei 1.320 Euro. In einem normalen Monat ergibt sich damit kein Leistungsanspruch, weil das Einkommen den Bedarf übersteigt.

Kommt im Dezember jedoch eine Betriebskostennachzahlung von 1.500 Euro hinzu, steigt der Bedarf in diesem Monat auf 2.820 Euro. Nach Abzug der anrechenbaren Einkommensanteile bleibt eine erhebliche Deckungslücke, die dazu führt, dass im Dezember Bürgergeld als ergänzende Leistung zusteht.

Im Ergebnis kann das Jobcenter einen großen Teil der Nachforderung übernehmen, obwohl im restlichen Jahr kein Anspruch besteht.

Überblick: Wer bei Nachzahlungen Hilfe vom Amt bekommen kann

Zur Orientierung zeigt die folgende zweispaltige Tabelle typische Konstellationen und die jeweils sozialrechtlich relevanten Möglichkeiten:

Konstellation Möglicher Anspruch / Rechtsfolge
Laufender Bürgergeldbezug (SGB II) Betriebskosten- und Heizkostennachzahlungen gelten als zusätzlicher Bedarf im Fälligkeitsmonat und sind als Kosten der Unterkunft grundsätzlich in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, solange die Unterkunft im Rahmen der Angemessenheit liegt.
Laufende Grundsicherung oder Hilfe zum Lebensunterhalt (SGB XII) Nachforderungen werden im Monat der Fälligkeit als Bedarfsposition bei den Unterkunfts- und Heizkosten berücksichtigt; die Sozialhilfeträger müssen sie in aller Regel zusätzlich zur laufenden Warmmiete tragen.
Erwerbstätige ohne bisherigen Leistungsbezug Führt die Nachzahlung dazu, dass im Fälligkeitsmonat das Einkommen nicht mehr zur Deckung des Existenzminimums reicht, kann ein temporärer Anspruch auf Bürgergeld für genau diesen Monat entstehen, wenn der Antrag rechtzeitig gestellt wird.
Rentnerinnen und Rentner ohne laufende Leistungen Reicht Rente und gegebenenfalls weiteres Einkommen im Fälligkeitsmonat nicht mehr aus, kommt ein Anspruch auf Grundsicherung im Alter oder Hilfe zum Lebensunterhalt in Betracht, der die Betriebskostennachzahlung ganz oder teilweise abdecken kann.
Wohngeldhaushalt Wohngeldbeziehende können bei hoher Nachforderung ergänzend eine einmalige Leistung nach dem SGB II beantragen; nach Verwaltungspraxis und Erlasslage bleibt der Wohngeldanspruch trotz dieser zusätzlichen Unterstützung bestehen.
Kinderzuschlagshaushalt Bei Beziehenden von Kinderzuschlag eröffnet § 6a BKGG die Möglichkeit, für den Fälligkeitsmonat ergänzende Bürgergeldleistungen zu erhalten, wenn die Nachforderung den Bedarf sonst nicht decken lässt.
Haushalte mit gedeckelten Unterkunftskosten Auch bei gedeckelten KdU sind Nachforderungen aus der Jahresabrechnung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als eigenständiger Bedarf zu berücksichtigen und in tatsächlicher Höhe anzuerkennen, solange die Wohnung weiterhin genutzt wird.
Haushalte mit relevantem Vermögen Bei Ein-Monats-Fällen greift keine großzügige Karenzzeit; vorhandenes Vermögen oberhalb der allgemeinen Schonbeträge kann dazu führen, dass die Behörde auf eine vorrangige Verwertung verweist und die Übernahme der Nachforderung ablehnt.

Der Umgang mit Betriebskostennachzahlungen ist damit kein reines Mietrechtsproblem, sondern berührt unmittelbar das Sozialrecht. Wer eine hohe Nachforderung erhält, sollte daher nicht nur prüfen, ob die Abrechnung inhaltlich stimmt, sondern auch, ob ein Anspruch auf Bürgergeld, Grundsicherung oder ergänzende Leistungen besteht.

Unabhängige Beratungsstellen, Sozialverbände und Fachanwältinnen und Fachanwälte für Sozialrecht können helfen, Ansprüche korrekt zu berechnen und fehlerhafte Ablehnungen durch Jobcenter oder Sozialamt nicht einfach hinzunehmen.