Das Gericht rügt willkürliche Versagung der KFZ-Beihilfe des Sozialamtes für eine Schwerstbehinderte, denn grundsätzlich gilt: Maßstab der Entscheidung sind allein die vom Gesetzgeber vorgesehenen Voraussetzungen für den Anspruch auf Gewährung einer Kfz-Beihilfe.
Für das Studium kann vom Sozialamt eine Kraftfahrzeugbeihilfe in Form der Kostenübernahme für ein behindertengerecht umgebautes Fahrzeug gewährt werden. Die schwerbehinderte Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenübernahme für den Kauf eines behindertengerecht umgebauten Fahrzeugs, um ihr Studium antreten zu können (so aktuell das Sozialgericht Lüneburg, Beschluss vom 29.09.2025 – S 38 SO 34/25 ER – §§ 114 i.V.m. § 83 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX).
Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Sozialamtes offenbaren nach Auffassung des Gerichts willkürliches Verwaltungshandeln
Dazu das Gericht: “Die Bedingungen im Hamburger Straßenverkehr sind schon für Verkehrsteilnehmer ohne Behinderungen sehr anspruchsvoll und benötigen viel Kraft und Aufmerksamkeit des Fahrers.”
Und weiter: “Besonders nach einem anstrengenden Vorlesungstag sollte es Ihrer Mandantin erspart bleiben, sich durch den Hamburger Feierabendverkehr befördern zu müssen. (…) Falls die Beförderung mit einem Fahrdienst zu höheren Kosten führen sollte, als dies bei der Finanzierung der Fahrerlaubnis und dem Erwerb des behinderungsgerecht umgebauten Fahrzeugs der Fall wäre, führen die Bedenken in Bezug auf die Sicherheit Ihrer Mandantin und der der anderen Verkehrsteilnehmenden hier besonders dazu, dem Antrag weiterhin nicht zu entsprechen”, eine Stütze im Gesetz.
Maßstab der Entscheidung sind allein die vom Gesetzgeber vorgesehenen Voraussetzungen für den Anspruch auf Gewährung einer Kfz-Beihilfe
Ausgangspunkt ist § 114 SGB IX in Verbindung mit § 83 Abs. 1 Nummer 2 SGB IX, wobei sich die zu gewährende Leistung gemäß § 83 Abs. 3 Satz 2 SGG IX an der Kraftfahrzeughilfeverordnung bemisst. Die Antragstellerin muss zum leistungsberechtigten Personenkreis gehören, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel darf aufgrund der Art und Schwere der Behinderung nicht zumutbar und sie muss zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ständig auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sein.
Die Leistungen werden nur erbracht, wenn die Leistungsberechtigten das Kraftfahrzeug entweder selbst führen können oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für sie führt.
Diese Voraussetzungen liegen vor – Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs unzumutbar – und auch subjektiv unmöglich
Die schwerstbehinderte Antragstellerin erfüllt die Voraussetzung des § 83 Abs. 2 SGB IX, weil ihr die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs nicht nur nicht zumutbar, sondern unmöglich ist. Angesichts des Umstandes, dass bereits sechsrädrige und über 300 kg wiegende Rollstühle im öffentlichen Nahverkehr im Wohnbereich der Antragstellerin nicht transportiert werden können, liegt objektiv die Unmöglichkeit der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs vor.
Darüber ist der Antragstellerin die Nutzung auch subjektiv unmöglich, da ein Transport im öffentlichen Nahverkehr ein lebensbedrohliches Risiko für sie bedeutete, was sich aus der Bescheinigung des Uniklinikums Eppendorf ergibt. Bei objektiv und subjektiv bestehender Unmöglichkeit ist das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit erst recht erfüllt.
Angewiesensein auf ein Auto im Sinne der Rechtsprechung
Schon das Studium an sich bereits erzeugt ein ständiges Angewiesensein auf ein Kraftfahrzeug, so verfestigt sich dies umso mehr angesichts des politischen, sportlichen und sozialen Engagements der Antragstellerin. Sie ist im Jugendparlament aktiv, spielt einmal die Woche Wheel-Soccer beim HSV, trifft sich regelmäßig mit Freunden, besucht die Buchhandlung vor Ort, besucht einmal die Woche ihre Großmutter und benötigt darüber hinaus ein Kraftfahrzeug für Fahrten zum Thermalbad in Bad Bevensen und für andere Freizeitaktivitäten.
Fazit
Für das Studium einer Schwerstbehinderten kann eine Kraftfahrzeugbeihilfe in Form der Kostenübernahme für ein behindertengerecht umgebautes Fahrzeug vom Sozialamt gewährt werden.
Praxistipp von gegen-hartz für Bezieher von Bürgergeld:
Auch Bürgergeld-Empfänger können für behinderungsbedingte Kfz-Umbauten finanzielle Unterstützung erhalten, insbesondere über die Kraftfahrzeughilfe des zuständigen Trägers wie der Deutschen Rentenversicherung oder Unfallversicherung.
Für Umbaukosten, die zur Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben notwendig sind, gibt es oft einen Rechtsanspruch, der einkommensunabhängig ist.
Das Sozialamt kann in Ausnahmefällen ebenfalls unterstützen, wenn die wirtschaftliche Situation dies erfordert.



