Sozialhilfe aus Deutschland im Ausland beziehen?

Lesedauer 3 Minuten

Wenn in Deutschland von „Sozialhilfe“ die Rede ist, meint das in aller Regel die Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Dazu gehören insbesondere die Hilfe zum Lebensunterhalt sowie die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Beide Leistungsarten dienen der Existenzsicherung, sind steuerfinanziert und unterscheiden sich damit grundlegend von beitragsfinanzierten Versicherungsleistungen wie Renten.

Der Gesetzgeber knüpft die Gewährung von Sozialhilfe grundsätzlich an einen Aufenthalt in Deutschland. Das spiegelt sich im Territorialitätsprinzip des SGB XII wider.

Der Grundsatz: Keine Sozialhilfe bei gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland
Die zentrale Norm ist § 24 SGB XII. Sie regelt ausdrücklich, dass Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten. Diese strikte Nicht-Exportierbarkeit ist der rechtliche Ausgangspunkt.

Die eng gefassten Ausnahmen – außergewöhnliche Notlage und Unmöglichkeit der Rückkehr

Vom Grundsatz kann nur in sehr engen Ausnahmefällen abgewichen werden. § 24 Absatz 1 SGB XII lässt Leistungen im Ausland zu, wenn eine außergewöhnliche Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr nach Deutschland nicht möglich ist.

Als Gründe nennt das Gesetz ausschließlich die Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss, eine längerfristige stationäre Betreuung oder schwere Pflegebedürftigkeit, oder eine Behinderung der Rückkehr durch hoheitliche Gewalt.

Selbst dann gilt der Vorrang des Aufenthaltsstaats: Leistungen werden nicht erbracht, wenn der Staat des aktuellen Aufenthalts oder Dritte leisten oder voraussichtlich leisten werden. Außerdem richtet sich Art und Maß der Hilfe ausdrücklich nach den Verhältnissen im Aufenthaltsland.

Zuständigkeit und Verfahren – Antrag über die Auslandsvertretung

Kommt ausnahmsweise eine Hilfe in Betracht, ist nicht das örtliche Sozialamt am früheren Wohnort zuständig, sondern der überörtliche Träger der Sozialhilfe am Geburtsort in Deutschland.

Die Praxis sieht vor, dass Anträge regelmäßig über die deutsche Auslandsvertretung gestellt und von dort an den zuständigen Träger weitergeleitet werden. Die Auslandsvertretungen wirken mit, entscheiden aber nicht selbst über die Leistung.

Vorübergehende Auslandsaufenthalte mit laufender Grundsicherung

Wer in Deutschland bereits Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung bezieht, darf sich vorübergehend im Ausland aufhalten, ohne den Anspruch sofort zu verlieren.

Gesetzlich festgelegt ist aber eine klare Grenze: Dauert der Auslandsaufenthalt länger als vier Wochen ununterbrochen, enden die Leistungen nach Ablauf der vierten Woche und ruhen bis zur nachgewiesenen Rückkehr. Für die Berechnung zählen nur volle Auslandstage; Reise- und Rückreisetag werden – je nach landesrechtlicher Auslegung – häufig nicht als volle Auslands­tage gewertet.

Was bei längeren Abwesenheiten gilt – das Territorialitätsprinzip in der Praxis
Dauert der Auslandsaufenthalt länger an oder wird der gewöhnliche Aufenthalt ins Ausland verlegt, folgt aus dem Territorialitätsprinzip, dass der deutsche Sozialhilfeträger den Lebensunterhalt im Ausland nicht sicherstellt. Das hat die Rechtsprechung mehrfach bestätigt.

Sozialhilfe nach dem SGB XII ist keine ins Ausland transferierbare Leistung; ein Leistungsanspruch entsteht grundsätzlich erst wieder mit der Rückkehr nach Deutschland.

Einordnung im EU-Recht – keine „exportfähige“ Leistung

Auch das Unionsrecht stützt die Nicht-Exportierbarkeit. Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gilt als „besondere beitragsunabhängige Geldleistung“ im Sinne von Artikel 70 der Verordnung (EG) 883/2004.

Solche Leistungen werden ausschließlich im Mitgliedstaat des gewöhnlichen Wohnsitzes gewährt und sind nicht exportierbar. Deutschland hat die Grundsicherung ausdrücklich in Anhang X der Verordnung gelistet. Wer seinen Wohnsitz in einen anderen EU-Staat verlegt, kann diese deutsche Leistung dort daher nicht mitnehmen.

Hilfe in Notlagen durch Auslandsvertretungen – kein Ersatz für Sozialhilfe

Wer im Ausland unverschuldet in Not gerät, kann sich an die deutsche Auslandsvertretung wenden. Konsularische Hilfe umfasst jedoch vor allem Dokumente zur Rückkehr, Unterstützung bei Kontaktaufnahme zu Angehörigen oder – in engen Grenzen – Darlehen zur Rückreise. Eine fortlaufende Finanzierung des Lebensunterhalts im Ausland gehört nicht dazu und ersetzt keine Sozialhilfe.

Unterschiede zu anderen Leistungen – häufige Missverständnisse

Nicht zu verwechseln ist die Sozialhilfe mit beitragsfinanzierten Sozialversicherungsleistungen wie Renten, die grundsätzlich auch ins Ausland gezahlt werden können.

Umgekehrt gilt: Sozialhilfe ist eine nachrangige, steuerfinanzierte Fürsorgeleistung und an den Aufenthalts- beziehungsweise Wohnsitz in Deutschland gebunden. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um Hilfe zum Lebensunterhalt oder um Grundsicherung handelt.

Fazit

Deutsche Sozialhilfe „aus Deutschland heraus“ im Ausland zu beziehen, ist die seltene Ausnahme, nicht die Regel. Wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt, hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII.

Nur bei außergewöhnlichen Notlagen und objektiv unmöglicher Rückkehr kann im Einzelfall eine zeitlich und inhaltlich begrenzte Hilfe nach den Bedingungen des Aufenthaltslandes gewährt werden.

Für vorübergehende Auslandsaufenthalte gilt bei der laufenden Grundsicherung eine starre Vier-Wochen-Grenze; danach ruhen die Leistungen bis zur nachgewiesenen Rückkehr.

Wer im Ausland Hilfe braucht, sollte frühzeitig die zuständige Auslandsvertretung kontaktieren und parallel klären, welche Unterstützungsangebote im Aufenthaltsstaat existieren