Ob eine Witwenrente gezahlt wird, hรคngt nicht vom Alter bei der Heirat ab, sondern vor allem von der Dauer der Ehe bis zum Todesfall. Fรผr Ehen, die seit dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden, gilt: Bestand die Ehe mindestens ein Jahr, besteht grundsรคtzlich Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente โ unabhรคngig davon, ob die Eheschlieรung mit 30 oder mit 75 Jahren erfolgte.
Stirbt der Ehepartner innerhalb des ersten Jahres, vermutet die Rentenversicherung eine sogenannte โVersorgungseheโ. Diese Vermutung kann in besonderen Konstellationen (etwa Unfalltod) widerlegt werden.
Weitere Mindestvoraussetzungen: Wartezeit und Status des Verstorbenen
Neben der Ehedauer muss der oder die Verstorbene die allgemeine Wartezeit von fรผnf Versicherungsjahren erfรผllt haben. Diese Bedingung entfรคllt, wenn bereits eine eigene Rente bezogen wurde oder der Tod auf einen Arbeitsunfall zurรผckgeht.
Fรผr viele Paare, die erst im Ruhestand heiraten, ist diese Hรผrde meist unproblematisch, weil die verstorbene Person in der Regel schon eine Altersrente bezog.
Kleine und groรe Witwen-/Witwerrente: Hรถhe und Anspruch
Die gesetzliche Hinterbliebenenrente kennt zwei Grundvarianten. Die groรe Witwen- oder Witwerrente betrรคgt in der Regel 55 Prozent der Rente des Verstorbenen. Fรผr vor dem 1. Januar 2002 geschlossene Ehen mit mindestens einem Ehepartner, der vor dem 2. Januar 1962 geboren ist, gilt Bestandsschutz: Dann sind es 60 Prozent.
Die kleine Witwen- oder Witwerrente betrรคgt 25 Prozent und wird (nach neuem Recht) maximal zwei Jahre gezahlt. Welche Variante greift, richtet sich u. a. nach Alter, Erwerbsminderung und Kindererziehung der hinterbliebenen Person. Wer die Altersgrenze erfรผllt, erhรคlt die groรe Rente dauerhaft; die Altersgrenze steigt stufenweise und liegt im Jahr 2025 bei 46 Jahren und vier Monaten.
Das โSterbevierteljahrโ: Drei Monate volle Rente
In den drei Kalendermonaten nach dem Sterbemonat wird die Witwen- oder Witwerrente vorรผbergehend in voller Hรถhe der Versichertenrente gezahlt. In dieser รberbrรผckungszeit findet keine Einkommensanrechnung statt. Fรผr Betroffene schafft das finanzielle Luft โ gerade, wenn Fixkosten kurzfristig unverรคndert weiterlaufen.
Eigene Einkรผnfte im Rentenalter: Anrechnung ist die Regel
Wer im Rentenalter heiratet, bezieht hรคufig bereits eine eigene Altersrente. Solche Einkรผnfte werden โ nach Ablauf des
Sterbevierteljahres โ auf die Hinterbliebenenrente angerechnet. Maรgeblich ist ein jรคhrlich angepasster Freibetrag; nur der darรผber liegende Teil des Nettoeinkommens wird zu 40 Prozent angerechnet.
Vom 1. Juli 2025 bis 30. Juni 2026 liegt der monatliche Freibetrag bundesweit bei 1.076,86 Euro; je waisenrentenberechtigtem Kind erhรถht er sich um 228,42 Euro. Wer also beispielsweise 1.400 Euro Nettoeinkommen hat, รผberschreitet den Freibetrag um 323,14 Euro; 40 Prozent hiervon (129,26 Euro) werden von der Hinterbliebenenrente abgezogen.
Heirat im Alter ist kein Ausschlussgrund โ aber Vorsicht bei kurzer Ehe
Die verbreitete Annahme, eine spรคte Eheschlieรung schlieรe die Witwenrente aus, ist falsch. Entscheidend sind Ehedauer, Wartezeit und die รผbrigen persรถnlichen Voraussetzungen. Problematisch sind Konstellationen, in denen der Tod innerhalb des ersten Ehejahres eintritt. Dann greift die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe; Betroffene kรถnnen sie jedoch widerlegen, etwa bei plรถtzlichem Unfalltod oder wenn andere nachvollziehbare Motive fรผr die Eheschlieรung vorlagen.
Wiederheirat nach einer Verwitwung: Ende der Rente, Abfindung mรถglich
Wer bereits eine Witwen- oder Witwerrente bezieht und erneut heiratet, verliert den Anspruch mit Ablauf des Heiratsmonats.
Als โStarthilfeโ kann eine Rentenabfindung beantragt werden; sie entspricht in der Regel dem 24-fachen Monatsbetrag der zuletzt gezahlten Hinterbliebenenrente. Diese Regel gilt unabhรคngig davon, ob die neue Ehe im Ruhestand geschlossen wird.
Rentensplitting: Alternative mit Folgen
Gerade bei spรคten Ehen wird bisweilen รผber ein Rentensplitting nachgedacht. Dabei teilen die Partner Rentenanwartschaften aus den Ehejahren. Wichtig zu wissen: Wer sich fรผr das Rentensplitting entscheidet, hat spรคter keinen Anspruch mehr auf eine Witwen- oder Witwerrente โ die erhรถhte โeigeneโ Rente bleibt jedoch auch nach dem Tod des Partners bestehen. Diese Weichenstellung sollte gut beraten und bewusst getroffen werden.
Antrag und Fristen: Nichts passiert automatisch
Die Hinterbliebenenrente muss aktiv beantragt werden. Erfolgt der Antrag nicht sofort, kann sie bis zu zwรถlf Monate rรผckwirkend gezahlt werden. Sinnvoll ist es, frรผhzeitig Unterlagen wie Heirats- und Sterbeurkunde sowie Versicherungsnummern bereitzuhalten und gegebenenfalls eine Beratung der Rentenversicherung in Anspruch zu nehmen.
Ein Blick in die Praxis
Ein Paar heiratet mit 69 und 72 Jahren. Der Ehemann stirbt drei Jahre spรคter. Die Ehe bestand lรคnger als ein Jahr, die Wartezeit ist erfรผllt, der Verstorbene bezog bereits Altersrente. Die Witwe hat damit einen Anspruch auf die groรe Witwenrente, also 55 Prozent der Rente des Verstorbenen.
Da sie selbst eine Altersrente bezieht, wird diese โ oberhalb des Freibetrags โ zu 40 Prozent angerechnet. In den drei Monaten nach dem Sterbemonat erhรคlt sie zunรคchst die volle Versichertenrente des Verstorbenen (Sterbevierteljahr), ehe die regulรคre Hinterbliebenenrente mit Einkommensanrechnung greift.
Fazit
Ja, eine Witwen- oder Witwerrente kann auch dann gezahlt werden, wenn man erst im Rentenalter heiratet. Maรgeblich sind die einjรคhrige Mindestdauer der Ehe, die Erfรผllung der Wartezeit und die persรถnlichen Anspruchsvoraussetzungen.
Weil im Ruhestand hรคufig eigene Renten vorhanden sind, spielt die Einkommensanrechnung eine zentrale Rolle fรผr die tatsรคchliche Hรถhe. Wer nach einer Verwitwung nochmals heiraten mรถchte, sollte die Folgen fรผr die laufende Rente und die Mรถglichkeit einer Abfindung kennen โ und Alternativen wie das Rentensplitting mit Blick auf die eigenen Lebensplรคne prรผfen.




