Home-Office statt Erwerbsminderungsrente? Gericht stoppt Rentenversicherung

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Die Rentenversicherung darf bei einer wegeunfähigen Versicherten eine Erwerbsminderung nicht mit dem Argument ablehnen, dass eine Arbeit im Home-Office noch möglich ist. Denn eine Tätigkeit im Home-Office entspricht nicht „den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes“, in dessen Rahmen die Rentenversicherung eine zumutbare Tätigkeit verlangen kann, entschied das Sozialgericht Darmstadt in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 22. Oktober 2025 (Az.: S 25 R 367/22).

Der konkrete Fall

Im konkreten Fall ist die klagende Erzieherin, wegen erheblicher orthopädischer Beschwerden sowie wegen Depressionen seit März 2020 arbeitsunfähig. Sie beantragte wegen ihrer anhaltenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen schließlich bei der Rentenversicherung eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Diese holte mehrere Gutachten ab. Ein orthopädischer Gutachter stellte am 22. Januar 2024 zwar fest, dass die Frau zumindest an sechs Stunden täglich an fünf Tagen die Woche körperlich leichte Tätigkeiten erbringen könne. Mittelschwere Tätigkeiten seien nur noch unter drei Stunden täglich möglich. Allerdings liege keine Wegefähigkeit vor.

Wegen ihrer hochgradigen Knorpelschäden in den Knien sei sie nicht mehr in der Lage, einmal pro Tag Fußwegstrecken von 250 bis 300 Metern zurückzulegen. Auch das Führen eines Pkws im öffentlichen Straßenverkehr sei nicht möglich.

Die Rentenversicherung lehnte den Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente ab. Zum Zeitpunkt des Gutachtens von Januar 2024 sei die Klägerin noch erwerbsfähig gewesen.

Zwar habe der orthopädische Gutachter ihr bescheinigt, dass sie wegen mangelnder Wegefähigkeit nicht zu einer Arbeitsstätte fahren könne.

Sie hätte aber immer noch Tätigkeiten im Home-Office ausüben können. Eine Erwerbsminderungsrente stehe ihr ab dem Zeitpunkte des Gutachtens nicht zu.

Wegeunfähige Versicherte muss nicht im Home-Office arbeiten

Das Sozialgericht urteilte, dass seit dem 22. Januar 2024 eine volle Erwerbsminderung nachgewiesen sei. Voll erwerbsgemindert sei ein Versicherter, wenn er auf absehbare Zeit krankheits- oder behinderungsbedingt nicht in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Zur Erwerbsfähigkeit gehöre aber auch das Vermögen, die Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können, so die Darmstädter Richter. Dies setze ein Mindestmaß an Mobilität voraus.

Dabei werde bei einem arbeitslosen Versicherten angenommen, dass dieser neben der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder des eigenen Pkws auch vier Mal am Tag mindestens Fußwegestrecken von jeweils über 500 Metern in 20 Minuten bewältigen kann. Dies könne die Klägerin aufgrund ihrer hochgradigen Knorpelschäden nicht mehr. Gesundheitlich nutzbare Hilfsmittel stünden nicht zur Verfügung, um die Wegeunfähigkeit auszugleichen.

Sozialgericht Darmstadt bestätigt volle Erwerbsminderung

Die Rentenversicherung könne die Versicherte auch nicht darauf verweisen, dass die Klägeirn doch im Home-Office arbeiten könne und so Arbeitswege vermeide. Denn eine Tätigkeit im Home-Office entspreche nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Selbst bei Bürotätigkeiten sei zeitweise eine Arbeit im Büro und zeitweise im Home-Office üblich.

Ihren Beruf als Erzieherin könne die Klägerin sowieso nicht im Home-Office ausüben. Die Klägerin könne daher eine befristete volle Erwerbsminderungsrente beanspruchen. fle