Schwerbehinderung: Anspruch auf Kosten für ein Rollstuhlfahrrad

Lesedauer 2 Minuten

Kosten für ein Rollstuhlfahrrad (Tandemfahrrad, bei dem der Fahrende hinten sitzt und vorn ein Rollstuhl arretiert werden kann) als soziale Teilhabeleistung
Mit wegweisendem Urteil stärkt der 8. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts die Rechte Behinderter bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

Eine Schwerbehinderte, die an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Tetraparese und dyskinetischer Bewegungsstörung, einer ausgeprägten Sprechstörung leidet, der ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und die Merkzeichen „G“, „aG“ und „H“ zuerkannt worden waren und die in einer eigenen Wohnung lebt, hat Anspruch auf die Übernahme der Kosten für ein Rollstuhlfahrrad (Tandemfahrrad, bei dem der Fahrende hinten sitzt und vorn ein Rollstuhl arretiert werden kann).

Das gibt aktuell das Sächsische Landessozialgericht Urteil vom 14. November 2024 (L 8 SO 50/22 – nicht veröffentlicht) bekannt.

Soziale Teilhabeleistung zur Eingliederung in die Gesellschaft

Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein Hilfsmittel in Form eines Rollstuhlfahrrades als soziale Teilhabeleistung zur Eingliederung in die Gesellschaft kann bestehen, wenn es erforderlich ist, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen.

Dies ist der Fall, wenn das Rollstuhlfahrrad nicht nur als reines Transportmittel zur Erweiterung des Bewegungsradius genutzt wird, sondern durch dessen Nutzung gerade die soziale Interaktion mit Familienmitgliedern, Assistenten oder Freunden auf gemeinsamen Wegstrecken sowohl zur Erledigung alltäglicher Aufgaben als auch auf gemeinsamen Ausflügen gesteigert wird.

Einkäufe mit dem Rollstuhl waren nicht – nicht bewältigen – Rollstuhlfahrrad für gemeinsame Ausflüge mit Freunden

Die schwerbehinderte Klägerin hatte geltend gemacht, Einkäufe mit dem Rollstuhl nicht bewältigen zu können und das Rollstuhlfahrrad zudem für gemeinsame Ausflüge mit Freunden zu benötigen. Das Sozialgericht hatte der Klage stattgegeben. Der 8. Senat hat die hiergegen gerichtete Berufung der Behörde zurückgewiesen.

Anmerkung vom Verfasser

In diesem Zusammenhang möchte ich auf folgende Entscheidung hinweisen:

Kosten für ein Erwachsenendreirad können als Leistung zur sozialen Teilhabe von der Behörde zu übernehmen sein, denn ein Erwachsenendreirad deckt nicht allein die Mobilität ab, sondern kann auch der eigenständigen und selbstbestimmten Lebensführung im Rahmen des Teilhabeziels Soziale Teilhabe dienen ( SG Lüneburg, Urt. v. 10.06.2025 – S 38 SO 96/23 – )

Praxistipp

Behinderten Menschen sollen nicht in die Rolle eines Bittstellers gedrängt werden, die UN-BRK Artikel 19 (Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft ) ist als Auslegungshilfe im nationalen Recht heranzuziehen (BVerfG vom 30. Januar 2020 – 2 BvR 1005/18 – ).

Nach Art 19 UN-BRK ermöglichen die Vertragsstaaten behinderten Menschen eine unabhängige Lebensführung.
Auch in diesem Licht betrachtet sind die personenzentrierten Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß § 104 Abs. 1 SGB IX an der Besonderheit des Einzelfalls zu messen und nach Abs. 2 ist Wünschen der Leistungsberechtigten zu entsprechen, soweit diese angemessen sind.