Schwerbehinderung: Diese Fehler können den Kündigungsschutz kosten

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Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 oder 40 können bei der Agentur für Arbeit die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen beantragen. Nicht nur die Frage, ob der Antrag bewilligt wird, ist wichtig, sondern auch ab wann: Die Gleichstellung wirkt bei Bewilligung grundsätzlich auf den Tag des Antragseingangs zurück. Das kann darüber entscheiden, ob ein Arbeitsplatz erhalten bleibt.

Gleichstellung bei GdB 30/40: Voraussetzungen, Fristen und Vorteile

Gleichgestellt werden können Personen mit GdB 30 oder 40, wenn sie wegen ihrer Beeinträchtigung ohne Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können. Die Gleichstellung zielt auf Arbeitsplatzschutz und bessere Teilhabe am Arbeitsleben. Fristen sind primär mit Blick auf eine drohende Kündigung relevant, weil die Rückwirkung auf den Antragstag anknüpft.

Voraussetzungen ohne starre Mindeststundenzahl: Wann die Gleichstellung greift

Eine feste Mindestarbeitszeit (z. B. 18 Stunden) gibt es nicht. Entscheidend sind ein nennenswertes Beschäftigungsverhältnis und die Erforderlichkeit der Gleichstellung, um den Arbeitsplatz zu sichern oder Zugang zu einem geeigneten Arbeitsplatz zu erhalten. Das muss plausibel und konkret dargelegt werden.

Diese Rechte haben Gleichgestellte – und diese nicht

Gleichgestellte erhalten insbesondere besonderen Kündigungsschutz (Zustimmungspflicht des Integrationsamts), Zugang zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie betriebliche Schutz- und Beteiligungsrechte (z. B. Präventionsverfahren).

Nicht erfasst sind regelmäßig: Zusatzurlaub, vorgezogene Altersrente für Schwerbehinderte, Parkerleichterungen/ÖPNV-Freifahrt und steuerliche Pauschbeträge. Gleichgestellte zählen für Arbeitgeber auf die Beschäftigungspflichtquote an.

Kündigung droht? So schützt die Gleichstellung Ihren Arbeitsplatz

Stehen die Folgen der Behinderung in Zusammenhang mit einer möglichen Kündigung (z. B. häufige krankheitsbedingte Fehlzeiten, verringerte Belastbarkeit, eingeschränkte Mobilität), ist die Gleichstellung oft der zentrale Schutz. Vor jeder Kündigung muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamts einholen.

Dabei wird geprüft, ob zuvor zumutbare Maßnahmen ausgeschöpft wurden: behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung, Umsetzung auf geeignete Tätigkeiten, Hilfen zur Teilhabe. In den ersten sechs Monaten eines neuen Arbeitsverhältnisses besteht dieser Sonderkündigungsschutz nicht.

Ab wann gilt der Kündigungsschutz: Antrag, Rückwirkung, Wartezeit

Wird die Gleichstellung bewilligt, wirkt sie auf den Tag der Antragstellung zurück. Der besondere Kündigungsschutz greift für eine Kündigung nur, wenn der Antrag vor Zugang der Kündigung bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Ein Antrag nach Zugang schützt diese konkrete Kündigung in der Regel nicht. Auch hier gilt die Wartezeit von sechs Monaten Beschäftigungsdauer.

Antrag rechtssicher stellen: online, schriftlich, Eingangs­nachweis

Stellen Sie den Antrag schriftlich oder elektronisch (Online-Formular, Brief, De-Mail) und bewahren Sie den Eingangsnachweis auf. Ein Bevollmächtigter kann Sie vertreten. Begründung und Unterlagen können mit dem Antrag eingereicht oder nachgereicht werden; entscheidend für die Rückwirkung ist das Antragsdatum.

Begründung, die überzeugt: Subjektive Darstellung und belastbare Nachweise

Beschreiben Sie konkret, wie sich die Beeinträchtigung auf Ihre Tätigkeit auswirkt (z. B. Überlastung durch Mehrarbeit, notwendige Erholungsphasen, nicht mehr zumutbare Tätigkeiten). Untermauern Sie das mit objektiven Belegen: aktuellen medizinischen Unterlagen, Tätigkeits-/Anforderungsprofil, BEM-Protokollen, Fehlzeitenübersichten, Abmahnungen, Protokollen von Personalgesprächen oder Stellungnahmen des Arbeitgebers/Integrationsfachdienstes.

In Vermittlungssituationen sind Stellenangebote und dokumentierte Vermittlungshindernisse hilfreich.

Typische Fehler vermeiden: Warum Übertreibungen schaden

Bleiben Sie nah an den Fakten. Übertreibungen können die Glaubwürdigkeit untergraben oder den Eindruck vermitteln, der Arbeitsplatz sei grundsätzlich ungeeignet – mit möglichen Nachteilen für die Entscheidung.

Prävention und BEM: Pflichten des Arbeitgebers nach § 167 SGB IX

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei längeren oder wiederholten Krankheitszeiten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten und Präventionsmaßnahmen zu prüfen. Diese Verfahren gelten auch für Gleichgestellte und spielen in der Prüfung des Integrationsamts regelmäßig eine Rolle.

Befristung, Bindung, Pflichtquote: Das gilt im Alltag

Die Agentur für Arbeit kann die Gleichstellung befristen und/oder arbeitsplatzbezogen aussprechen. Bei einem Arbeitsplatzwechsel kann eine Neubewertung erforderlich sein. Für die Beschäftigungspflichtquote (5 %) werden Gleichgestellte in der Regel angerechnet.

Ablehnung erhalten? So gehen Widerspruch und Klage

Bei Ablehnung können Sie Widerspruch gegen den Bescheid der Agentur für Arbeit einlegen. Bleibt dieser erfolglos, ist Klage vor dem Sozialgericht möglich. Es kann sinnvoll sein, den Antrag mit aktualisierten Unterlagen zu ergänzen.

Kurzcheck: Die wichtigsten Schritte auf einen Blick

Antrag frühzeitig und nachweisbar stellen; Erforderlichkeit konkret und arbeitsplatzbezogen begründen; belastbare Unterlagen beifügen; beachten, dass der Sonderkündigungsschutz nur greift, wenn der Antrag vor Zugang einer möglichen Kündigung gestellt wurde und in den ersten sechs Monaten eines neuen Arbeitsverhältnisses nicht besteht.