Rente: Mit diesem Trick kürzt die Rentenversicherung die Mütterrente

Lesedauer 3 Minuten

Deutschlands Rentenkasse darf die Mütterrente gesetzlich kürzen – oft unbemerkt von Betroffenen. Wer nicht prüft, verzichtet womöglich ein Leben lang auf mehrere tausend Euro.

Warum bis zu 40 % der Bescheide fehlerhaft sind

Interne Stich­proben der Deutschen Renten­versicherung und Berichte unabhängiger Renten­berater weisen regelmäßig Fehler­quoten von rund 40 % nach. Häufig geht es um fehlende Entgelt­punkte für Kinder­erziehungs­zeiten. Diese Punkte bilden die Basis für die sogenannte Mütterrente, die 2014 mit dem Renten­paket I eingeführt wurde, um besonders Mütter vor 1992 geborener Kinder finanziell besserzustellen.

 

Kennzahl (gültig ab 2025) Wert & Stichtag
Aktueller Rentenwert 40,79 € pro EP (seit 1. Juli 2025)
Höchstwert Entgeltpunkte (Deckel nach Anlage 1b SGB VI) 1,9131 EP pro Beitragsjahr (seit 1. Januar 2025, West & Ost einheitlich)
Max. Mütterrente pro vor 1992 geborenem Kind 2,5 EP × 40,79 € = ≈ 101,98 € mtl.

Additive Anrechnung: Das legale Sparmodell der Rentenkasse

Das Kürzungs­instrument heißt additive Anrechnung. Die Behörde summiert alle Entgelt­punkte aus Erwerbs­arbeit und Kinder­erziehung. Über­steigt das Ergebnis den in Anlage 1b SGB VI festgelegten Höchst­wert, werden zuerst die Kinder­erziehungs­punkte gestrichen – teilweise oder vollständig. Praxis­beispiel:

  • Eine Mutter arbeitet während der Kinder­erziehung an der Beitrags­bemessungs­grenze.
  • Sie erhält durch ihr Gehalt bereits fast den maximal zulässigen Punktestand.
  • Der zusätzliche Erziehungs­punkt würde den Deckel sprengen – er entfällt.

So wirkt die Prüfung in der Praxis

Schritt-für-Schritt-Rechenbeispiel (2025)

Situation: Ingenieurin, Jahresbrutto 90 000 €, ein Kind (Geburtsjahr 1991); Erwerbstätigkeit und Kindererziehung fallen im selben Kalenderjahr zusammen.

  1. Entgeltpunkte aus Arbeit
    90 000 € ÷ 50 493 € (Durchschnittsentgelt 2025) = 1,78 EP.
  2. Entgeltpunkte aus Kindererziehung
    Für das Jahr werden anteilig 0,83 EP gutgeschrieben (1 von insgesamt 2,5 EP verteilt auf 3 Jahre).
  3. Zwischensumme
    1,78 EP + 0,83 EP = 2,61 EP.
  4. Vergleich mit Höchstwert
    Höchstwert 2025: 1,9131 EP → Kürzung 0,70 EP (2,61 – 1,9131).
  5. Finanzielle Auswirkung
    0,70 EP × 40,79 € = 28,65 € weniger Rente pro Monat.
  6. Langfristiger Verlust
    28,65 € × 12 Monate × 20 Rentenjahre ≈ 6 900 € Gesamteinbuße.

Wer ist besonders betroffen?

Spitzen­verdienerinnen, Teilzeit­kräfte in gut bezahlten Branchen und Beamtinnen mit versicherungs­pflichtigem Nebenjob verlieren oft den kompletten Erziehungs­zuschlag. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft kostet das bis zu 35 € Rente pro Monat – hochgerechnet über 20 Jahre mehr als 8 000 €.

So finden Sie die Kürzung im eigenen Bescheid

Nehmen Sie Seite 2 Ihres Renten­bescheids zur Hand. Unter „Zeiten der Kinder­erziehung“ steht die Punktzahl. Vergleichen Sie diese mit der Gesamt­punktzahl in der Spalte „Summe der persönlichen Entgelt­punkte“. Weicht sie um exakt den Höchst­wert (aktuell 2,05 Punkte/Jahr in West, 2,08 Punkte/Jahr in Ost) nach unten ab, hat die additive Anrechnung zugeschlagen.

Widerspruchsfrist und Vorgehen bei Unstimmigkeiten

Sie haben einen Monat Zeit, nach Zustellung schriftlich Widerspruch einzulegen (§ 84 SGG). Legen Sie eine genaue Berechnung bei oder fordern Sie Akteneinsicht. Professionelle Renten­berater oder Fachanwälte übernehmen diese Prüfung oft pauschal für rund 150 €. Wird der Fehler anerkannt, korrigiert die Behörde rückwirkend – inklusive Zinsen.

Prävention: Früh prüfen, Geld sichern

Wer künftig Rente beantragt, sollte bereits fünf Jahre vorher einen Versicherungs­verlauf anfordern. So können Lücken, falsch gemeldete Einkommen oder Doppel­anrechnungen rechtzeitig bereinigt werden. Tipp: Legen Sie die Bescheide Ihrer Kinder­krankenkassen­beiträge bei; sie belegen die tatsächliche Erziehungs­zeit und beschleunigen die Anerkennung.

Politische Debatte um Abschaffung der Deckelung

Sozial­verbände fordern seit Jahren, die Höchst­grenze ersatzlos zu streichen. Das Bundes­arbeits­ministerium prüfte 2024 eine Reform, die jedoch wegen Mehr­kosten von geschätzt 1,4 Mrd. € jährlich vertagt wurde. Betroffene sollten deshalb nicht auf künftige Gesetz­gebung warten, sondern ihre Ansprüche aktiv sichern.

Kontrolle zahlt sich aus

Eine einmalige Prüfung des Renten­bescheids dauert wenige Minuten, schützt aber vor dauerhaften Einbußen. Wer jetzt widerspricht, erhält jede fehlende Renten­euro rückwirkend ersetzt – und sichert damit finanzielle Stabilität im Alter.