Mehr arbeiten, weniger Rente: Millionen Rentner verärgert

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Die Wirtschaftsministerin Reiche forderte in einem Interview ein höheres Renteneintrittsalter. Sie sagte: „Es kann auf Dauer nicht gut gehen, dass wir nur zwei Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen.“ Für ihre Äußerungen erhielt sie außerordentlich scharfe Kritik – aus der SPD, von der Partei Die Linke und aus ihrer eigenen Partei.

Demografischer Wandel und steigende Lebenserwartung

Reiche behauptete, der demografische Wandel und die steigende Lebenserwartung machten es unumgänglich, dass auch die Lebensarbeitszeit steige. Kurz gesagt: Die Bürger in Deutschland sollen, ihr zufolge, also mehr und länger arbeiten, als sie es bereits tun.

Das Rentenalter wird seit Langem erhöht

Der demografische Wandel, also die gesteigerte Lebenserwartung in den vergangenen 50 Jahren, ist längst eine Begründung dafür, dass das Rentenalter steigt. Schrittweise wird das Rentenalter angehoben, bis es 2031 den gesetzlich festgelegten Endstand von 67 Jahren erreicht.

Bei einer Altersrente für langjährig Versicherte, einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte und einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen ist es möglich, vorher in den Ruhestand zu gehen – je nach Regelung mit oder ohne Abschläge.

Die Wirtschaftsministerin möchte also über die bereits bestehenden Regelungen hinausgehen.

Bundesregierung gegen weitere Erhöhung des Rentenalters

Reiche gehört zwar der Bundesregierung an, verlässt aber mit ihren Forderungen den Koalitionsvertrag, den ihre eigene Bundesregierung beschlossen hat. Denn dieser sieht ausdrücklich keine Erhöhung des Rentenalters über 67 Jahre hinaus vor.

Was behauptet die Wirtschaftsministerin?

Reiche zufolge überlaste das derzeitige Rentensystem die sozialen Sicherungssysteme, und die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen stießen an ihre Grenzen. Sie behauptet außerdem: „Die Kombination aus Lohnnebenkosten, Steuern und Abgaben machen den Faktor Arbeit in Deutschland auf Dauer nicht mehr wettbewerbsfähig.“

Abseits der Lebensrealität

Dagmar Schmidt, die Vize-Chefin der SPD-Bundestagsfraktion, wandte sich gegen Reiches Behauptungen, denn diese seien „fern der Lebensrealität der meisten Menschen“. Schmidt verwies darauf, dass es bereits heute lohne, über das reguläre Rentenalter hinaus zu arbeiten – und zwar freiwillig. Doch es gelte, diejenigen zu schützen, die nicht länger arbeiten können. Für diese Menschen bedeute eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit eine Rentenkürzung. Sie stellte klar: „Das wird es mit der SPD nicht geben.“

Anreize und Zuzug statt Zwang

Auch Sebastian Roloff, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, hält nichts von den Forderungen der Wirtschaftsministerin: „Die Argumentation von Frau Reiche ist stark verkürzt und wird der Lage nicht gerecht.”
Er teilt zwar Reiches Ansatz, dass Deutschland mehr Arbeitskraft benötige, sagt allerdings: „Das kann man aber nicht pauschal über eine Erhöhung des Renteneintrittsalters erzwingen.“

Roloff möchte hingegen ältere Erwerbstätige durch Anreize für Arbeit über das Rentenalter hinaus begeistern, statt sie dazu zu zwingen. Zudem sei der Zuzug von Fachkräften notwendig. Steuererleichterungen und ein flexiblerer Eintritt in die Rente sind Änderungen, die er für richtig hält.

Scharfe Kritik aus der Partei Die Linke

Weit schärfer als aus der SPD kritisierten Politiker der Partei Die Linke Reiches Forderungen. Der Fraktionsvorsitzende Sören Pellmann nannte die Äußerungen der Wirtschaftsministerin im „Spiegel“ einen „billigen Klassenkampf von oben“.

Alle sollen einzahlen

Pellmann forderte stattdessen ein Rentensystem, in das alle Erwerbstätigen einzahlen, also auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete. Nötig seien zudem eine verbesserte Kinderbetreuung und die Umverteilung bestehender Arbeit.

Kritik aus der eigenen Partei

Massive Kritik musste Reiche sogar aus ihrer eigenen Partei einstecken. So warf der Bundesvize der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands Reiche fehlende Kompetenz vor: „Wer als Wirtschaftsministerin nicht realisiert, dass Deutschland eine hohe Teilzeitquote und damit eine niedrige durchschnittliche Jahresarbeitszeit hat, ist eine Fehlbesetzung.”