Schwerbehinderung: Alle Steuervorteile für behinderte Menschen in 2025

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Wer in Deutschland mit einer Behinderung lebt, trägt häufig höhere Ausgaben als der Durchschnitt – für medizinische Versorgung, Mobilität oder den barrierefreien Umbau der eigenen vier Wände.

Das Steuerrecht erkennt diesen Nachteil an und stellt eine Reihe von Ermäßigungen bereit. Seit der großen Reform 2021 sind viele Beträge deutlich gestiegen; 2025 gelten sie unverändert und lassen sich mit anderen Freibeträgen kombinieren, sodass bei maximaler Ausnutzung bis zu 13 700 Euro pro Jahr steuerfrei bleiben können.

Das steuerliche Prinzip des Nachteilsausgleichs

Das Einkommensteuerrecht versucht, behinderungsbedingte Mehrkosten auszugleichen.

Es fährt zweigleisig: Zum einen über pauschale Freibeträge, die ohne Belegnachweis wirken, zum anderen über den Abzug tatsächlicher Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen. Beide Wege schließen einander aus; Steuerpflichtige müssen sich für die jeweils vorteilhaftere Variante entscheiden. Dass sie dieses Wahlrecht aktiv nutzen müssen, hat der Bundesfinanzhof ausdrücklich betont.
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Der Behinderten-Pauschbetrag: Von 384 bis 7 400 Euro

Seit 2021 gibt es den Pauschbetrag schon ab einem GdB 20; er startet bei 384 Euro und steigt stufenweise bis auf 2 840 Euro bei einem GdB 100. Blinde, taubblinde sowie hilflose Menschen (Merkzeichen H, Bl, TBl) und Personen mit Pflegegrad 4 oder 5 erhalten einen stark erhöhten Betrag von 7 400 Euro.

Die Höhe bleibt 2023 bis 2025 konstant. Der Pauschbetrag deckt typische Daueraufwendungen ab, vom höheren Wäschebedarf bis zu Pflegehilfen, und mindert das zu versteuernde Einkommen selbst dann, wenn im Einzelfall keine oder geringere Kosten entstehen.

Außergewöhnliche Belastungen: Wenn die Pauschale nicht reicht

Übersteigen die realen Mehraufwendungen den Pauschbetrag, lassen sie sich einzeln abrechnen – etwa hohe Medikamentenkosten, der Eigenanteil für eine Reha-Kur oder eine Haushaltshilfe.

Abzugsfähig ist jedoch nur der Teil, der oberhalb der „zumutbaren Eigenbelastung“ liegt; diese richtet sich nach Einkommen, Familienstand und Kinderzahl und bewegt sich zwischen einem und sieben Prozent der Einkünfte.

Fahrtkosten: Werbungskosten und neue Pauschalen

Für den Arbeitsweg dürfen schwerbehinderte Menschen mit einem GdB von mindestens 70 – oder ab 50, wenn das Merkzeichen G vorliegt – anstelle der Entfernungspauschale sämtliche gefahrenen Kilometer ansetzen, einschließlich Parkplatzgebühren.

Seit dem Veranlagungsjahr 2021 gibt es darüber hinaus eine behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale: Sie beträgt 900 Euro jährlich bei einem GdB ≥ 80 oder bei GdB ≥ 70 mit Merkzeichen G.

Wer die Merkzeichen aG, Bl, TBl oder H trägt, kann pauschal 4 500 Euro ansetzen. Eine doppelte Geltendmachung ist ausgeschlossen.

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Umbaukosten: Barrierefreiheit als existenzielles Bedürfnis

Umbauten, die das selbstbestimmte Wohnen erst ermöglichen – etwa eine Rampe, ein Treppenlift oder der rollstuhlgerechte Badumbau – erkennt das Finanzamt grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung an.

Allerdings muss die Maßnahme medizinisch notwendig sein; rein komfortorientierte oder den Freizeitwert steigernde Baumaßnahmen wie ein barrierefreier Gartenpavillon scheiden aus, wie der Bundesfinanzhof 2023 entschieden hat.

Familienleistungen: Kindergeld und Freibetrag ohne Altersgrenze

Für Kinder mit Behinderung wird das Kindergeld unbefristet gezahlt, sofern die Behinderung vor dem 25. Geburtstag eingetreten ist und das Kind sich nicht selbst unterhalten kann.

Seit 1. Januar 2025 beträgt das monatliche Kindergeld 255 Euro je Kind. Der Behinderten-Pauschbetrag des Kindes kann auf Antrag ganz oder teilweise auf die Eltern übertragen werden, wenn das Kind ihn nicht selbst nutzt.

Ausbildungsgeld: Unterstützung in der beruflichen Qualifizierung

Menschen mit Behinderung, die eine besondere Ausbildungseinrichtung besuchen oder an einer berufsvorbereitenden Maßnahme teilnehmen, haben Anspruch auf Ausbildungsgeld nach § 122 SGB III.

Die Leistung ist pauschalisiert, orientiert sich am Lebensunterhalt und berücksichtigt Unterbringungs- sowie Einkommensverhältnisse. Für reguläre duale Ausbildungen gelten erleichterte Regeln bei der Berufsausbildungsbeihilfe.

Pflege- und Betreuungsaufwendungen

Pflichtbeiträge für ambulante Pflege oder haushaltsnahe Dienstleistungen lassen sich bei Inanspruchnahme des Pauschbetrags nicht zusätzlich nach § 35a EStG geltend machen, um eine Doppelbegünstigung zu vermeiden.

Wer dagegen die Einzelabrechnung wählt, kann Pflegeleistungen bis zu 20 000 Euro pro Jahr zu 20 Prozent unmittelbar von der Einkommensteuer abziehen – maximal also 4 000 Euro.

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Alle Steuervorteile bei einer Schwerbehinderung in 2025

Steuerlicher Vorteil Kurzbeschreibung / Voraussetzungen
Behinderten-Pauschbetrag Gestaffelt von 384 € (GdB 20) bis 2 840 € (GdB 100); pauschal für laufende Mehrkosten. Für Hilflose, Blinde, Taubblinde oder Pflegegrad 4/5 erhöht auf 7 400 €.
Wahlrecht: außergewöhnliche Belastungen statt Pauschbetrag Statt des Pauschbetrags können alle tatsächlichen behinderungs­bedingten Aufwendungen einzeln als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) geltend gemacht werden; das Wahlrecht muss aktiv ausgeübt werden.
Behinderungs­bedingte Fahrtkosten­pauschale Pauschal 900 € jährlich (GdB ≥ 80 oder ≥ 70 mit Merkzeichen G); 4 500 € bei Merkzeichen aG, Bl, TBl oder H. Eintrag in der Anlage „Außergewöhnliche Belastungen“.
Tatsächliche Fahrtkosten zum Arbeitsplatz Schwerbehinderte mit GdB ≥ 70 oder GdB ≥ 50 + Merkzeichen G/aG dürfen anstelle der Entfernungspauschale alle gefahrenen Kilometer und Parkgebühren als Werbungskosten absetzen.
Haushaltsnahe Dienstleistungen / Pflege- und Betreuungsleistungen Für ambulante Pflege-, Betreuungs- und Haushaltshilfen werden 20 % der Kosten direkt von der Steuerschuld abgezogen, höchstens 4 000 € pro Jahr (§ 35a EStG).
Behindertengerechter Umbau Zwingend notwendige Umbauten (Treppenlift, barrierefreies Bad, Rampe u. Ä.) mindern als außergewöhnliche Belastungen die Steuer; eine Wertsteigerung des Hauses wird nicht gegengerechnet.
Kindergeld / Kinderfreibetrag ohne Altersgrenze Für Kinder mit Behinderung wird Kindergeld (ab 1. 1. 2025: 255 € monatlich) oder der Kinderfreibetrag unbefristet gewährt, sofern die Behinderung vor dem 25. Geburtstag eintrat und Selbstversorgung ausgeschlossen ist.
Übertragung des Behinderten-Pauschbetrags des Kindes Nutzt das Kind seinen Pauschbetrag nicht, können Eltern ihn in der „Anlage Kind“ auf sich übertragen lassen; gilt jeweils für ein Kalenderjahr.

Praktische Hinweise zur Steuererklärung

Alle Pauschbeträge sowie die Fahrtkostenpauschale werden in der Anlage „Außergewöhnliche Belastungen“ eingetragen. Der Schwerbehindertenausweis oder der Feststellungsbescheid des Versorgungsamts sollte dem Finanzamt in Kopie vorliegen; bei dauerhaftem Ausweis genügt er einmalig.

Wer einen höheren GdB rückwirkend anerkannt bekommt, kann bereits bestandskräftige Steuerbescheide der vergangenen vier Jahre ändern lassen. Elektronische Steuerprogramme übernehmen die Tabellenwerte automatisch, fordern aber bei Einzelabrechnung präzise Belegangaben.

Wer gilt als behindert – und wer als schwerbehindert?

Die sozialrechtliche Definition kommt aus § 2 SGB IX: Als behindert gilt, wessen körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten oder seelische Gesundheit länger als sechs Monate vom altersüblichen Zustand abweichen und dadurch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist. Das Versorgungsamt stellt dazu einen Grad der Behinderung (GdB) zwischen 20 und 100 fest.

Ab einem GdB von 50 oder – unter bestimmten Zusatzmerkmalen – schon ab 30 spricht man von Schwerbehinderung; dann wird ein grün-orangefarbener Schwerbehindertenausweis ausgestellt, der Voraussetzung aller steuerlichen Nachteilsausgleiche ist.

Ein Beispiel aus der Praxis: Frau Sabine H. – ein Steuerjahr mit Behinderung

Sabine H. ist 43 Jahre alt, ledig und arbeitet als technische Redakteurin in Stuttgart. Ihr Bruttojahreslohn beträgt 60 000 Euro; nach den üblichen Vorsorgeaufwendungen und Werbungskosten liegt der Gesamtbetrag ihrer Einkünfte bei 52 000 Euro.

Sabine lebt mit einer spastischen Lähmung beider Beine. Das Versorgungsamt hat einen Grad der Behinderung von 80 sowie das Merkzeichen G festgestellt. Zu Hause bewegt sie sich mit einem Rollstuhl, beruflich fährt sie täglich mit einem Kleinwagen ins Büro.

Wahl der Pauschbeträge

Für die typischen Daueraufwendungen – Medikamente, Physiotherapie, erhöhter Wäschebedarf – gewährt das Finanzamt automatisch den Behinderten-Pauschbetrag von 2 840 Euro.

Weil ihr GdB mindestens 80 beträgt, kann Sabine zusätzlich die behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale von 900 Euro ansetzen; damit sind sämtliche Wege des privaten Alltags einschließlich der Fahrten zur Arbeit abgegolten. Belege muss sie nicht sammeln.

Der große Brocken: barrierefreier Badumbau

Im Frühjahr 2025 lässt Sabine ihr Badezimmer umbauen: unterfahrbares Waschbecken, begehbare Dusche mit Sitz, Haltegriffe, eine verbreiterte Tür und einen Hublift zum Gäste-WC.

Die Handwerkerrechnung beläuft sich auf 10 000 Euro. Da es sich um einen einmaligen, medizinisch notwendigen Aufwand handelt, fällt der Betrag nicht unter die Pauschale, sondern kann als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden.

Zumutbare Eigenbelastung

Für Singles mit einem Einkommen oberhalb von 42 000 Euro sieht § 33 EStG eine Eigenbelastung von sechs Prozentvor. Sechs Prozent von 52 000 Euro entsprechen 3 120 Euro; nur der übersteigende Teil des Umbaukosten­betrags ist abziehbar.
10 000 Euro Umbaukosten – 3 120 Euro Eigenbelastung = 6 880 Euro steuerlich wirksam.

Gesamte steuerliche Entlastung

  • Behinderten-Pauschbetrag: 2 840 Euro
  • Fahrtkostenpauschale: 900 Euro
  • Abziehbarer Teil der Umbaukosten: 6 880 Euro

In Summe mindert Sabine ihr zu versteuerndes Einkommen um 10 620 Euro; es sinkt von 52 000 Euro auf 41 380 Euro. Bei einem Grenzsteuersatz von rund 30 Prozent spart sie rund 3 200 Euro Einkommensteuer.

Zugleich bleibt der Umbau förderfähig: Sollte die Pflegekasse nachträglich einen Zuschuss gewähren, wäre der Betrag lediglich im folgenden Jahr als Erstattung nachzuversteuern.

Fazit des Praxisbeispiels

Sabine profitiert, ohne aufwendige Belegsammlung, von zwei pauschalen Nachteilsausgleichen und kann einen einmaligen Großaufwand zusätzlich berücksichtigen.

Das Beispiel zeigt, wie wichtig die Kombination der Pauschbeträge mit gezielter Einzelabrechnung ist – und dass sich selbst hohe Investitionen in Barrierefreiheit über die Steuer teilweise refinanzieren lassen, wenn der GdB korrekt festgestellt ist und die Eigenbelastung überschritten wird.

Ausblick

Der Gesetzgeber hat signalisiert, dass die Freibeträge künftig regelmäßig überprüft und – falls erforderlich – an Preis- und Lohnentwicklung angepasst werden sollen.

Für das Veranlagungsjahr 2025 bleibt es bei den seit 2021 verdoppelten Beträgen. Besonders relevant könnte mittelfristig die Diskussion um eine vollständige Abschaffung der zumutbaren Eigenbelastung werden, die Fachverbände als „systematische Härte“ kritisieren.

Fazit

Das deutsche Steuerrecht bietet Menschen mit Behinderung ein fein abgestuftes Entlastungssystem. Wer seinen GdB korrekt nachweist, kann allein über Pauschbeträge mehrere tausend Euro im Jahr steuerfrei stellen und weitere außergewöhnliche Belastungen abziehen.

Wichtig ist, das Wahlrecht zwischen Pauschale und Einzelabrechnung bewusst auszuüben, Belege sorgfältig zu sammeln und Umbaumaßnahmen medizinisch begründen zu lassen. So wird aus dem Paragrafen-Dschungel ein realer finanzieller Ausgleich für eine Lebenssituation, in der Teilhabe mehr kostet als sonst.