Eine behindertengerechte Wohnung zu finanzieren, kann grundsรคtzlich unter die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) fallen. Das gilt sowohl fรผr die Beschaffung der Wohnung als auch fรผr ihre Ausstattung und Erhaltung. Entscheidend ist jedoch ein unmittelbarer Bezug zur Berufsausรผbung.
Nur Baumaรnahmen, die konkret das Erreichen des Arbeitsplatzes oder die Ausรผbung des Berufs ermรถglichen, kommen als LTA in Betracht. So entschied das Landessozialgericht (LSG) fรผr das Saarland und gab einer schwerbehinderten Klรคgerin teilweise recht โ allerdings nur in geringem Umfang (Az.: L 11 SO 9/14).
Muskelerkrankung und Umbauten
Die Betroffene leidet an einer fortschreitenden Muskelerkrankung mit deutlich verminderter Muskelkraft. Sie beantragte Leistungen zur Teilhabe fรผr verschiedene Umbauten an ihrem Wohneigentum. Der Antrag gelangte รผber mehrere Stellen zum zustรคndigen Sozialhilfetrรคger (Eingliederungshilfe) als Rehabilitationstrรคger.
Gegenstand des Begehrens waren u. a. der Einbau eines Senkrechtlifts, der Austausch einer Terrassentรผr, Schiebetรผren, elektrische Rolllรคden und Fenstergriffe, diverse Maรnahmen im Sanitรคrbereich sowie ein elektrischer Antrieb fรผr eine (Brandโ)Schutztรผr zwischen Wohnhaus und Garage.
Nach dem Vortrag im Verfahren lagen die veranschlagten Gesamtkosten deutlich รผber 70.000 Euro.
Die Klรคgerin argumentierte, die Maรnahmen seien erforderlich, um den Weg zu ihrem Arbeitsplatz bewรคltigen zu kรถnnen, was ihr aufgrund der Erkrankung zunehmend schwerfalle. Der Trรคger lehnte ab: Die Umbauten bezรถgen sich รผberwiegend auf das allgemeine Wohnen und nicht unmittelbar auf die Berufsausรผbung.
Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht
Den Widerspruch der Frau wies der Trรคger als unbegrรผndet zurรผck. Maรnahmen zur Verbesserung der Lebensqualitรคt oder zur Befriedigung allgemeiner Grundbedรผrfnisse hรคtten nur mittelbar mit der Berufsausรผbung zu tun und seien daher keine LTA.
Die Erkrankte klagte vor dem Sozialgericht fรผr das Saarland โ ohne Erfolg. Das Gericht folgte im Wesentlichen der Argumentation: Die angefรผhrten Umbauten seien dem hรคuslichen Umfeld zuzuordnen und Teil der persรถnlichen Lebensfรผhrung; sie fielen nicht unter Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Berufung teilweise erfolgreich
Die Frau legte Berufung beim Landessozialgericht fรผr das Saarland ein. In zweiter Instanz hatte sie einen Teilerfolg. Die Richter stellten fest, dass die Klรคgerin zum Erreichen ihres Arbeitsplatzes auf einen Elektrorollstuhl angewiesen ist und diesen insbesondere benรถtigt, um ihren Pkw zu erreichen.
Ein Sachverstรคndiger aus dem Bereich barrierefreies Bauen erlรคuterte nachvollziehbar, dass dafรผr ein barrierefreier Zugang zwischen Wohnhaus und Garage erforderlich sei. Dieser werde durch den elektrischen Tรผrantrieb an der Schutztรผr gewรคhrleistet.
Der Tรผrantrieb diene unmittelbar der Mรถglichkeit, den Beruf auszuรผben, und sei deshalb als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu รผbernehmen. Das LSG sprach hierfรผr 4.165,79 Euro zu. Alle weiteren Umbauten blieben hingegen unberรผcksichtigt.
Keine รbernahme selbst geschaffener Hindernisse
Anders beurteilte das Gericht die รผbrigen baulichen Maรnahmen. Nach den Feststellungen im Verfahren wรคre es auf dem Grundstรผck mรถglich gewesen, Schlafzimmer und Badezimmer bereits im Erdgeschoss barrierefrei zu planen.
Die Erstattung der Kosten fรผr einen Senkrechtlift komme daher nicht in Betracht. Nach Auffassung des Gerichts hatte die Klรคgerin die nicht behindertengerechte Situation zumindest mitverursacht; kostengรผnstigere Alternativen (etwa ein Treppenlift) seien durch bauliche Entscheidungen erschwert worden.
Ein erkennbar selbst geschaffener, behinderungsbedingt nachteiliger Zustand rechtfertigt fรผr sich genommen keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Kern der Entscheidung: Unmittelbarer Berufsbezug erforderlich
Das LSG grenzt klar ab: LTA (heute u. a. in ยง 49 SGB IX geregelt) setzen einen unmittelbaren Zusammenhang zur Aufnahme oder Ausรผbung einer Erwerbstรคtigkeit voraus. Allgemeine Wohnumfeldverbesserungen โ so wichtig sie fรผr die Lebensfรผhrung sind โ fallen hierunter nicht.
Nur der elektrisch betriebene Tรผrantrieb war im konkreten Fall das fehlende Glied auf dem Weg von der Wohnung zum Auto und damit zur Arbeit.
Gilt als LTA | Gilt eher nicht als LTA |
Elektrischer Tรผrantrieb zwischen Wohnhaus und Garage, um mit dem Elektrorollstuhl den Pkw zu erreichen | Senkrechtlift im Wohnhaus |
Bauteile, die unmittelbar den Weg zur Arbeit ermรถglichen | Umbauten im Sanitรคrbereich, Terrassentรผren, Rolllรคden, allgemeine Wohnraumanpassungen |
Zusammenfassung
Das Urteil schafft Klarheit: Wer Umbauten als Leistungen zur Teilhabe geltend machen will, muss den direkten Berufsbezug konkret belegen. Nur was tatsรคchlich den Weg zur Arbeit oder die Berufsausรผbung ermรถglicht, kann รผbernommen werden. Fรผr alle รผbrigen โ oft ebenso notwendigen โ Anpassungen kommen andere Hilfesysteme in Betracht, nicht jedoch die LTA.