Schwerbehinderung: Krankenkasse muss GPS-Uhr zahlen

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Eine GPS gesteuerte Uhr kann ein Hilfsmittel für Menschen mit Schwerbehinderung sein, dessen Kosten die Krankenkasse übernehmen muss. So entschied das Bundessozialgericht (B 3 KR 15/19 R).

Geistige Behinderung und Orientierungslosigkeit

Der Betroffene leidet an einer geistigen Behinderung. Er neigt stark dazu, wegzulaufen und ist dabei orientierungslos. Die Gefahr ist groß, dass er sich in diesen Situationen selbst gefährdet. Der Grad der Behinderung liegt bei 100, eingetragene Merkzeichen im schwerbehindertenausweis sind H, B und G. Er hat mit 5 den höchsten Pflegegrad.

Der Betroffene lebt bei seiner Mutter und hält sich täglich in einer Tagesförderstätte auf – mit individueller Betreuung.

Krankenkasse lehnt GPS-Uhr ab

Wegen seiner Tendenz zum Weglaufen und seiner Orientierungslosigkeit beantragte die Mutter, die Kosten für einen GPS-gesteuerte Uhr zu übernehmen, um jederzeit zu wissen, wo sich der Betroffene aufhält.

Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab. Denn es handle sich weder um ein Pflegehilfsmittel im Sinne der Pflegeversicherung noch um ein Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung. Vielmehr sei es ein Überwachungssystem, um die Position zu bestimmen.

Einsperren statt GPS

Die Krankenkasse sah andere Maßnahmen als geeigneter an, um die Gefahr des Weglaufens zu verhindern. Sie zählte auf: Abschließen von Türen und ständige persönliche Begleitung außerhalb des Hauses.

Es geht vor das Sozialgericht

Die Mutter klagte vor dem Sozialgericht Oldenburg, um Ihren Anspruch durchzusetzen, doch dieses wies die Klage ab (S 63 KR 363/15). Die Mutter ging in Berufung, und das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hob das vorhergehende Urteil auf und verpflichtete die Krankenkasse, die Kosten zu übernehmen. (L 16 KR 182/18). Die Krankenkasse forderte daraufhin eine Revision beim Bundessozialgericht. Dieses gab der Mutter Recht.

Hilfsmittel zum Ausgleich der Behinderung

Die Richter erklärten, die beantragte Uhr sei ein Hilfsmittel, um die geistige Behinderung abzumildern und auszugleichen. Sie sei speziell für Menschen entworfen, die die Orientierung verlören und dazu neigten, wegzulaufen.

Die Uhr erweitert die Bewegungsfreiheit

Die Uhr diene auch der Teilhabe des Betroffenen am gesellschaftlichen Leben. Bislang sei nämlich sein Bewegungsradius auf verschlossene Räume un der Wohnung und deren abgegrenzten Nahbereich beschränkt. Er dürfe auch zeitweilig nicht an Ausflügen und Gruppenaktionen der Tagesförderstätte teilnehmen.

Hilfsmittel beschränken sich nicht auf Minimalversorgung

Die Versorgung mit Hilfsmitteln beschränke sich nicht auf eine Minmalversorgung. Die Uhr mindere Beeinträchtigungen eines Grundbedürfnisses und erweitere erheblich die faktisch eingeschränkte Bewegungsfreiheit.
Durch das Tragen der Uhr würde die selbstbestimmte Mobilität gefördert, ohne das Risiko zu erhöhen, dass er sich selbst verletze. Dies sei im Rahmen der medizinischen Rehabilitation als Grundbedürfnis anzuerkennen. Der Betroffene vergrößere so seine Freiheit, sich an selbst gewählten Orten aufzuhalten. Der Behinderungsausgleich sei erheblich. Es sei kein anderes sachliches Hilfsmittel ersichtlich, dass eine vergleichbare Selbstbestimmung bringen könnte.
Diese Wirkung entspreche dem zentralen Ziel des Rechts der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.