Krankenkasse muss 22.000 € für Patientin zahlen – BSG Urteil

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Eine Frau, die an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ sowie wiederkehrenden schweren Depressionen leidet, unterzog sich einer Behandlung im Krankenhaus. Die Krankenkasse, bei der die Betroffene versichert ist, weigerte sich, die Kosten für die stationäre Behandlung zu übernehmen.

Sie argumentierte, es habe sich um eine Fehlbelegung gehandelt, eine ambulante oder teilstationäre Therapie wäre ausreichend und wirtschaftlicher gewesen.

Das Bundessozialgericht sah dies anders. Mit Urteil vom 2. April 2025 verurteilte es die Krankenkasse, die vollen Behandlungskosten in Höhe von 22.026,58 Euro zu übernehmen (B 1 KR 31/23 R).

Der Fall verdeutlicht, unter welchen Voraussetzungen eine vollstationäre psychiatrische Behandlung als medizinisch notwendig gilt und wann externe Belastungserprobungen die Einstufung als vollstationär nicht ausschließen.

Akute Depression

Die Betroffene wurde mit den Diagnosen „rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome“ (ICD-10-GM F33.2) und „emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Borderline-Typ“ (ICD-10-GM F60.31) in die Klinik aufgenommen.

Bereits wenige Monate zuvor war sie in demselben Krankenhaus behandelt worden, was die Schwere und Chronizität der Erkrankung unterstrich.

Medizinischer Dienst prüft Fehlbelegung

Die Krankenkasse schaltete ihren Medizinischen Dienst ein, um zu klären, ob eine primäre Fehlbelegung vorlag. Aus Sicht der Kasse hätte eine ambulante oder teilstationäre Behandlung ausgereicht. Auf dieser Grundlage verweigerte sie die vollständige Kostenübernahme für die als vollstationär abgerechnete Behandlung.

Sachverständiger bestätigt Notwendigkeit vollstationärer Behandlung

Im Klageverfahren holte das Sozialgericht ein unabhängiges Sachverständigengutachten ein. Der Facharzt bestätigte, dass aufgrund des komplexen und schweren Krankheitsbildes eine vollstationäre Behandlung erforderlich gewesen sei.

Besonders die Kombination aus schwerer depressiver Episode, Borderline-Symptomatik, Suizidalität und der Notwendigkeit engmaschiger Betreuung rechtfertigte die stationäre Aufnahme. Die Krankenkasse hielt dennoch an ihrer Auffassung fest, sodass der Rechtsstreit durch die Instanzen ging.

Erforderlich und wirtschaftlich

Zentral war die Frage, ob die stationäre Behandlung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung „erforderlich und wirtschaftlich“ war. Grundsätzlich gilt: Bestehen mehrere gleich geeignete Behandlungsmöglichkeiten, muss die Krankenkasse nur die Kosten für die wirtschaftlichste Alternative tragen.

Vor diesem Hintergrund argumentierte die Versicherung, eine intensivere ambulante Behandlung hätte ausgereicht und sei kostengünstiger gewesen.

Sozialgericht gibt Krankenhaus Recht

Das Sozialgericht folgte dieser Argumentation nicht. Es stützte sich auf das Sachverständigengutachten und die Behandlungsdokumentation und kam zu dem Ergebnis, dass die stationäre Behandlung angesichts des Krankheitsbildes notwendig gewesen sei.

Es verurteilte die Krankenkasse zur Übernahme der vollen Kosten. Gegen diese Entscheidung legte die Krankenkasse Berufung ein.

Krankenkasse scheitert vor dem Landessozialgericht

Auch das Landessozialgericht bestätigte nach ergänzender Stellungnahme des Sachverständigen die Einschätzung der Vorinstanz. Die Richter betonten, dass die Schwere der Erkrankung, die Notwendigkeit stabiler therapeutischer Beziehungen und die engmaschige Überwachung eine vollstationäre Versorgung erforderten.

Der wechselnde Tageszustand der Betroffenen spreche gerade nicht gegen eine stationäre Behandlung, sondern mache ein sicheres, jederzeit verfügbares Behandlungsumfeld erforderlich.

Bundessozialgericht lehnt Revision ab

Die Krankenkasse legte Revision zum Bundessozialgericht ein. Das BSG wies die Revision zurück. Es bestätigte, dass im konkreten Fall die Voraussetzungen einer vollstationären Behandlung erfüllt waren. Entscheidend war, dass die Patientin trotz zeitweiser Aufenthalte außerhalb des Klinikgebäudes durchgehend eng in das Versorgungssystem des Krankenhauses eingebunden blieb, ein Bett exklusiv freigehalten wurde und jederzeit Rückgriff auf das therapeutische Team und die Pflege möglich war.

Externe Belastungserprobungen seien Teil eines therapeutischen Gesamtkonzepts und stünden der Einstufung als vollstationär nicht entgegen, solange die funktionelle und räumliche Anbindung an das Krankenhaus gewahrt bleibt.

Auffangen ist elementar für die Therapie

Nach den Feststellungen der Gerichte war es für den Behandlungserfolg zentral, die Betroffene immer wieder auffangen zu können. Sie musste täglich eine Tagesplanung erstellen, ihre Symptome und Belastungen dokumentieren und hatte die Möglichkeit, sich jederzeit an das Pflegepersonal zu wenden – auch nachts.

Diese dauerhafte Verfügbarkeit und die enge Betreuung seien bei der vorliegenden psychischen Störung ein wesentlicher Bestandteil der Therapie gewesen.

Durchgehend in die Versorgung des Krankenhauses integriert

Die Versicherte war nach Überzeugung der Gerichte während des gesamten Zeitraums in das Versorgungssystem des Krankenhauses integriert, selbst dann, wenn sie sich im Rahmen therapeutisch geplanter Belastungserprobungen vorübergehend außerhalb des Hauses aufhielt.

Die engmaschige Betreuung, die ständige Erreichbarkeit von Ärzt:innen und Pflegekräften sowie die durchgehende Bettenfreihaltung belegten den vollstationären Charakter der Behandlung.

Eine vollstationäre Behandlung war damit medizinisch erforderlich und entsprach dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Folglich musste die Krankenkasse die vollen Kosten tragen.