Hartz IV Urteil: Einkommenszufluss kein Vermögen

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Hartz IV: Bundessozialgericht: Einkommenszufluss kein Vermögen. Streitig war die Berücksichtigung von Arbeitseinkommen.

Die Klägerin beantragte am 04.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die monatlichen Mietkosten der Klägerin beliefen sich auf 286,32 EUR zzgl. Nebenkosten (insgesamt 375,00 EUR). Bis 31.12.2004 war die Klägerin bei der Fa. L. in N. beschäftigt. Das Arbeitsentgelt in Höhe von 1.034,91 EUR (netto; 1.472,00 EUR brutto) für Dezember 2004 wurde der Klägerin am 13.01.2005 auf ihrem Konto bei der P.bank M. gutgeschrieben.

Mit Bescheid vom 17.02.2005 bewilligte der für die Kosten der Unterkunft zuständige kommunale Träger Leistungen für die Zeit ab dem 01.02.2005 bis 31.07.2005 in Höhe von 370,00 EUR monatlich. Die für die Regelleistung zuständige Agentur für Arbeit bewilligte parallel hierzu mit Bescheid vom 07.03.2005 für die Zeit ab dem 01.02.2005 Leistungen in Höhe von 345,00 EUR monatlich.
Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin am 15.03.2005 Widerspruch und machte geltend, dass Leistungen für Januar 2005 zu Unrecht verweigert worden seien. In diesem Monat habe daher kein Krankenversicherungsschutz bestanden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Dezembergehalt 2004 in Höhe von 1.034,91 EUR sei der Klägerin am 13.01.2005 zugeflossen und schließe daher, nachdem 803,65 EUR zu berücksichtigen waren, die Bedürftigkeit der Klägerin im Januar 2005 aus, da nur ein Bedarf von 715,00 EUR bestehe.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 04.10.2005 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und geltend gemacht, dass auch für die Zeit vom 04.01.2005 bis 31.01.2005 ein Leistungsanspruch bestehe, da die Zahlung des Dezembergehaltes dem Vermögen zuzurechnen und nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 05.04.2006 abgewiesen. Das Arbeitsentgelt der Klägerin sei als laufende Einnahme im Januar 2005 bedarfsmindernd zu berücksichtigen, so dass ein Leistungsanspruch nicht bestehe.
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil am 12.05.2006 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt sei als Forderung gegen den Arbeitgeber dem Vermögen der Klägerin zuzurechnen. Das Arbeitsentgelt sei auch allenfalls als einmaliges Einkommen anzusehen, da das Arbeitsverhältnis beendet ist und mit weiteren Zahlungen nicht zu rechnen sei. Einmaliges Einkommen sei jedoch nicht anzurechnen. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.04.2006 aufzuheben, und die Bescheide der Beklagten vom 17.02.2005 und 07.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2005 abzuändern und ihr für die Zeit vom 04.01.2005 bis 31.01.2005 Alg II in Höhe 692,00 EUR zu bewilligen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakte, die Akten des Sozialgerichts Nürnberg und des Bayer. Landessozialgerichtes sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache aber unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 04.01.2005 bis 31.01.2005 – mangels Hilfsbedürftigkeit – keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erhalten Personen, die – unter anderem – hilfsbedürftig sind, § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält, § 9 Abs 1 Nr 2 SGB II. Ein Anspruch der Klägerin besteht für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht, weil das Einkommen aus ihrer Tätigkeit im Dezember 2004, das ihr am 13.01.2005 zugeflossen ist, ausreicht, um den Bedarf im streitgegenständlichen Zeitraum zu decken. Der Bedarf der Klägerin betrug für die Zeit vom 04.01.2005 bis 31.01.2005 (28 Kalendertage) 667,33 EUR. Regelleistung (allein stehend) 345,00 EUR Miete einschließlich Nebenkosten: 375,00 EUR./. Warmwasseranteil(1/6) 5,00 EUR Gesamtbedarf für Januar 2005 715,00 EUR Anteilig für 04.01. bis 31.01.2005 (28/30) 667,33 EUR. Darüber hinaus sind Mehrbedarfe weder vorgetragen noch ersichtlich. Dem steht ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 779,70 EUR gegenüber.

Bruttoarbeitsentgelt: 1.472,00 EUR Nettoarbeitsentgelt 1.034,91 EUR (nach Abzug der Absetzbeträge § 11 Abs 2 Nr 1 und 2 SGB II)./. Versicherungsbeiträge (pauschal) (§ 11 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 3 Nr 1 Alg II-V 30,00 EUR./. notwendige Ausgaben zur Einkommenserzielung (§ 11 Abs 2 Nr 5 SGB II iVm § 3 Nr 3a) aa) Alg II-V 15,33 EUR (§ 11 Abs 2 Nr 5 SGB II iVm § 3 Nr 3a) bb) Alg II-V 13,80 EUR I) bereinigtes Einkommen 975,78 EUR
Nettolohnquote: 66,289 % (= 975,78 EUR: 1.472,00 EUR) Freibetrag bis 400: 66,289 % x 400,00 EUR x 15 % = 39,77 EUR Freibetrag bis 900: 66,289 % x 500,00 EUR x 30 % = 99,43 EUR Freibetrag bis 1500: 66,289 % x 572,00 EUR x 15 % = 56,88 EUR II) Freibetrag nach § 11 Abs 2 Nr 6 iVm § 30 SGB II 196,08 EUR

Anzurechnendes Einkommen: (I abzgl. II) 779,70 EUR
Damit war die Klägerin durch das anzurechnende Einkommen in der Lage, ihren Bedarf vollständig zu decken, so dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfsbedürftig war. Es gibt auch keinen Anlass, den Zufluss des Arbeitsentgeltes am 13.01.2005 unberücksichtigt zu lassen.

Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Zufluss des Arbeitsentgeltes im Bedarfszeitraum auch nicht als Vermögen, sondern als Einkommen iS des § 11 SGB II anzusehen. Nach der Rechtsprechung des BVerwG – zur sozialhilferechtlich relevanten Abgrenzung von Einkommen und Vermögen – ist danach zu differenzieren, dass Einkommen alles das ist, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat. Mittel, die der Hilfesuchende in der Bedarfszeit erhält, sind als Zufluss in der Bedarfszeit Einkommen. Mittel, die der Hilfesuchende früher, auch wenn er sie erst in der vorangegangenen Bedarfszeit als Einkommen erhalten hat, sind, soweit sie in der aktuellen Bedarfszeit noch vorhanden sind, Vermögen. Dabei ist Bedarfszeit die Zeit, in der der Bedarf besteht und zu decken ist. Hierbei ist für die Frage, wann etwas zufließt, grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, soweit normativ nichts anderes geregelt ist (vgl. BVerwG; Urteil vom 18.02.1999; BVerwGE 108, 296 ff).

Zwar ist bei der Abgrenzung von Einkommen und Vermögen auch zu beachten, dass Einnahmen in aller Regel aus bereits bestehenden Rechtspositionen erzielt werden und eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete – noch nicht erfüllte – Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstellt, die, soweit der Inhaber bereits darüber verfügen kann, dessen Vermögen zuzurechnen ist.

Eine Folge dieser Betrachtungsweise wäre jedoch eine Konkurrenz dergestalt, dass einerseits die Forderung als Vermögen und andererseits mit der Leistung aus der Forderung der tatsächliche Zufluss als Einkommen zu berücksichtigen wäre. Normativ stellt jedoch die Regelung des § 11 SGB II – wie die wortgleiche Vorschrift des § 76 BSHG – darauf ab, dass im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung interessiert, sondern das Gesetz insofern allein auf die Erzielung von Einkünften in Geld oder Geldeswert als Einkommen abstellt, da allein mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Geldmitteln – ohne weiteren vorgeschalteten Verwertungsakt (wie z.B. durch Verkauf und Abtretung der Forderung) – der grundsicherungsrechtlich relevante Bedarf durch den Leistungsempfänger gedeckt werden kann (in diesem Sinne auch BVerwG aaO; zum Zuflussprinzip vgl. auch BSG; Beschluss vom 23.11.2006 – B 11b AS 17/06 B).

Das Einkommen der Klägerin ist auch als laufende Einnahme zu werten. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung dieser Frage ist die der Einnahme zugrundeliegende Rechtsposition des Zahlungsempfängers. Handelt es sich hierbei (im weitesten Sinne) um ein Dauerschuldverhältnis, sind die hieraus zu beanspruchenden (Einzel-)Leistungen als laufende Einnahmen anzusehen.

Allein der Umstand, dass letztmalig eine Zahlung aus einem Dauerschuldverhältnis – um das es sich bei einem Arbeitsverhältnis in aller Regel handelt – erfolgt und mit weiteren Einnahmen nicht zu rechnen ist, rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise, da sich in Bezug auf die Rechtsgrundlage allein durch den Zeitpunkt und die Umstände der Zahlung keine Änderung ergibt.

Unabhängig davon, ergäbe sich auch kein Zahlungsanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum, wenn die Auszahlung des Arbeitsentgeltes als einmalige Einnahme anzusehen wäre, da lediglich Einnahmen bis 50,00 EUR jährlich nicht anzurechnen sind, § 1 Abs 1 Nr 1 Alg II – V.

Insoweit missversteht der Bevollmächtigte der Klägerin die Regelung wohl dahingehend, dass einmalige Einnahmen grundsätzlich anrechnungsfrei sind und lediglich Einnahmen, die in größeren als monatlichen Abständen anfallen, dann anrechnungsfrei bleiben, wenn sie 50,00 EUR jährlich nicht übersteigen. Diese Einschätzung ist offenkundig unzutreffend, da anderenfalls die Regelung des § 2 Abs 3 Alg II – V überflüssig wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Als Unterliegende hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten. Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor, da die Frage der Abgrenzung von Einkommen und Vermögen durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes und des Bundesverwaltungsgerichtes hinreichend geklärt ist. Urteil:

1. Instanz /Sozialgericht Nürnberg /S 13 AS 428/05
2. Instanz / Bayerisches Landessozialgericht/L 11 AS 106/06
3. Instanz /Bundessozialgericht/B 14 AS 132/07 B

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