Wie das Bundessozialgericht (BSG) in einem wegweisenden Urteil am 27.11.2025 entschieden hat, ist die Anrechnung von Einkommen des Ehepartners nicht verfassungswidrig.
Geklagt hatte ein Betroffener wegen der Ungleichbehandlung von Ehepaaren und nichtehelichen Lebensgemeinschaften in § 97a Abs. 1 SGB VI. Dort ist geregelt, dass nur bei Ehepaaren das Einkommen des Ehegatten angerechnet wird, nicht jedoch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften.
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Ungleichbehandlung bei der Anrechnung des Partnereinkommens
Wer jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt und dabei wenig verdient hat, sollte im Alter nicht auf eine Mini-Rente zurückgeworfen werden. Mit diesem Versprechen ist die Grundrente zum 1. Januar 2021 eingeführt worden. Doch das Regelwerk enthält eine Stelle, die seit Beginn für Streit sorgt: Bei verheirateten Rentnerinnen und Rentnern wird bei der Einkommensprüfung auch das zu versteuernde Einkommen des Ehepartners berücksichtigt – bei Paaren, die “nur” zusammenleben, dagegen nicht. Genau diese Ungleichbehandlung hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel nun gebilligt.
Worum es bei der Grundrente eigentlich geht
Die Grundrente ist keine eigene Rentenart, sondern ein Zuschlag innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung. Er richtet sich an Menschen, die lange versichert waren und trotzdem nur geringe Rentenansprüche erworben haben. Ob und in welcher Höhe der Zuschlag gezahlt wird, hängt nicht nur von Versicherungszeiten und Entgeltpunkten ab, sondern auch von einer Einkommensprüfung.
Anspruchsberechtigt sind Versicherte, die mindestens 33 Jahre sogenannte Grundrentenzeiten erreichen; zwischen 33 und 35 Jahren wird der Zuschlag abgestuft, ab 35 Jahren kann er in voller Höhe greifen. Diese Eckwerte finden sich sowohl in den Informationen der Deutschen Rentenversicherung als auch unmittelbar in der gesetzlichen Regelung des § 76g SGB VI.
BSG bestätigt Ungleichbehandlung – stellt aber die Ehe im Bürgerliches Gesetzbuch voran
Zwar bestätigte das Bundessozialgericht, dass hier eine Ungleichbehandlung vorliegt, jedoch sah es diese als gerechtfertigt an, weil das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt, dass Eheleute untereinander unterhaltspflichtig sind und dieser Unterhalt auch einklagbar sei, das BGB eine solche Regelung für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft jedoch nicht beinhaltet.
In der Diskussion stößt vor allem ein weiterer Teil der Begründung auf Kritik: Der Grundrentenzuschlag solle nur dort ankommen, wo es einen Bedarf gibt, während Haushalte mit ausreichend hohem Einkommen nicht profitieren sollen. Dies wirkt auf den ersten Blick plausibel, weil sie den Zuschlag als zielgerichtete Sozialleistung beschreibt.
Genau an dieser Stelle entsteht aber die Ungleichbehandlung: Wenn der Maßstab tatsächlich die Leistungsfähigkeit eines Haushalts sein soll, dann ist schwer zu erklären, weshalb das Einkommen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft grundsätzlich außen vor bleibt. Dort kann das Haushaltseinkommen genauso hoch sein, der materielle Spielraum genauso groß, die faktische Solidarität genauso gelebt. Dass ausgerechnet die Ehe – also die rechtlich besonders geschützte Lebensform – strengere Regeln auslösen kann, wird von vielen als widersprüchliches Signal wahrgenommen.
Das BSG löst diesen Widerspruch nicht über eine pauschale Bedarfslogik, sondern über Rechtsbindung: Die Ehe erzeugt einklagbare Pflichten, die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht. Aus Sicht der Richterinnen und Richter ist die Ungleichbehandlung damit weniger eine Wertung über Lebensformen als eine Konsequenz unterschiedlicher Rechtsfolgen. Ob diese sozialrechtliche Trennlinie gesellschaftlich noch überzeugt, ist eine andere Frage.
Vorinstanz urteilte ähnlich
Das Landessozialgericht NRW hatte bereits vor dem BSG argumentiert, Nachteile, die an die Ehe anknüpfen, würden im Gesamtbild durch Vorteile und andere Rechtswirkungen der Ehe ausgeglichen. Das ist eine Sichtweise, die rechtlich durchaus verbreitet ist – sie beantwortet aber nicht das Unbehagen, das viele Betroffene empfinden: Der Zuschlag soll Lebensleistung würdigen, trifft im Ergebnis jedoch ausgerechnet dort auf eine Hürde, wo Menschen sich rechtlich binden und Verantwortung füreinander übernehmen.
Millionen Haushalte betroffen
Dass die Debatte so schnell an Fahrt gewinnt, hängt auch mit der Reichweite der Grundrente zusammen. Nach Angaben, die in der aktuellen Berichterstattung unter Verweis auf die Deutsche Rentenversicherung genannt werden, wurde Ende 2023 bei rund 1,27 Millionen Renten ein Grundrentenzuschlag gezahlt; die durchschnittliche Höhe lag bei etwa 92 Euro.
Für viele Haushalte ist das kein Luxus, sondern spürbares Geld. Gleichzeitig ist die Regelung so gebaut, dass Änderungen im Einkommen – etwa durch Betriebsrenten, Kapitalerträge, Mieteinnahmen oder auch schlicht durch Steuerbescheide – zeitverzögert in die Berechnung hineinlaufen, weil die Finanzamtsdaten nachgelagert übermittelt werden. Damit erklärt sich, warum Bescheide oft überraschend kommen und warum die jährliche Neubewertung regelmäßig Verunsicherung auslöst.
Kritik an der Ungleichbehandlung
Die Partneranrechnung ist eingebettet in eine allgemeine Kritik an der Einkommensprüfung. Sozialverbände monieren seit Jahren, die Grundrente sei zu kompliziert, zu bürokratisch und in der Wirkung zu wenig verlässlich. Der Sozialverband VdK spricht von einer grundsätzlich sinnvollen Leistung, die aber vereinfacht werden müsse.
Deutlicher fällt die Kritik beim SoVD aus, der die Einkommensprüfung als Quelle von Verunsicherung beschreibt und fordert, darauf zu verzichten. “Ein Zuschlag, der Armut im Alter abfedern soll, verliere Vertrauen, wenn er durch eine nachträgliche und schwer nachvollziehbare Einkommensprüfung immer wieder gekürzt wird”, so die Kritik.
Verfassungsbeschwerde nicht ausgeschlossen
Rechtlich ist das BSG mit seiner Entscheidung nicht das letzte Wort in jeder Hinsicht, denn eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ist grundsätzlich möglich. Politisch ist das Urteil ein Signal, dass eine Korrektur eher aus dem Gesetzgebungsverfahren kommen müsste als aus der Rechtsprechung.
Was Betroffene mit Grundrente jetzt tun können
Für Betroffene bedeutet das vor allem: Wer verheiratet ist oder in eingetragener Partnerschaft lebt, muss auch künftig damit rechnen, dass das zu versteuernde Einkommen des Partners den Grundrentenzuschlag mindern oder vollständig aufzehren kann. Und wer sich über Änderungen im Bescheid wundert, sollte im Blick behalten, dass die jährliche Neubewertung auf Steuerdaten basiert, die zeitlich hinterherlaufen und zum Jahreswechsel wirksam werden.
Das Aktenzeichen lautet: B 5 R 9/24 R



