Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit einem Urteil klargestellt, dass die Jobcenter mit der Ablehnung von Umzügen wegen Unangemessenheit in der Zeit von 03/2020-12/2022 fast immer rechtswidrig gehandelt haben.
Angemessenheitsfiktion galt auch für Umzüge
Das Bundessozialgerichts hat am 14.12.2023 – B 4 AS 4/23 R festgestellt, dass die Angemessenheitsfiktion des §67 Abs3 SGB II auch für Umzüge galt.
Von den Jobcentern aber wurden Umzüge auch in der Zeit, in der §67 Abs3 SGB II galt, wegen der Mietobergrenze abgelehnt.
Damit hat das BSG festgestellt, dass die Jobcenter in dieser Zeit systematisch rechtswidrig entschieden haben.
Eine Ablehnung wegen Unangemessenheit wäre nur zulässig gewesen, wenn es sich um offensichtlichen Missbrauch der Sonderregelung gehandelt hätte.
Umzug trotz Ablehnung der Zusicherung?
Sind Bürgergeld-Leistungsberechtigte bei einem notwendigem Umzug trotz Ablehnung in eine unangemessen Wohnung gezogen, wurde die Kosten nur in Höhe der Mietobergrenze übernommen.
Somit galt die Miete auch im Übergang zum Bürgergeld als unangemessen und die Karenzzeit griff nicht.
Die rechtswidrige Ablehnung hat sich also gelohnt, da die meisten dann nicht umgezogen sind oder eben erfolglos nach Wohnraum gesucht haben – dadurch ergaben sich niedrigere Kosten fürs Amt.
Wer trotz Ablehnung umgezogen ist, kann aber jetzt doch noch vom Urteil profitieren. Das Amt übernimmt jetzt dann entweder nur die alte Miete oder die Miete bis zur Mietobergrenze.
Da nach dem Urteil aber die Miete beim Umzug als angemessen galt, muss das Amt diese nachzahlen und jetzt voll übernehmen.
Wegen §40 Abs3 SGB II aber leider nur seit dem Urteil in 12/23 und nicht länger.
Rechtswidriges Handeln hat sich für die Kommunen also “gelohnt”.
Betroffene sollten jetzt:
1. Einen Antrag auf Überprüfung des Ablehnungsbescheids stellen, in dem die Wohnung als unangemessen bezeichnet wird.
Dies ist bis zu 4 Jahre vor diesem Jahr möglich – also aktuell bis 2019. Somit sind alle betroffenen Ablehnungen angreifbar.
2. Einen Antrag auf rückwirkende Überprüfung stellen.
(Mal sehen ob der Sachbearbeiter §40 Abs3 SGB II im Blick hat oder länger nachzahlt)
Das lässt sich auch beides kombinieren… siehe unten.
Formulierungsvorschlag
“Sehr geehrte …, hiermit beantrage ich eine Überprüfung des Ablehnungsbescheids in Bezug auf meinen Umzug vom … . Nach dem Urteil des BSG vom 14.12.2023 – B 4 AS 4/23 R galten zwischen 03/2020 und 12/2022 keine Angemessenheitsgrenzen bei Umzügen. Somit ist die nur anteilige Übernahme der Miete rechtswidrig. Da ich seitdem nicht zur Kostensenkung aufgefordert wurde, ist meine Miete bis heute voll zu übernehmen. Ich beantrage eine diesbezügliche auch rückwirkende Korrektur meiner Bescheide.
Mit freundlichen Grüßen”
Rechtsgrundlagen
Urteil des BSG vom 14.12.2023 – B 4 AS 4/23
§67 Abs3 SGB II – Angemessenheitsfiktion Corona
dazu noch mit Unklarheit: https://x.com/sozi_simon/status/1533315781701820440
§40 Abs3 SGB II – Korrektur/Nachzahlung erst ab Urteil.
Titelbild:
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Simon alias “Sozi Simon” ist Sozialarbeiter aus Leidenschaft. Kämpfer für mehr Gerechtigkeit und gegen das Verschweigen/Verweigern von staatlicher Unterstützung. Er ist Mitautor des SGB II & SGB XII Leitfadens von A-Z. Simon ist insbesondere bei Twitter für seine Ratgeber-Tweets bekannt und seit 2022 freier Autor bei Gegen-Hartz.de