Bürgergeld: Ist das Jobcenter zu langsam und versäumt Bearbeitungsfristen?

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Viele Bürgergeld-Bezieher kennen das: Das Jobcenter benötigt eine sehr lange Zeit, um über Anträge zu entscheiden. Ein vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelter Fall zeigte, dass Leistungsbeziehende in solchen Situationen nicht verpflichtet sind, vorher beim Jobcenter nachzufragen oder gar eine Untätigkeitsklage anzukündigen.

Ein konkreter Fall: Das zu hohe Einkommen

Im konkreten Fall bezog eine Mutter mit ihren beiden Kindern von November 2020 bis April 2021 Hartz IV-Leistungen, heute als Bürgergeld bekannt, vom örtlichen Jobcenter. Die Berechnung der Leistungen basierte auf einem Fehler, den das Jobcenter gemacht hatte.

Für den Monat Oktober 2020 legte das Jobcenter ein zu hohes Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu Grunde – 1.400 Euro statt der tatsächlichen 907,20 Euro. Dies führte zu niedrigeren Leistungen für die Familie.

Die Leistungsempfängerin beauftragte daraufhin ihren Anwalt, Widerspruch gegen den fehlerhaften Bewilligungsbescheid einzulegen. Dieser Widerspruch war erfolgreich, und das Jobcenter korrigierte seinen Fehler und erließ einen Abhilfebescheid.

Als der Anwalt im Namen der Leistungsempfängerin Kostenfestsetzung für das außergerichtliche Widerspruchsverfahren beantragte, reagierte das Jobcenter jedoch nicht.

Die Untätigkeitsklage als letzter Ausweg

Nach sechs Monaten des Nichtstuns seitens des Jobcenters erhob die Hilfebedürftige schließlich eine Untätigkeitsklage nach § 88 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beim Sozialgericht Darmstadt. Dies führte dazu, dass das Jobcenter das ausstehende Honorar für den Anwalt ausglich.

Doch als die Klägerin auch die Kosten für die Untätigkeitsklage gegen das Jobcenter geltend machen wollte, lehnte das Sozialgericht ihren Antrag ab.

Die Begründung: Die Klage sei mutwillig, und die Leistungsempfängerin hätte das Jobcenter im Vorfeld kontaktieren können, insbesondere, da sie eine Schadensminderungspflicht habe.

Das Bundesverfassungsgericht hebt die Entscheidung auf

Entschlossen, die Ablehnung der Kostenentscheidung des Sozialgerichts Darmstadt nicht hinzunehmen, wandte sich die Leistungsempfängerin an das Bundesverfassungsgericht. Ihre Verfassungsbeschwerde rügte die Entscheidung des Sozialgerichts.

Das Bundesverfassungsgericht gab ihr Recht und hob die Entscheidung der Vorinstanz auf. Es stellte fest, dass weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik des Sozialgesetzbuches eine Pflicht zur Nachfrage beim Jobcenter vor Erhebung einer Untätigkeitsklage hervorgeht. Das Gericht betonte, dass Bürger nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist eine Untätigkeitsklage erheben können, ohne gegen den Grundsatz von Treu und Glauben zu verstoßen.

Fazit des Bundesverfassungsgerichts

In der Kurzfassung des Urteils, Az.: 1 BvR 311/22, wird festgehalten:

1. Es besteht keine generelle Pflicht zur Sachstandsanfrage oder Ankündigung einer Untätigkeitsklage vor deren Erhebung.
Die Erhebung einer Untätigkeitsklage nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist stellt grundsätzlich keinen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar.

2. Das Land Hessen wurde verpflichtet, der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
In diesem Fall zeigt das Bundesverfassungsgericht, dass Bürger, die auf Leistungen angewiesen sind, nicht dazu verpflichtet sind, vor der Erhebung einer Untätigkeitsklage das Jobcenter zu kontaktieren.

3. Wenn Fristen zur Bearbeitung von Anträgen ablaufen, steht ihnen das Recht auf die Klageeinreichung unmittelbar zu.

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