รffentliche Arbeitgeber mรผssen zum Vorstellungsgesprรคch laden, wenn ihnen eine Schwerbehinderung bekannt ist. Dies gilt auch bei internen Bewerbungen. Das Bundesarbeitsrecht stellte jetzt klar, dass sie dabei kein Fragerecht haben und die Betroffenen selbst entscheiden, ob sie ihre Schwerbehinderung offen legen oder nicht. (8 AZR 143/23).
Im konkreten Fall ging es darum, ob รถffentliche Arbeitgeber bei internen Bewerbungen anhand der Daten der Personalakte prรผfen mรผssen, ob eine Schwerbehinderung vorhanden ist. Oder mรผssen die internen Bewerber dies selbst offenlegen, um sich darauf zu berufen?
Inhaltsverzeichnis
Der Fall
Eine Mitarbeiterin mit Schwerbehinderung war seit Februar 2021 an der Medizinischen Fakultรคt einer Hochschule tรคtig, mit dem Land als Arbeitgeber. Interne Stellenausschreibungen im April / Mai 2021 am Institut fรผr Physik und einem Institut fรผr Agrar- und Ernรคhrungswissenschaften wiesen darauf hin, dass Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen bei gleicher Eignung und Befรคhigung bevorzugt berรผcksichtigt werden. Sie verwiesen aber nicht darauf, dass die Personalakte im Bewerbungsverfahren eingesehen wรผrde.
Die Betroffene bewarb sich auf beide Stellen mit Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnissen, wies jedoch nicht auf ihre Schwerbehinderung hin.
Keine Einladung zum Vorstellungsgesprรคch
Auf beide Bewerbungen gab es keine Reaktion, und die Betroffene wurde nicht zum Vorstellungsgesprรคch geladen. Deshalb forderte sie vom Land die Zahlung einer Entschรคdigung nach Paragraf 15 Abs 2 AGG, demzufolge sie wegen ihrer Schwerbehinderung benachteiligt worden sei.
Laut Gesetz mรผssen nรคmlich Menschen mit Schwerbehinderungen bei einer Bewerbung zum persรถnlichen Vorstellungsgesprรคch geladen werden.
Die Betroffene ging davon aus, dass es nicht darauf ankรคme, ob die entsprechende Fakultรคt Kenntnis von ihrer Schwerbehinderung habe. Ausschlaggebend sei vielmehr, dass die Personalabteilung als personalfรผhrende Stelle Bescheid gewusst hรคtte. Diese sei nรคmlich fรผr den rechtswirksamen Abschluss von Arbeitsvertrรคgen zustรคndig.
Die Bewerberin vertrat den Standpunkt, dass die Fakultรคt verpflichtet gewesen sei, bei der Personalabteilung nachzufragen, ob Bewerber auf die jeweilige Stelle schwerbehindert seien oder nicht.
Das Bundesarbeitsgericht lehnt Entschรคdigung ab
Die Angelegenheit ging bis zum Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht. Dieses lehnte den Anspruch der Betroffenen auf Entschรคdigung wegen Benachteiligung ab. Dem Gericht zufolge sei sie nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt worden.
Der Verstoร eines Arbeitgebers gegen Verfahrens- und/oder Fรถrderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen bedinge regelmรครig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer-)Behinderung, so das Gericht.
Nach Paragraf 165 Satz 3 des Sozialgesetzbuches IX mรผssen schwerbehinderte Menschen wรคhrend einer Stellenbewerbung bei einem รถffentlichen Arbeitgeber zum Vorstellungsgesprรคch geladen werden, so das Gericht.
Dies diene dazu, dass Menschen mit Schwerbehinderungen ihre Chancen im Auswahlverfahren verbessern kรถnnten. Das Unterlassen dieser Einladung wรผrde regelmรครig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung vermuten lassen.
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Arbeitgeber muss Kenntnis รผber die Schwerbehinderung haben
Allerdings sei die Voraussetzung dafรผr, dass der Arbeitgeber diese Schwerbehinderung kenne oder kennen mรผsste. Wenn ein Mensch mit Schwerbehinderung wolle, dass die Behinderung bei der Bewerbung berรผcksichtigt wรผrde, mรผsse er den Arbeitgeber darรผber in Kenntnis setzen. Dies gelte nicht, wenn der Arbeitgeber diese Kenntnis bereits hรคtte.
Ausschreibung muss Hinweis auf Personalprรผfung enthalten
Bei internen Bewerbungen mรผsse differenziert werden, so das Gericht. Von einer Kenntnis kรถnne ausgegangen werden, wenn die Ausschreibung einen Hinweis enthalte, dass die Personalakten bei Einwilligung beigezogen oder die zentrale Personalabteilung einbezogen wรผrde.
Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Den Ausschreibungen hรคtte entnommen werden kรถnnen, dass es sich um dezentrale Verfahren handelte: โIn der vorliegenden Fallgestaltung spricht die Vielzahl der beim beklagten Land im Bereich der Universitรคt beschรคftigten Arbeitnehmer und die dezentrale Durchfรผhrung der Bewerbungsverfahren dafรผr, dass eine Schwerbehinderung oder Gleichstellung in den Bewerbungsunterlagen mitzuteilen ist.”
Organisatorische Trennung zwischen Personalabteilung und Auswahl der Bewerber
Denn, so das Gericht, die Fakultรคten, die das Verfahren durchfรผhrten seien organisatorisch von der zentralen Personalabteilung getrennt. Die dezentrale Durchfรผhrung des Verfahrens sei zudem fรผr die Betroffene erkennbar gewesen. “Aus den Stellenausschreibungen war auch ersichtlich, dass alle fรผr die Auswahlentscheidung relevanten Informationen in den Bewerbungsunterlagen mitgeteilt werden sollten.โ
Weder Fragerecht noch Auskunftspflicht
Generell bestรผnde kein Recht des Arbeitgebers, nach Schwerbehindeurng zu fragen. Auch interne Bewerber mรผssten ihre Schwerbehinderung im Bewerbungsverfahren nicht offenlegen. Betroffene entschieden selbst, ob die Schwerbehinderung berรผcksichtigt werden solle oder nicht.
Benachteiligung nur bei Kenntnis
Wer seine Schwerbehinderung nicht offen lege und auch nicht davon ausgehen kรถnne, dass der Arbeitgeber von der Behinderung weiร, der kรถnne sich allerdings auch nicht auf Benachteiligung wegen Schwerbehinderung berufen.