Beim Anspruch auf Bürgergeld für EU-Bürger muss vom Jobcenter der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers geprüft werden. Der gewöhnliche Aufenthalt erfordert nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, 4. Senat, eine Prognose.
Gewöhnlicher Aufenthalt i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II erfordert eine Prognose zum Aufenthalt
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ( Urt. v. 11.01.2024 – L 19 AS 1849/21 -) hatte festgestellt, dass eine dreimonatige Inhaftierung im Heimatland für einen bulgarischen Staatsangehörigen eine wesentliche Unterbrechung des gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet darstellt mit der Folge, dass die Fünfjahresfrist gemäß § 7 Absatz 1 Satz 4 Halbsatz 1 SGB II nach der Haftentlassung wieder neu beginnt.
Mit heutigem Tage gibt das Bundessozialgericht ( BSG ) in Kassel bekannt ( BSG, Urteil vom 23.09.2025 – B 4 AS 8/24 R – ), dass die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache begründet ist.
Der Kläger war als Unionsbürger – nicht aufgrund eines (fortwirkenden) Arbeitnehmerstatus leistungsberechtigt nach dem SGB 2.
Denn er hat sich nicht bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt.
Offen lässt das BSG
Ob der Leistungsausschluss gemäß § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 SGB II auf ihn als (vormals) selbständig Erwerbstätigen keine Anwendung finde.
Das Bundessozialgericht konnte hier keine abschließende Entscheidung dazu treffen, ob ein eventuell bestehender Leistungsausschluss im Fall des Klägers deshalb nicht greift, weil er sich vor dem Streitzeitraum für mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet gewöhnlich aufgehalten hat.
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Bescheid prüfenNach Auffassung des Bundessozialgerichts erfordert der gewöhnliche Aufenthalt eine Prognose
Das Bundessozialgericht betont aber, dass die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts eine Prognose erfordert, an der es bislang fehlt.
Die dreimonatige Inhaftierung des Klägers in Bulgarien
Die Vorinstanz des LSG NRW hatte entschieden, dass die dreimonatige Inhaftierung des Klägers in Bulgarien den gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet unterbrochen habe. Nach Auffassung der Richter in Kassel kann dies – aber die erforderliche vorausschauende Betrachtung im Zeitpunkt der Auslieferung – nicht ersetzen.
Anmerkung vom Bürgergeld Experten Detlef Brock
Gewöhnlicher Aufenthalt i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II erfordert keinen rechtmäßigen Aufenthalt.
1. Nach meiner Meinung eine völlig richtige Entscheidung, denn der gewöhnliche Aufenthalt eines Menschen erfordert eine Prognose ( dazu BSG, 4. Senat, Urteil vom 11.09.2024 – B 4 AS 12/23 R – )
2. Das BSG hat in dem Urteil vom 11.09.2024 – B 4 AS 12/23 R – klar gestsellt, dass es für einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. Rückausnahme des § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II nicht ausschlaggebend auf einen rechtmäßigen Aufenthalt ankommt.
Vielmehr habe die insoweit erforderliche Prognose unter Berücksichtigung aller für die Beurteilung der künftigen Entwicklung im Zeitpunkt des Eintreffens am maßgeblichen Ort erkennbaren Umstände zu erfolgen.