Wenn die Pflegekosten explodieren, reicht selbst eine ordentliche Rente zusammen mit den Leistungen der Pflegeversicherung oft nicht mehr aus. Dann stellt sich die Frage, wann und in welchem Umfang der Sozialhilfeträger (umgangssprachlich: das Sozialamt) einspringt.
Wichtig: Sozialhilfe ist nachrangig, sie greift erst, wenn eigenes Einkommen und Vermögen sowie vorrangige Leistungen – insbesondere der Pflegeversicherung – den notwendigen Bedarf nicht decken. Rechtsgrundlage für die „Hilfe zur Pflege“ sind die §§ 61 ff. SGB XII.
Örtlich zuständig ist grundsätzlich der Sozialhilfeträger am tatsächlichen Aufenthaltsort; bei stationärer Unterbringung kommt es auf den gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Heimaufnahme an.
Inhaltsverzeichnis
Anspruchsvoraussetzungen: Pflegebedürftigkeit, Nachrang und Angemessenheit
Voraussetzung ist Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XII. Sozialhilfe wird erst gewährt, wenn die pflegebedürftige Person und – soweit eine „Einsatzgemeinschaft“ besteht – insbesondere der nicht getrennt lebende Ehe- oder Lebenspartner die ungedeckten Pflegekosten nicht selbst tragen können.
Der Träger prüft dabei sowohl Einkommen als auch Vermögen nach den Regeln des 11. Kapitels SGB XII. Leistungen beginnen grundsätzlich ab dem Zeitpunkt, an dem die Behörde von der Hilfebedürftigkeit „Kenntnis“ erlangt; in der Praxis ist ein Antrag der sichere Weg, rechtlich kommt es aber auf die behördliche Kenntnis an.
Stationäre Pflege: Wenn der Heimeinzug notwendig ist
In Pflegeheimen zahlt die Pflegekasse feste Beträge nach Pflegegrad, während ein einrichtungseinheitlicher Eigenanteil an den pflegebedingten Aufwendungen (EEE) sowie Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten vom Bewohner zu tragen sind.
Reicht das Geld dafür nicht, kann die Hilfe zur Pflege diese ungedeckten Kosten und den notwendigen Lebensunterhalt in der Einrichtung übernehmen.
Für stationäre Leistungen gilt in der Praxis: Hilfe zur Pflege kommt regelmäßig erst ab Pflegegrad 2 in Betracht; Pflegegrad 1 löst keine stationären SGB-XI-Leistungen aus.
Entlastung beim Eigenanteil: Zuschlag nach § 43c SGB XI
Seit 2024 reduziert ein gesetzlicher Leistungszuschlag den pflegebedingten Eigenanteil in Heimen gestaffelt nach Aufenthaltsdauer: 15 Prozent im ersten Jahr, 30 Prozent im zweiten, 50 Prozent im dritten und 75 Prozent ab dem vierten Jahr. Dieser Zuschlag mindert den zu zahlenden EEE und damit auch den verbleibenden ungedeckten Bedarf, den das Sozialamt gegebenenfalls übernehmen muss.
Ambulante Pflege: Vorrang vor dem Heim – aber nur, wenn sie ausreicht
Das Wunsch- und Wahlrecht erlaubt es, die Hilfeform mitzugestalten; zugleich gilt der Vorrang ambulanter Leistungen und ein Mehrkostenvorbehalt.
Stationäre Versorgung wird in der Regel erst dann finanziert, wenn eine ambulante Versorgung nicht möglich, nicht ausreichend oder unverhältnismäßig teuer wäre. Entscheidend ist stets der individuelle Bedarf und die Angemessenheit der Kosten.
Einkommen und Vermögen: Was geschützt ist – und was nicht
Bevor Sozialhilfe fließt, wird eigenes Einkommen angerechnet; beim Vermögen gilt ein einheitlicher Schutzbetrag („Schonvermögen“) von 10.000 Euro pro volljähriger Person, zuzüglich weiterer geschützter Positionen. Zum Schonvermögen zählt insbesondere ein selbst bewohntes, angemessenes Hausgrundstück, das auch zugunsten im Haushalt lebender Angehöriger geschützt sein kann. Die Frage der Angemessenheit – etwa von Grundstücksgröße und Wohnfläche – beurteilt sich im Einzelfall.
Kinder und Eltern: Entlastung durch die 100.000-Euro-Grenze
Unterhaltsansprüche gegen Kinder pflegebedürftiger Eltern oder umgekehrt bestehen im Sozialhilferecht seit 2020 erst ab einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro. Schwiegerkinder sind nicht unterhaltspflichtig. In der Praxis bedeutet das: Die überwältigende Mehrheit der Kinder wird vom Sozialamt nicht mehr zur Kasse gebeten.
Zuständigkeitsfragen und Verfahren: Wo und ab wann die Hilfe greift
Zuständig ist der örtliche Träger am Aufenthaltsort; bei Heimeinzug zählt grundsätzlich der gewöhnliche Aufenthalt vor der Aufnahme. Leistungen werden in der Regel ab Kenntnis der Behörde erbracht; deshalb sollten Betroffene oder Angehörige den Bedarf frühzeitig anzeigen und Unterlagen zur Einkommens-, Vermögens- und Pflegesituation bereithalten. In vielen Fällen unterstützen Heime oder Pflegedienste bei der Antragstellung.
Erbenhaftung: Rückforderung aus dem Nachlass – nicht aus dem Privatvermögen
Sozialhilfe ist grundsätzlich ein Zuschuss, keine „Leihgabe“. Nach dem Tod kann der Träger jedoch Kostenersatz vom Erben verlangen – begrenzt auf die in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendeten Sozialhilfekosten und beschränkt auf den Wert des Nachlasses. Es gilt ein gesetzlicher Freibetrag; das Privatvermögen der Erben bleibt unangetastet.
Praxis: Was das Sozialamt typischerweise übernimmt
Im Heim kann die Hilfe zur Pflege neben den pflegebedingten Eigenanteilen auch Unterkunft, Verpflegung und weitere Bestandteile des notwendigen Lebensunterhalts in der Einrichtung umfassen, soweit nach Anrechnung von Rente, Pflegekassenleistungen und eventuellen Zuschlägen eine Deckungslücke bleibt.
In der Häuslichkeit ergänzt sie – wiederum nachrangig – die unzureichenden Leistungen der Pflegeversicherung, wenn die notwendige Versorgung sonst nicht sichergestellt wäre.
Heimwahl und „angemessene“ Kosten
Pflegebedürftige dürfen Wünsche äußern, etwa zum Wohnort oder zu einer bestimmten Einrichtung. Der Träger muss diese berücksichtigen, solange sie angemessen sind und nicht zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führen.
Maßstab für die Angemessenheit sind vergleichbare Heimentgelte im regionalen Markt sowie die individuelle Situation der Hilfeempfängerin oder des Hilfeempfängers. Ein eigenmächtiger, teurer Heimwechsel ohne vorherige Abstimmung kann die Kostenübernahme gefährden.
Was Sie konkret tun sollten
Wer absehen kann, dass die Pflegekosten nicht zu stemmen sind, sollte unverzüglich Kontakt zum örtlich zuständigen Sozialamt aufnehmen, die Hilfebedürftigkeit anzeigen und die erforderlichen Nachweise zusammentragen.
Wichtig ist die Zeit: Der Anspruch setzt an der behördlichen Kenntnis an. Außerdem lohnt ein genauer Blick auf den individuellen Eigenanteil – seit 2024 fällt er wegen der Zuschläge spürbar geringer aus. Damit verringert sich oft auch der sozialhilferechtliche Bedarf.




