Was als soziale Korrektur gedacht war, droht vielen Hinterbliebenen zur Belastung zu werden.
Seit 1. Juli 2024 erhalten frühere Erwerbsminderungs- und Folgerenten einen pauschalen Zuschlag von 4,5 bis 7,5 Prozent, um ältere Jahrgänge nachträglich besserzustellen.
Bis Ende November 2025 fließt dieser Aufschlag völlig separat – technisch sogar mit einer eigenen Überweisung – und bleibt deshalb bei der Einkommensanrechnung für Witwenrenten außen vor.
Ab 1. Dezember 2025 ändert sich das grundlegend: Der Zuschlag verschmilzt mit der regulären Rente und gilt damit voll als Einkommen. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) bestätigt, dass er „dann Bestandteil der Rente ist und bei der Einkommensanrechnung berücksichtigt wird“.
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Warum die Übergangsregel endet
Der Gesetzgeber hat die getrennte Zahlung nur als technische Zwischenlösung verankert (§ 307j Abs. 4 SGB VI). Sobald die IT-Umstellung abgeschlossen ist, greift § 307i SGB VI und der Zuschlag wird in die Monatsrente integriert.
Die eigentlich positive Rentenaufwertung kann dadurch paradoxerweise zur Kürzung der Witwenrente führen, weil sich das anrechenbare Einkommen erhöht. Verbrauchermedien sprechen bereits von einer „Rentenkürzung durch die Hintertür“.
So ist die Einkommensanrechnung
Für Witwen- und Witwerrenten gilt bundesweit eine Freigrenze, die jährlich mit der Rentenanpassung steigt. Zum 1. Juli 2025 liegt sie bei 1 076,86 Euro netto im Monat. Überschreitet das Gesamtnettoeinkommen – dazu zählt künftig auch der integrierte Zuschlag – diesen Wert, werden 40 Prozent des Mehrbetrags von der Hinterbliebenenrente abgezogen. Waisenrenten sind seit 2017 von jeder Einkommensanrechnung befreit.
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Wenn das „Pro-to-Netto-Problem“ zuschlägt
Der Zuschlag wird auf dem ab 1. Juli 2025 erhöhten Rentenzahlbetrag berechnet. Dadurch kann er höher ausfallen, als viele erwarten, und Betroffene über die Freigrenze heben. Fachleute nennen das die „Pro-to-Netto-Falle“: Brutto scheint mehr Geld auf dem Konto zu landen, netto bleibt nach der Anrechnung oft weniger übrig.
Ein Beispiel zeigt die Größenordnung: Steigt eine eigene Altersrente durch den Zuschlag von 1 050 Euro auf 1 120 Euro, liegt das Nettoeinkommen 43 Euro über der Freigrenze. Davon werden 40 Prozent – also 17,20 Euro – von der Witwen- oder Witwerrente abgezogen.
Wer besonders betroffen ist
Am stärksten betroffen sind Hinterbliebene, die sowohl eine eigene Alters- oder Erwerbsminderungsrente mit Zuschlag als auch eine Witwen- oder Witwerrente beziehen. Schätzungen reichen von mehreren zehntausend bis über hunderttausend Fällen, weil allein drei Millionen Bestandsrentnerinnen und -rentner den neuen Zuschlag erhalten.
Handlungsoptionen vor dem Stichtag
Rechts- und Rentenberater raten, nicht bis zum ersten korrigierten Rentenbescheid zu warten, sondern die eigene Einkommenssituation schon jetzt durchzurechnen – idealerweise gemeinsam mit der DRV oder einer unabhängigen Beratungsstelle.
Wer freiwillig gesetzlich kranken- und pflegeversichert ist, sollte darauf achten, dass diese Beiträge im Bescheid korrekt abgezogen werden, denn sie mindern das anrechenbare Einkommen. Gleichzeitig lohnt es kaum, die Arbeitszeit allein zur Schonung der Freigrenze zu reduzieren; oft frisst die geringere eigene Rente den vermeintlichen Vorteil wieder auf.
Rentenbescheide sorgfältig prüfen
Ab Dezember 2025 verschickt die DRV neue Leistungsmitteilungen. Innerhalb eines Monats kann Widerspruch eingelegt werden. Ratsam ist ein genauer Blick darauf, ob
– der Zuschlag korrekt berechnet,
– die neuen Freibeträge angewendet und
– Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge vollständig abgezogen wurden.
Fachkundige Prüfer entdecken hier immer wieder Fehler, die im Einzelfall dreistellige Beträge pro Monat kosten können.
“Dass eine gesetzliche Verbesserung bei den einen zu realen Verlusten führt, offenbart eine strukturelle Schwäche des Einkommensanrechnungs-systems. Sozialverbände fordern deshalb, den Zuschlag dauerhaft von der Hinterbliebenenrente freizustellen oder die Freibeträge deutlicher anzuheben”, fordert der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt.
Fazit
Der pauschale Zuschlag für frühere Erwerbsminderungsrentner ist gut gemeint, kann aber für Hinterbliebene zur Kostenfalle werden, sobald er ab Dezember 2025 als Einkommen gilt.
Wer eine Witwen- oder Witwerrente bezieht und gleichzeitig eine eigene Rente mit Zuschlag erhält, sollte seine Bescheide frühzeitig prüfen, Beratung in Anspruch nehmen und nötigenfalls Widerspruch einlegen. Vorbereitung ist der beste Schutz vor einer unliebsamen Überraschung im Ruhestand.