Höhere EM-Rente: Deshalb ist der richtige Zeitpunkt wichtig

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Die Frage, wann ein Antrag auf Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) sinnvoll ist, entscheidet in vielen Fällen darüber, wie hoch das verfügbare Einkommen in den kommenden Jahren ausfällt. Eine zu frühe Antragstellung kann ebenso teuer werden wie ein verspäteter Schritt. 

Warum der Monat des Rentenbeginns über Dauer und Höhe entscheidet

Für befristete EM-Renten gilt eine feste Karenzzeit: Sie starten frühestens mit Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung.

Wer also im Januar arbeitsunfähig wird, kann erst ab August eine Zahlung erwarten. Unbefristete Renten dürfen rückwirkend gezahlt werden, wenn der Antrag binnen drei Monaten nach Eintritt der Erwerbsminderung eingereicht wird; in der Praxis bewilligt die Deutsche Rentenversicherung solche unbefristeten Leistungen aber nur in Ausnahmefällen.

Ein späterer Rentenbeginn wirkt sich zudem positiv auf den sogenannten Zugangsfaktor aus. Jede aufgeschobene Zahlungs­phase erhöht die Zahl der Entgeltpunkte geringfügig: Ein Jahr Aufschub bringt derzeit ein Plus von etwa sechs Prozent gegenüber einer sofort beginnenden Rente.

Höhere Einkommen vor der Rente: Krankengeld, Verletztengeld und Arbeitslosengeld

Wer nach sechs Wochen Lohnfortzahlung Krankengeld bezieht oder nach einem Arbeitsunfall Verletztengeld erhält, kommt netto häufig besser weg als mit einer EM-Rente.

Gleiches gilt in vielen Fällen für das – ebenfalls zeitlich befristete – Arbeitslosengeld. Dass Krankengeld grundsätzlich höher ausfällt als Arbeitslosengeld und häufig auch als die spätere Rente, ist in der Praxis gut dokumentiert.

Mit einem zu frühen EM-Antrag endet das Krankengeld; bei einer nur teilweisen EM-Rente wird es um den Rentenbetrag gekürzt. Das gleiche Prinzip gilt beim Arbeitslosengeld.

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Behördlicher Druck: Reha-Aufforderung und Umdeutung des Antrags

Krankenkassen dürfen Versicherte verpflichten, innerhalb von zehn Wochen einen Antrag auf medizinische Rehabilitation zu stellen; unterbleibt er, ruht das Krankengeld. Die Bundesagentur für Arbeit setzt bei Arbeitslosen eine Monatsfrist.

Ein solcher Reha-Antrag kann automatisch in einen Rentenantrag „umgedeutet“ werden, wenn der Renten­versicherungsträger eine Reha für aussichtslos hält (§ 116 Abs. 2 SGB VI). Nach einer behördlichen Aufforderung lässt sich diese Umdeutung nur noch mit Zustimmung von Krankenkasse oder Arbeitsagentur verhindern – damit kann man gegen seinen Willen früher als geplant in die Rente gedrängt werden.

Der optimale Zeitpunkt: frühestens wenn die letzte höhere Leistung endet

Finanziell am günstigsten ist es, den EM-Rentenantrag erst dann zu stellen, wenn die letzte besser dotierte Leistung – in der Regel das Arbeitslosengeld – ausläuft oder die Behörde bereits eine Reha-Aufforderung ausgesprochen hat. So lässt sich verhindern, dass Krankengeld oder Arbeitslosengeld vorzeitig wegfallen und dass die spätere Altersrente durch einen zu frühen EM-Beginn dauerhaft sinkt.

Überbrücken bis zum Rentenbescheid: Bürgergeld, Sozialhilfe und Nahtlosigkeitsregelung

Zwischen Antrag und Bewilligung vergehen meist Monate, bei Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren sogar Jahre. Wer in dieser Zeit weniger als 15 Stunden pro Woche arbeiten kann, gilt grundsätzlich als nicht erwerbsfähig und scheidet aus dem Bürgergeld hinaus.

Ist aber abzusehen, dass die gesundheitliche Einschränkung binnen sechs Monaten wieder wegfällt, bleibt das Jobcenter zuständig.

Hält die Einschränkung voraussichtlich länger an, greifen zwei Varianten der Sozialhilfe nach SGB XII: die Grundsicherung bei dauerhafter Erwerbsminderung und – wenn eine Besserung wahrscheinlich ist – die Hilfe zum Lebensunterhalt.

Wer wegen der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung (§ 145 SGB III) weiterhin Arbeitslosengeld bezieht, kann damit die Renten­entscheidung überbrücken; der Anspruch endet aber spätestens nach Erschöpfung der persönlichen ALG-Bezugsdauer.

Familien und Wohnen: Alternativen Wohngeld und Kinderzuschlag

Fällt die Bedarfsgemeinschaft wegen höherer Einkommen oder Vermögen aus dem Bürgergeld, kommen weiterhin Wohngeld – erhältlich für Mieter und Eigentümer – und der Kinderzuschlag von derzeit bis zu 297 Euro pro Kind in Betracht. Beide Leistungen haben großzügigere Vermögensfreibeträge als das Bürgergeld.

Arbeiten trotz Antrag: Grenzen bei Stunden und Einkommen

Eine Erwerbsminderung bedeutet nicht zwingend ein Arbeitsverbot. Entscheidend sind zwei Kriterien. Erstens darf die tägliche Arbeitszeit das vom Renten­versicherungsträger festgestellte Restleistungs­vermögen nicht überschreiten: Bei voller EM-Rente sind das weniger als drei Stunden, bei teilweiser weniger als sechs Stunden.

Zweitens gilt für 2025 eine jährliche Hinzuverdienst­grenze von 19 661,25 Euro bei voller und mindestens 39 322,50 Euro bei teilweiser Erwerbsminderung; über­schreitende Beträge werden zu vierzig Prozent auf die Rente angerechnet.

Wer diese Regeln beachtet, kann eine Teilzeit­beschäftigung fortführen oder neu aufnehmen, ohne den Rentenanspruch zu verlieren.

Fazit

Die EM-Rente ist eine Absicherung, doch ihr Nutzen hängt maßgeblich vom Zeitpunkt des Antrags ab. Zu frühes Handeln mindert die Rente und beendet Übergangsleistungen; zu spätes Handeln lässt wertvolle Anspruchsmonate ungenutzt verstreichen.

Wer die gesetzlichen Fristen, die behördlichen Aufforderungen und die Alternativen zur Überbrückung kennt, verschafft sich Handlungs­spielraum. Im Zweifel lohnt ein Beratungsgespräch bei Rentenversicherung, Sozialverband oder Fachanwalt, um die individuelle Strategie abzusichern.