Klagen von Betroffenen der Hartz – IV – Gesetze und Verfahren vor Sozialgerichten häufen sich. In Detailfragen sind sie oft erfolgreich und eröffnen neue Handlungsspielräume
Die Hartz IV -Gesetzgebung hat seit Anfang des Jahres zu immer mehr Gerichtsverfahren geführt. Allein beim Berliner Sozialgericht wurden in diesem Zeitraum 2 636 Verfahrenseingänge registriert. In grundsätzlichen Fragen, so jüngst zur Angemessenheit der Höhe des Arbeitslosengeldes II (jW berichtete), werden in den bisherigen Urteilen die Regierungspositionen gestärkt. Im Detail sieht es allerdings ganz anders aus. Dadurch entstehen wichtige Handlungsspielräume für Betroffene.
So entschied zum Beispiel das Sozialgericht Osnabrück am 1. August, daß die bisherige Praxis der Leistungsträger bei der Gewähr von Zuschüssen für die Kosten der Unterkunft, partiell rechtswidrig ist. Bisher wurden reine Wohngemeinschaften (WG) wie Bedarfsgemeinschaften behandelt. Konkret war einer Zweier-WG nur ein maximaler Wohnraum von 60 Quadratmetern zugebilligt worden. Doch dafür sah das Gericht keinen Grund, im Sachverhalt selbst sah es sogar eine »Verletzung der Menschenwürde«.
Auch das Hamburger Sozialgericht hat vergangene Woche eine wichtige Entscheidung getroffen. Es entschied, daß für die Berechnung des ALG II, wenn Kinder mit einem Elternteil und dessen nichtehelichem Partner in einer Bedarfsgemeinschaft leben, nur das Einkommen und Vermögen des Elternteiles, nicht aber dasjenige des nichtehelichen Partners zu berücksichtigen sei. Sozialhilferechtliche Regelungen seien nicht anzuwenden, da das neue Gesetz diesbezüglich eindeutig sei.
In zwei weiteren Fällen beschäftigten sich Gerichte mit den Ein-Euro-Jobs. Bereits im Juli hatte das Berliner Sozialgericht einem 24jährigen Recht gegeben, der die Aufnahme einer Ein-Euro-Beschäftigung ablehnte und sich daraufhin mit Kürzungen bei der Grundsicherung konfrontiert sah. Das Gericht stellte klar: Der Mann habe einen »klar rechtswidrigen Zustand« beendet, da das Jobcenter nicht in der Lage war, Arbeitsinhalte, wöchentliche Arbeitszeit und Arbeitszeitverteilung klar festzulegen. Nur dann könne aber vorab geprüft werden, ob gesetzliche Vorgaben eingehalten werden. Kürzungen beim Arbeitslosengeld II könnten dem Mann schon deshalb nicht zugemutet werden, weil dieser kein Vermögen habe. In einem Urteil des Verwaltungsgerichts in Mainz stellte dieses zudem klar, daß Mitbestimmungsrechte von Personalräten bei der Einstellung von Ein-Euro-Jobbern nicht umgangen werden dürfen.
Viele weitere Gerichtsentscheidungen kommen hinzu, wie zum Beispiel die des Sozialgerichts Oldenburg, das einen Leistungsträger zur Übernahme überhöhter Heizkosten verdonnerte. Oder die des Sozialgerichts Bayreuth, das die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs anordnete, den ein Mann gegen Leistungskürzungen wegen Ablehnung eines Ein-Euro-Jobs eingereicht hatte. Auch hier war die mangelhafte Bestimmung des Arbeitsinhalts entscheidend.
Unter Beschuß steht damit die gesamte Praxis der Arbeitsämter und SGB-II-Arbeitsgemeinschaften, öffentliche Zuständigkeiten auf Träger und Individuen abzuschieben und somit zu privatisieren. Das trifft sowohl auf die Prüfung und Festlegung konkreter Rahmenbedingungen der Arbeitsgelegenheiten zu als auch auf die Grundsicherung selbst. Das aber, so Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm, eröffnet Mißbrauch Tür und Tor, weshalb er solche Gerichtsentscheidungen begrüßte. Auch Harald Thomé vom Wuppertaler Sozialhilfeverein Tacheles, sieht die Hartz-IV-Behörden durch Gerichtsentscheidungen in die richtige Richtung nivelliert. (z. Teil aus Junge Welt, gegen-hartz.de)
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