So hoch ist die Rente nach 35 Jahren Arbeit

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„Rente nach 35 Jahren“ Arbeit klingt nach einer klaren Rechnung: 35 Jahre gearbeitet, dann gibt es eine bestimmte Altersrente. In der gesetzlichen Rentenversicherung funktioniert das jedoch nicht so.

Die 35 Jahre sind vor allem eine Zugangsvoraussetzung: Wer die sogenannte Wartezeit von 35 Versicherungsjahren erfüllt, kann die „Altersrente für langjährig Versicherte“ bekommen – und damit unter bestimmten Bedingungen früher in den Ruhestand gehen. Wie hoch die monatliche Rente ausfällt, entscheidet aber nicht die Zahl 35, sondern das, was im Laufe des Berufslebens an Beiträgen und rentenrechtlichen Zeiten zusammengekommen ist.

Dr. Utz Anhalt: So hoch ist die Rente nach 35 Jahren Arbeiten

Welche Rente steckt hinter den „35 Jahren“?

Die gesetzliche Rentenversicherung unterscheidet mehrere Altersrenten. Bei den 35 Jahren geht es um die Altersrente für langjährig Versicherte. Sie ist nicht zu verwechseln mit der oft zitierten „Rente mit 63“, die sich ursprünglich auf die Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit 45 Jahren bezieht. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil die 35-Jahre-Rente zwar eine frühere Inanspruchnahme ermöglicht, dann aber in der Regel mit dauerhaften Abschlägen verbunden ist.

Welche Zeiten zählen auf die 35 Jahre – und warum das die Rentenhöhe prägt

Für die 35 Jahre werden Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten zusammengerechnet. Dazu gehören typische Beitragszeiten aus Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit. Ebenfalls zählen – je nach Fallkonstellation – Zeiten, in denen Lohnersatzleistungen wie Krankengeld oder Arbeitslosengeld bezogen wurden, sowie Kindererziehungszeiten und Zeiten häuslicher Pflege, wenn dafür Rentenbeiträge gezahlt wurden.

Entscheidend für die spätere Rentenhöhe ist dabei ein Punkt, der im Alltag oft untergeht: Nicht jede Zeit, die für die 35 Jahre hilft, bringt automatisch viele Rentenpunkte. Kindererziehungszeiten können Rentenpunkte erzeugen; manche Anrechnungs- und Berücksichtigungszeiten erhöhen dagegen vor allem die Versicherungszeit, ohne in gleichem Umfang Beiträge und damit Entgeltpunkte aufzubauen.

Das erklärt, warum zwei Menschen mit „35 Jahren“ am Ende sehr unterschiedliche Renten erhalten können.

Ab wann kann man mit 35 Jahren in Rente gehen?

Mit erfüllten 35 Versicherungsjahren ist ein Rentenbeginn grundsätzlich ab 63 möglich. Wer vor der für den Jahrgang geltenden Altersgrenze in Rente geht, muss allerdings Abschläge hinnehmen. Die Deutsche Rentenversicherung nennt hierfür bis zu 14,4 Prozent, berechnet mit 0,3 Prozent pro Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme – und dieser Abschlag bleibt dauerhaft bestehen.

Ob eine Rente ohne Abschläge schon vor 67 möglich ist, hängt zusätzlich vom Geburtsjahr ab. Für die Jahrgänge 1949 bis 1963 sind noch Übergangsregeln relevant; wer 1964 oder später geboren ist, erreicht die abschlagsfreie Altersgrenze auch mit 35 Versicherungsjahren grundsätzlich erst mit 67.

Wie die Rentenhöhe berechnet wird: Entgeltpunkte, Rentenwert und Faktoren

Die gesetzliche Rente wird nach einer festen Formel berechnet. Vereinfacht gesagt werden die gesammelten Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert multipliziert und anschließend über Faktoren an den Rentenbeginn angepasst. Wer zum regulären Rentenbeginn in Rente geht, hat beim Zugangsfaktor typischerweise „1,0“ – dann werden keine Abschläge und keine Zuschläge angesetzt.

Die Entgeltpunkte zeigen das Verhältnis des eigenen Einkommens zum Durchschnittseinkommen aller Versicherten. Liegt der eigene Verdienst in einem Jahr genau auf dem Durchschnitt, ergibt das einen Entgeltpunkt für dieses Jahr.

Für 2025 nennt die Deutsche Rentenversicherung als (vorläufiges) Durchschnittseinkommen 50.493 Euro. Wer deutlich weniger verdient oder längere Phasen mit niedrigen Beiträgen hatte, sammelt entsprechend weniger Entgeltpunkte – und damit sinkt die spätere Monatsrente, selbst wenn die 35 Jahre als Wartezeit erfüllt sind.

Der aktuelle Rentenwert: warum der Stichtag wichtig ist

Für die Euro-Höhe ist der aktuelle Rentenwert entscheidend: Er gibt an, wie viel ein Entgeltpunkt monatlich wert ist. Seit dem 1. Juli 2025 beträgt der aktuelle Rentenwert 40,79 Euro.

Das ist die Grundlage für Beispielrechnungen, die im Alltag häufig als erste Orientierung dienen. Da der Rentenwert in der Regel jährlich zum 1. Juli neu festgelegt wird, können Beispielbeträge je nach Rentenbeginnjahr und zukünftigen Anpassungen später höher oder niedriger ausfallen.

Rechenbeispiele: Wie hoch ist die Altersrente nach 35 Jahren?

Nimmt man ein stark vereinfachtes, aber anschauliches Szenario, in dem jemand 35 Jahre lang in jedem Jahr genau den Durchschnittsverdienst erzielt hat, kämen rechnerisch 35 Entgeltpunkte zusammen. Multipliziert mit dem Rentenwert von 40,79 Euro ergibt das rund 1.428 Euro Bruttorente im Monat, wenn die Rente ohne Abschläge beginnt.

Wer dieselben 35 Entgeltpunkte hat, die Altersrente aber bereits mit 63 beginnt und damit den maximalen Abschlag von 14,4 Prozent auslöst, läge rechnerisch bei rund 1.222 Euro brutto monatlich. Der Unterschied von gut 200 Euro zeigt, wie stark der Zugangsfaktor die Monatsrente dauerhaft verändert.

In einem zweiten Beispiel verdient jemand über viele Jahre nur etwa 70 Prozent des jeweiligen Durchschnitts und sammelt dadurch im Schnitt 0,7 Entgeltpunkte pro Jahr. Nach 35 Jahren wären das rund 24,5 Entgeltpunkte. Bei Rentenbeginn ohne Abschläge ergäbe das etwa 999 Euro brutto monatlich; bei maximaler vorzeitiger Inanspruchnahme läge der Wert rechnerisch bei rund 855 Euro brutto.

Noch deutlicher wird es bei dauerhaft niedrigeren Verdiensten oder längeren Zeiten mit geringen Beiträgen. Bei durchschnittlich 0,5 Entgeltpunkten pro Jahr wären nach 35 Jahren etwa 17,5 Entgeltpunkte erreicht. Daraus ergäben sich rechnerisch rund 714 Euro brutto monatlich ohne Abschläge oder etwa 611 Euro brutto mit maximalem Abschlag.

Diese Beispiele sind bewusst „glatt“ gerechnet. In echten Versicherungsbiografien schwanken Entgelte, es gibt Teilzeitphasen, Kinderzeiten, Pflegezeiten, Zeiten mit Arbeitslosigkeit, Minijobs mit oder ohne eigene Aufstockung und manchmal Lücken im Versicherungskonto. Genau dort entscheidet sich am Ende, ob „35 Jahre“ eine solide Basis oder eher nur die Eintrittskarte in eine Rentenart sind.

Früher oder später in Rente: Abschläge bleiben, Zuschläge lohnen sich oft

Wer vorzeitig in Rente geht, muss mit dem Abschlag leben – er wird nicht „wieder gut“, sobald man die Regelaltersgrenze erreicht. Umgekehrt gilt: Wer nach Erreichen der Regelaltersgrenze die Rente zunächst nicht in Anspruch nimmt, bekommt pro Monat des Hinausschiebens einen Zuschlag von 0,5 Prozent, also 6 Prozent pro Jahr. Wer in dieser Zeit weiter arbeitet und Beiträge zahlt, erhöht die spätere Rente zusätzlich über neue Entgeltpunkte.

Brutto ist nicht Netto: Kranken- und Pflegeversicherung sowie Steuern

Von der Bruttorente gehen – je nach Versicherungsstatus – Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung ab. Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt weist darauf hin, dass “bei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Beiträge aus der Rente zu zahlen sind; der Pflegeversicherungsbeitrag wird dabei von Rentnerinnen und Rentnern allein getragen und direkt von der Rente einbehalten. Hinzu kommt die Besteuerung.”

Ob und wie viel Einkommensteuer tatsächlich fällig wird, hängt nicht nur von der Rentenhöhe, sondern auch von weiteren Einkünften und individuellen Faktoren ab.

Für den steuerpflichtigen Anteil ist das Jahr des Rentenbeginns maßgeblich. Beginnt die Rente im Jahr 2025, sind nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung 83,5 Prozent steuerpflichtig; der verbleibende Anteil ist der persönliche Rentenfreibetrag, der als Betrag festgeschrieben wird.

Was man tun kann, wenn 35 Jahre erreicht sind – aber die erwartete Rente nicht reicht

Wer merkt, dass zwar die Wartezeit erfüllt ist, die voraussichtliche Monatsrente aber knapp wird, hat mehrere Stellschrauben. Eine häufig unterschätzte Möglichkeit ist das längere Arbeiten oder ein späterer Rentenbeginn, weil neben den zusätzlichen Beiträgen auch der Zuschlag über den Zugangsfaktor wirkt.

Für Menschen, die zwar früher gehen möchten, aber den Abschlag vermeiden wollen, gibt es außerdem die Option von Sonderzahlungen zum Ausgleich von Rentenabschlägen. Die Deutsche Rentenversicherung nennt dafür als Startpunkt grundsätzlich das 50. Lebensjahr: Ab dann können Abschläge ganz oder teilweise durch zusätzliche Zahlungen ausgeglichen werden, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind und dies gegenüber der Rentenversicherung erklärt wird.

Rentenantrag und Vorbereitung: warum das Versicherungskonto über die Höhe entscheidet

Wer die Rente pünktlich erhalten will, sollte den Antrag rechtzeitig stellen. Die Deutsche Rentenversicherung empfiehlt, den Antrag rund drei Monate vor Rentenbeginn einzureichen. Mindestens genauso wichtig ist, dass das Versicherungskonto vollständig ist.

Fehlende Ausbildungszeiten, nicht gemeldete Beschäftigungen, ungeklärte Kindererziehungszeiten oder Pflegezeiten können am Ende sowohl die 35-Jahre-Wartezeit als auch die Entgeltpunkte beeinflussen. In der Praxis ist deshalb die Kontenklärung oft der Schritt, der aus einer groben Schätzung eine belastbare Erwartung macht.

Fazit

Die Altersrente nach 35 Versicherungsjahren ist kein Versprechen für eine bestimmte Rentenhöhe, sondern ein Türöffner: Sie ermöglicht – je nach Geburtsjahr – einen früheren Rentenbeginn, meist aber nur mit dauerhaften Abschlägen.

Wie hoch die Rente am Ende ist, hängt vor allem von den Entgeltpunkten ab, also von der beitragspflichtigen Erwerbsbiografie und den rentenrechtlichen Zeiten. Wer die Größenordnung der eigenen Rente verstehen will, kommt an der Rentenformel, dem aktuellen Rentenwert und einem geklärten Versicherungskonto nicht vorbei.

Quellen

Deutsche Rentenversicherung, „Altersrenten für langjährig und besonders langjährig Versicherte“ (Voraussetzungen 35 Jahre, Rentenbeginn ab 63, Abschläge 0,3 Prozent pro Monat bis 14,4 Prozent, Wartezeit-Zeiten, Hinzuverdienstregel seit 2023, Antrag ca. drei Monate vorher), Deutsche Rentenversicherung, „Wie hoch wird meine Rente?“ (Rentenformel und Bedeutung der Entgeltpunkte).