“Sippenhaft” der Hartz IV Bedarfsgemeinschaft

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Hartz IV: Die "Sippenhaft" der Bedarfsgemeinschaft des SGB II

Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II:
"Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig." wird, anders als im Sozialhilferecht, das den Begriff der Bedarfsgemeinschaft nicht kannte, das verfügbare Einkommen der Partner derselben auf alle Mitglieder verteilt.

Das hat zur Folge, dass Partner, die ihren Bedarf nach SGB II mit eigenem Einkommen selbst decken können, trotzdem — rein rechnerisch – hilfebedürftig werden und damit zu Sozialleistungsempfängern des SGB II, womit sie auch allen gesetzlichen Zwängen des SGB II unterliegen. Damit kann der Leistungsträger von einem Vollzeit arbeitenden Partner der Bedarfsgemeinschaft, der eigentlich nicht bedürftig ist, weil er genügend Einkommen hat, um seinen eigenen Bedarf zu decken, verlangen, seinen Job aufzugeben um einen anderen, besser bezahlten Job anzutreten um damit seine Hilfebedürftigkeit, die nur auf dem Papier existiert, zu verringern. Selbstständige Partner, welche ebenfalls genügend Einkommen haben, um ihren eigenen Bedarf zu decken, müssen ihre Selbstständigkeit aufgeben um einen Job anzunehmen, der mehr anrechenbares Einkommen einbringt — mit der Gefahr, diesen später wieder zu verlieren und arbeitslos zu werden.

Das alles bedeutet in der Praxis nichts anderes, als dass ein Partner in einer Bedarfsgemeinschaft für die Hilfebedürftigkeit aller anderen Mitglieder haftet, da ihn § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II dazu verpflichtet auch deren Bedarf decken zu müssen.

Alle? Nicht alle, keine Regelung ohne Ausnahme. Kinder, die genügend eigenes Einkommen haben, um ihren Bedarf selbst zu decken, zählen nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern und müssen ihr Einkommen auch nicht den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung stellen. Vergleichbares gilt für Bedarfsgemeinschaften, in denen ein Partner Altersrente bezieht, mit dem Unterschied, dass hierbei, analog zur Einsatzgemeinschaft im Sozialhilferecht (Horizontalberechnung), das den Bedarf des Rentners übersteigende Einkommen auf die restlichen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufgeteilt wird. Warum diese Ausnahmen? Nicht aus Menschlichkeit! Eine Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern, geschweige denn gegenüber Stiefeltern oder
Geschwistern, ließ sich nicht rechtssicher herbeileiten und bei Rentnern soll so ein eigener Anspruch verhindert werden, der sonst zu einen Konflikt mit dem SGB XII führen würde.

Schon der BGH hat in seinem Urteil vom 7/7/04 AZ: XII ZR 272/02, festgestellt, das nur derjenige Anspruch auf Sozialleistungen hat, der seinen Bedarf nicht aus eigenen Mitteln decken kann. Das damit die Bedarfsanteilsmethode eigentlich rechtswidrig ist, hat den Gesetzgeber bei deren Einführung in das SGB II und das SGB XII nicht im Geringsten gestört. Das die Bedarfsanteilsmethode auch rechtswidrig ist, weil sie gegen das Grundrecht auf Achtung und Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) verstößt, indem sie denjenigen, der sich selbst helfen kann, verpflichtet, seine Mittel für andere einzusetzen, mit der Folge, dass er dadurch selbst mittellos wird und auf staatliche Leistungen angewiesen ist, haben mehrere Gerichte bemängelt, nicht zuletzt das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 07/11/06, AZ: B 7b AS 8/06 R. Aber auch das hat den Gesetzgeber nicht bewogen, daran etwas zu ändern, er hält also das Mittel der Sippenhaft für legitim, mit dessen Anwendung der Sozialleistungsempfängern die in den Menschrechten garantierte Individualität verweigert.

Und warum? Weil der Bund mit der Bedarfsanteilsmethode eine Umverteilung der Lasten von der Regelleistung auf die Kosten der Unterkunft erzielt, welche bekanntermaßen von den Kommunen zu tragen sind, und so erhebliche Kosten für die ALG II Regelleistung spart. (17.01.2008)