Menschen, die taub oder schwerhörig sind, haben unter bestimmten Bedingungen das Recht auf die Nutzung von Gebärdensprach- oder Schriftdolmetschern.
Dieser Anspruch greift bei Kontakten mit öffentlichen Einrichtungen wie Ämtern, Behörden und Gerichten sowie in zentralen Lebensbereichen wie dem Gesundheitswesen, der Bildung und dem Arbeitsleben.
Die rechtlichen Grundlagen für diesen Anspruch sind im Sozialgesetzbuch (SGB IX, §§ 17–19), im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG, § 6) und in der Kommunikationshilfenverordnung (KHV, § 3) verankert. Zusätzlich haben die Bundesländer diesen Anspruch in ihre Landesgleichberechtigungsgesetze übernommen.
Inhaltsverzeichnis
Unterschiede zwischen Gebärdensprach- und Schriftdolmetschern
Gebärdensprachdolmetscher
Gebärdensprachdolmetscher übersetzen zwischen der Gebärdensprache und der Lautsprache, wobei sie in beide Richtungen arbeiten – für gehörlose und hörende Menschen. In Deutschland wird hauptsächlich zwischen der Deutschen Gebärdensprache (DGS) und Lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG) unterschieden. Während die DGS primär von gehörlosen Menschen verwendet wird, bevorzugen schwerhörige oder spätertaubte Personen oft die LBG.
Die Dolmetscherarbeit erfolgt meist simultan, das heißt, sie übersetzt direkt während der Kommunikation. In speziellen Fällen wird konsekutiv gedolmetscht: Hierbei macht der Dolmetscher sich Notizen und gibt den Inhalt anschließend wieder. Diese Methode dauert länger und kann die Kosten erhöhen.
Schriftdolmetscher
Schriftdolmetscher übertragen das gesprochene Wort in Textform, entweder wortgetreu oder in einer zusammengefassten Version. Diese Leistung ermöglicht schwerhörigen oder spätertaubten Menschen, Vorträge, Gespräche oder Diskussionen zu verfolgen und aktiv daran teilzunehmen. Besonders geeignet ist diese Methode für Personen, die die Schriftsprache gut beherrschen, jedoch wenig Erfahrung mit Gebärdensprache haben.
Kostenübernahme und Leistungsträger
In vielen Fällen übernehmen staatliche Stellen die Kosten für Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher.
Typische Situationen, in denen die Kosten übernommen werden, sind etwa Behördengänge, Gerichtsverhandlungen, Arztbesuche, Bildungsmaßnahmen wie Schule oder Studium, sowie berufliche Integrationsmaßnahmen. Dies gilt besonders in den Bereichen der öffentlichen Verwaltung, des Rechtswesens, des Gesundheitswesens, der Bildung und des Arbeitslebens. Die Kostenübernahme variiert je nach Situation und Bundesland.
Mögliche Leistungsträger für die Kostenübernahme:
Je nachdem, in welchem Lebensbereich ein Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher benötigt wird, sind Anträge bei folgenden Kostenträgern bzw. Institutionen zu stellen. Die Anträge können meist formlos erfolgen.
- Krankenkassen: z. B. für Arztbesuche, Physiotherapie oder ambulante Krankenhausbehandlungen.
- Krankenhäuser: z. B. bei stationären Behandlungen.
- Pflegekassen: z. B. für Beratungsgespräche.
- Deutsche Rentenversicherung: z. B. bei Beratungsgesprächen oder Kontenklärungen.
- Berufsgenossenschaften: z. B. bei beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen.
- Arbeitsagentur und Jobcenter: z. B. für Vorstellungsgespräche oder Beratungstermine.
- Sozialamt und Jugendamt: z. B. bei Hilfeplangesprächen oder Frühförderung.
- Integrationsamt: z. B. zur Unterstützung im Arbeitsleben.
Lebensbereiche ohne festen Rechtsanspruch
In bestimmten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gibt es keinen festen Rechtsanspruch auf die Kostenübernahme für Dolmetscher.
Dazu zählen etwa Veranstaltungen in den Bereichen Religion, Politik oder Kultur. In solchen Fällen ist es ratsam, vorab zu klären, ob der Veranstalter oder eine andere Institution die Kosten übernehmen.
Kosten für Dolmetscher
Die Vergütung von Dolmetschern richtet sich oft nach den Regelungen des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG). Die Kosten im Überblick:
Stundensatz: ca. 85 Euro pro Stunde
Halbstundensatz: Jede angefangene halbe Stunde wird mit ca. 42,50 Euro berechnet
Fahrtkosten: Pauschale von 0,42 Euro pro Kilometer
So finden Sie den passenden Dolmetscher
Es gibt mehrere Ressourcen, um einen geeigneten Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher zu finden. Eine gute Anlaufstelle sind die Dolmetschervermittlungen der Landesverbände des Deutschen Gehörlosen-Bundes e. V., die Listen von qualifizierten Dolmetschern und deren Kontaktdaten anbieten.
Ebenso bietet die bundesweite Liste freier Gebärdensprachdolmetscher von Karin Kestner eine Möglichkeit, schnell einen passenden Dolmetscher in der Region zu finden.
Eine weitere Option sind die Tess-Relay-Dienste, die als bundesweiter Telefonvermittlungsdienst für hör- und sprachbehinderte Menschen fungieren. Professionelle Dolmetscher übersetzen hier simultan zwischen deutscher Gebärdensprache, Schriftsprache und Lautsprache, was eine eigenständige Kommunikation über das Telefon ermöglicht.
Seit Juli 2018 sind die Tess-Relay-Dienste rund um die Uhr verfügbar.
Rechtlicher Rahmen des Bundesteilhabegesetzes
Die rechtliche Grundlage für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist im Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) geregelt, welches die Rehabilitation und gesellschaftliche Teilhabe fördert. Ziel ist es, eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen, auch durch die Bereitstellung entsprechender Hilfsmittel wie Dolmetscherdienste.
Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG), das Ende 2016 in Kraft trat, wurde die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen weiter gestärkt. Das Gesetz führt zu einer Neustrukturierung des SGB IX in drei Teile: Teil 1 umfasst die Regelungen für alle Rehabilitationsträger, Teil 2 beschreibt die Eingliederungshilfe, und Teil 3 regelt das Schwerbehindertenrecht.
Ein barrierefreier Zugang zu Bildung ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Bemühungen. Gehörlose Studierende haben etwa das Recht auf Gebärdensprachdolmetscher, um an Vorlesungen teilzunehmen und eine gleichwertige Ausbildung zu erhalten.