Menschen mit Behinderungen brauchen klare Nachweise, wenn sich der Gesundheitszustand verschlechtert und eine GdB-Erhöhung nötig wird. Die Behörde bewertet nicht bloße Diagnosen, sondern konkrete Funktionsbeeinträchtigungen im Alltag.
Entscheidend ist, dass der verschlimmerte Zustand seit mehr als sechs Monaten besteht oder voraussichtlich bestehen wird. Wer Befunde gezielt zusammenstellt und den zeitlichen Verlauf lückenlos belegt, erhöht die Chancen auf eine zügige und korrekte Neufeststellung.
Inhaltsverzeichnis
Rechtlicher Rahmen: Funktionsbeeinträchtigung statt Diagnoseliste
Beim Verschlimmerungsantrag zählt die Auswirkung auf Körperfunktionen und die Teilhabe. Die Behörde bildet zunächst Einzel-GdB nach Funktionssystemen und leitet daraus einen Gesamt-GdB ab. Dieser wird nicht addiert, sondern wertend bestimmt. Maßgeblich sind Art, Ausmaß und Dauer der Einschränkungen sowie deren Zusammenspiel.
Für den Antrag bedeutet das: Jede Diagnose braucht eine saubere Übersetzung in nachvollziehbare Alltagsgrenzen, etwa Geh- und Stehzeiten, Belastbarkeit, Feinmotorik, Greif- und Tragfähigkeit, Konzentrationsspanne oder sozial-kognitive Leistungsfähigkeit.
Checkliste „gute Belege“ – kompakt in einer Tabelle
| Unterlage | Warum sie überzeugt |
| Fachärztliche Befundberichte mit Funktionsbeschreibung, Verlauf und Therapie | Zeigen, was nicht mehr geht, wie lange und trotz welcher Behandlung |
| Objektive Diagnostik (Bildgebung, Lungenfunktion, EKG, Neuro-Tests, Labor) | Untermauert Schweregrad, Therapieresistenz und Dauerzustand |
| Reha- und Klinik-Entlassungsberichte, Verlaufsberichte aus Physio/Ergo/Logo | Dokumentieren den Verlauf und den fehlenden Behandlungserfolg |
| Pflege-/MD-Gutachten, EM-Rentenunterlagen, Teilhabe-Bescheide | Stützen die funktionellen Einschränkungen aus anderer Sozialleistungs-Perspektive |
| Hausärztliche Zusammenfassung der wichtigsten Facharztbefunde | Verdichtet die Akte und erleichtert der Behörde die Bewertung |
Aktualität der Unterlagen: Wie „frisch“ müssen Befunde sein?
Aktuelle Unterlagen zeigen, wie der Körper heute funktioniert. Als praxistaugliche Richtschnur gelten Berichte, die nicht älter als zwei bis drei Jahre sind. Ältere Dokumente bleiben wertvoll, wenn sie den Verlauf belegen.
Sinnvoll ist daher ein Paket aus einem aktuellen fachärztlichen Kurzgutachten mit präziser Funktionsbeschreibung und den wichtigsten früheren Befunden, die die Verschlimmerung schlüssig nachzeichnen.
Zeitachse und Rückwirkung: So sichern Sie den Stichtag
Die Feststellung gilt in der Regel ab Antragseingang. Eine Rückwirkung gelingt nur, wenn sich mit datierten Unterlagen nachweisen lässt, dass die GdB-Voraussetzungen bereits früher vorlagen. Wer eine Rückwirkung erreichen will, braucht eine geschlossene Belegkette: Diagnose → Therapieversuch → objektive Messung → Verlaufskontrolle.
Wichtig bleibt das Sechs-Monats-Kriterium: Der verschlimmerte Zustand muss über einen längeren Zeitraum anhalten, kurzfristige Schwankungen fließen als Durchschnitt ein.
Drei typische Fehler – und die schnelle Lösung
Viele Anträge scheitern, weil nur Diagnosen genannt werden. Die Lösung heißt Funktionssprache: „maximal 100 m schmerzarm gehen“, „Treppensteigen nur stufenweise mit Pause“, „Feinmotorik rechts < 30 % normgerecht“. Häufig fehlen aktuelle Berichte. Hier hilft ein gezielter Kurzbefund beim Facharzt, der die heutige Leistung beschreibt und die Verschlimmerung belegt. Oft reißen Verläufe ab. Planen Sie daher Kontrollen in festen Abständen, damit die Akte eine klare Linie zeigt.
Praxisfall: Von GdB 40 zu GdB 60
Eine 58-jährige Person besitzt bisher GdB 40 wegen degenerativer Wirbelsäulenveränderungen. Seit zwölf Monaten nehmen Schmerzen und Ausfälle zu.
Sie sammelt: aktuelles MRT mit deutlicher Progredienz, neurochirurgischen Bericht mit OP-Verzicht aus Risiko-Gründen, Schmerztherapie-Plan mit unzureichender Wirkung, objektive Funktionstests (Geh-/Stehzeiten, LWS-Beweglichkeit), Reha-Entlassungsbericht ohne nachhaltige Besserung, hausärztliche Zusammenfassung.
Der Antrag führt diese Unterlagen in einer Zeitlinie zusammen und beschreibt alltagsnah die Einschränkungen beim Sitzen, Tragen, Bücken und Konzentrieren. Ergebnis: Die Behörde erkennt die Verschlimmerung als Dauerzustand an; der Gesamt-GdB steigt auf 60.
So bauen Sie die Antragsmappe auf – Schritt für Schritt
Beginnen Sie mit einem Deckblatt, das die Kernpunkte auflistet: Antrag auf Neufeststellung wegen Verschlimmerung, GdB-Ziel nicht nennen, aber die betroffenen Funktionssysteme klar benennen. Fügen Sie eine kurze Funktions-Zusammenfassung mit messbaren Angaben an.
Dahinter folgt die Belegkette, beginnend mit den aktuellsten Berichten. Markieren Sie neue und verschlimmerte Leiden getrennt. Listen Sie alle Behandler mit Kontaktdaten auf, damit die Behörde zügig nachfordern kann.
Schließen Sie mit einer datierten Selbstauskunft zu typischen Alltagssituationen ab: Gehen, Stehen, Heben, Haushaltsführung, berufliche und soziale Teilhabe.
Qualität und Verlauf schlagen Masse
Eine schlanke, aktuelle und funktionsbezogene Akte überzeugt mehr als ein unkommentierter Papierberg. Wer den Zeitraum klug dokumentiert, Funktionsgrenzen messbar macht und die Verschlimmerung als Dauerzustand nachweist, verbessert die Erfolgsaussichten und verkürzt die Bearbeitungszeit.




