Psychische Stรถrungen sind heute der Hauptgrund fรผr gesundheitliche Einschrรคnkungen im Beruf โ doch nicht nur die Rentenversicherung stellt sich quer. Auch das Versorgungsamt prรผft Antrรคge auf einen Schwerbehindertenausweis streng.
Dieser Beitrag zeigt, wie Sie einen gerechten GdB erhalten, welche Nachweise zรคhlen und welche Rechte Sie nach der Anerkennung nutzen kรถnnen.
Inhaltsverzeichnis
Psychische Erkrankungen als hรคufigster GdB-Treiber
Mehr als jede zweite Person in Europa erlebt laut Eurostat mindestens einmal eine psychische oder psychosomatische Erkrankung. In Deutschland fรผhrt genau dieser Diagnosebereich inzwischen bei fast der Hรคlfte aller Neufeststellungen zu einem GdB โฅ 50. Die Betroffenen verlieren nicht nur Einkommen, sondern auch gesellschaftliche Teilhabe.
Ihr Vorteil: Wer die Hรคufigkeit kennt, erkennt zugleich, dass die meisten Hรผrden nicht medizinisch, sondern bรผrokratisch sind.
Rechtsgrundlage: Vom Antrag bis zum Bescheid
Im Unterschied zur Erwerbsminderungsrente greifen bei der Schwerbehinderung das Sozialgesetzbuch IX und die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). Zustรคndig ist das Versorgungsamt bzw. Landesamt. Zielgrรถรe ist der Grad der Behinderung von 20 bis 100. Ab GdB 50 gilt eine Schwerbehinderung mit umfassenden Nachteilsausgleichen.
Unterhalb dieser Schwelle bleiben Teilhabeleistungen mรถglich, z. B. Reha-Budget oder stufenweiser Wiedereinstieg.
GdB-Bewertung: Objektive Fakten statt Diagnoseetikett
Ein ICD-Code genรผgt nicht. Die รrztinnen des Amts wollen erkennen, wie stark eine Depression oder Angststรถrung das alltรคgliche Funktionieren beeintrรคchtigt: Schlaf, Konzentration, Sozialkontakte, Belastbarkeit. Psychische Leiden liefern seltener bildgebende Befunde, daher stรผtzt sich die Bewertung auf Berichte, Tests und Fremdanamnesen.
Selbst unscheinbare Aktivitรคten wie Sportverein oder Pflege der Eltern kรถnnen als Gegenbeweis dienen. Nutzen fรผr Sie: Wenn Sie solche Tรคtigkeiten vorรผbergehend besser bewรคltigen, erklรคren Sie schriftlich, dass es sich um eine Ausnahmesituation handelt, nicht um den Alltag.
Begutachtung durch den รrztlichen Dienst: So bestehen Sie
Wie bei der DRV gilt eine Kultur des Misstrauens. Gutachterinnen stellen Fragen mehrfach, variiert oder scheinbar belanglos, um Widersprรผche aufzudecken. Seltene Symptomfragen (โRiechen Sie Stimmen?โ) prรผfen Plausibilitรคt. Wer untypische Symptome hat, sollte deshalb vorab eine รคrztliche Stellungnahme einreichen.
Vorbereitung erleichtert die Anerkennung:
- Reha-Berichte, Klinikbriefe und Therapieverlauf geordnet mitbringen.
- Chronologische Notizen: Diagnose, Behandlung, Ergebnis.
- Ehrlich antworten: nichts dramatisieren, nichts beschรถnigen.
Bleiben Sie authentisch; gepflegtes Auftreten ist erlaubt, solange klar ist, dass es nicht Ihren Normalzustand spiegelt.
Widerspruch und Klage: Ihr zweiter Anlauf
Ein ablehnender oder zu niedriger Bescheid ist kein Schlussstrich. Innerhalb eines Monats kรถnnen Sie Widerspruch einlegen (ยง 84 SGB IX). Fordern Sie gleichzeitig Akteneinsicht nach ยง 25 SGB X. Wird der Widerspruch abgelehnt, bleibt die Klage beim Sozialgericht. Dort entscheidet meist ein unabhรคngiges Sachverstรคndigengutachten.
Praxiswert: Etwa ein Drittel aller abgelehnten Bescheide wird im Widerspruch oder vor Gericht korrigiert.
Nachteilsausgleiche ab GdB 50
Ein anerkannter Schwerbehindertenausweis erรถffnet handfeste Vergรผnstigungen:
- Zusรคtzlicher Steuerfreibetrag (mindestens 1 420 โฌ p. a.).
- Fรผnf Tage Extraurlaub nach ยง 125 SGB IX.
- Besonderer Kรผndigungsschutz; Zustimmung des Integrationsamts nรถtig.
- Unentgeltliche Befรถrderung im รPNV mit Merkzeichen G oder aG.
- Frรผhere Altersrente fรผr schwerbehinderte Menschen (jahrgangsabhรคngige Abschlรคge).
Diese Vorteile gleichen Einkommenslรผcken aus und sichern soziale Teilhabe.
Kombination von GdB und Erwerbsminderung: Doppelter Schutz
Viele psychisch Erkrankte erfรผllen sowohl die Kriterien fรผr eine EM-Rente als auch die fรผr einen GdB โฅ 50. Wer beides beantragt, erhรคlt doppelte Absicherung: monatliche Rente plus Steuerfreibetrag, Mobilitรคtsvorteile und Kรผndigungsschutz. Strategisch sinnvoll ist, beide Verfahren parallel zu starten, um Gutachten und Befunde mehrfach zu nutzen.
Hรคufige Fehler โ und wie Sie sie vermeiden
Unvollstรคndige Unterlagen kosten Punkte im GdB. Achten Sie darauf, dass alle Arztberichte funktionale Einschrรคnkungen beschreiben, nicht nur Diagnosen. Vermeiden Sie Widersprรผche zwischen Selbstauskunft und beobachtbarem Verhalten. Wer Angehรถrige pflegt, muss darlegen, wie stark diese Aufgabe belastet und ob sie nur zeitweise gelingt.