Schwerbehinderung: Anspruch auf Merkzeichen G trotz untypischer Erkrankungen – Urteil

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Das Merkzeichen G wird Personen mit einer erheblichen Beeintrรคchtigung der Bewegungsfรคhigkeit im StraรŸenverkehr zuerkannt. Dabei berรผcksichtigt der Gesetzgeber neben den in den Versorgungsmedizinischen Grundsรคtzen (VMG) genannten Regelbeispielen auch andere, nicht explizit aufgefรผhrte Einschrรคnkungen.

Entscheidend ist, dass die Auswirkungen auf das Gehvermรถgen vergleichbar mit den Regelbeispielen sind. Grundlage fรผr die rechtliche Bewertung sind die Paragrafen 228 und 229 des SGB IX, die durch die VMG prรคzisiert werden.

Regelbeispiele und ihre Grenzen

Die VMG fรผhren bestimmte Funktionsstรถrungen als Regelbeispiele an, bei denen das Merkzeichen G anerkannt wird. Dazu gehรถren:

  • Funktionsstรถrungen der unteren GliedmaรŸen und/oder der Lendenwirbelsรคule mit einem Einzel-GdB (Grad der Behinderung) von mindestens 50
  • Einschrรคnkungen durch innere Leiden, wie Herzschรคden oder Atemwegserkrankungen, mit entsprechenden Funktionsbeeintrรคchtigungen
  • Stรถrungen der Orientierungsfรคhigkeit infolge von Anfallsleiden oder psychischen Erkrankungen

Fรผr Erkrankungen oder Einschrรคnkungen, die nicht unter diese Regelbeispiele fallen, bietet die Generalklausel des ยง 229 SGB IX die Mรถglichkeit, den Anspruch individuell zu prรผfen. Hierbei mรผssen die Auswirkungen der Erkrankung eine vergleichbare Beeintrรคchtigung des Gehvermรถgens verursachen.

Fallbezogene Bewertung

Im vorliegenden Fall beantragte ein schwerbehinderter Altenpfleger mit einem Gesamt-GdB von 60 die Zuerkennung des Merkzeichens G. Die Einschrรคnkungen betrafen unter anderem:

  • Schmerzen und Bewegungseinschrรคnkungen durch Spinalkanalstenosen an Hals- und Lendenwirbelsรคule
  • Polyneuropathie, die zu motorischen und sensiblen Stรถrungen fรผhrte
  • Chronische somatoforme Schmerzstรถrungen
  • Arthropathien in beiden Kniegelenken

Trotz dieser gesundheitlichen Beeintrรคchtigungen war der Antragsteller in der Lage, Strecken von bis zu 400 Metern ohne Pause zurรผckzulegen. Beobachtungen wรคhrend der Gutachten zeigten ein unauffรคlliges Gangbild und keine gravierenden motorischen Einschrรคnkungen.

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Bewertung durch medizinische Sachverstรคndige

Gutachter stellten fest, dass zwar objektive Befunde wie eine hochgradige Einengung des Spinalkanals und degenerative Verรคnderungen vorlagen, jedoch keine neurologischen Ausfรคlle oder manifeste Einschrรคnkungen der Gehbewegung beobachtet werden konnten.

Die Schmerzen und Einschrรคnkungen wurden hauptsรคchlich durch den Betroffenen selbst beschrieben. Die Gutachter bewerteten die Kombination aus somatischen und psychogenen Faktoren als plausibel, konnten jedoch keine eindeutige Einschrรคnkung nach den Kriterien der VMG nachweisen.

Vergleichbarkeit mit Regelbeispielen

Die Versorgungsmedizinischen Grundsรคtze sehen fรผr das Merkzeichen G neben den Regelbeispielen auch die Mรถglichkeit vor, andere Beeintrรคchtigungen zu berรผcksichtigen, sofern sie vergleichbare Auswirkungen haben. Im Fall des Antragstellers konnte eine solche Vergleichbarkeit jedoch nicht hinreichend bewiesen werden.

Die beobachteten Einschrรคnkungen reichten nicht aus, um die in den Regelbeispielen geforderten Kriterien zu erfรผllen, wie die Unfรคhigkeit, eine Strecke von zwei Kilometern in 30 Minuten zurรผckzulegen.

Entscheidungsgrรผnde des Gerichts

Das Sozialgericht verpflichtete die Behรถrde zunรคchst zur Anerkennung des Merkzeichens G. Es begrรผndete dies mit den erheblichen Schmerzen und den dadurch bedingten Einschrรคnkungen des Klรคgers. Die Berufungsinstanz hob diese Entscheidung jedoch auf.

Das Landessozialgericht argumentierte, dass die objektiven Befunde nicht ausreichten, um die gesetzlichen Voraussetzungen fรผr das Merkzeichen G zu erfรผllen. Insbesondere fehlte der Nachweis, dass die Einschrรคnkungen des Gehvermรถgens vergleichbar mit den in den VMG genannten Regelbeispielen waren.

Anforderungen an den Nachweis

Fรผr die Zuerkennung des Merkzeichens G ist ein klarer Nachweis der Beeintrรคchtigung erforderlich. Hierzu zรคhlen:

  • Nachvollziehbare medizinische Befunde
  • Objektivierte Einschrรคnkungen der Gehstrecke unter ortsรผblichen Bedingungen
  • Vergleichbarkeit der Auswirkungen mit den Regelbeispielen

Der Nachweis obliegt dem Antragsteller, der die objektiven Voraussetzungen darlegen muss. Subjektive Schmerzangaben oder Beobachtungen, die keine objektive Bestรคtigung finden, genรผgen nicht.