Schulden beim Energieversorger: So wird man Strom- und Gasschulden wieder los

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Wenn Mahnungen des Energieversorgers im Briefkasten liegen und sogar eine Stromsperre angedroht wird, fühlen sich viele Betroffene sofort hilflos. Besonders Haushalte mit Bürgergeld oder kleiner Rente geraten schnell in Rückstand, wenn Nachzahlungen und höhere Abschläge auflaufen.

Die gute Nachricht: In vielen Fällen lassen sich Sperren verhindern, Schulden stunden oder sogar teilweise von Behörden übernehmen – vorausgesetzt, Sie kennen Ihre Rechte und handeln rechtzeitig.

Wenn Strom- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlbar sind

Energieschulden entstehen selten von heute auf morgen. Oft sind es mehrere Faktoren, die zusammenkommen: gestiegene Preise nach dem Auslaufen der Energiepreisbremsen, zu niedrig angesetzte Abschläge, ein deutlich höherer Verbrauch oder bereits vorhandene andere Schulden, wegen derer Rechnungen beim Energieversorger liegen bleiben.

Für Menschen mit geringem Einkommen reicht dann eine hohe Jahresabrechnung, um in eine ernsthafte Notlage zu geraten.

Wichtig ist: Verdrängung verschlimmert das Problem. Sobald Sie merken, dass Sie Abschläge oder eine Nachzahlung nicht mehr vollständig leisten können, sollten Sie aktiv werden und sich einen Überblick verschaffen – über die Forderung, über Ihren tatsächlichen Verbrauch und über mögliche Hilfen.

Wann der Energieversorger überhaupt sperren darf

Energieversorger dürfen die Lieferung nicht beliebig unterbrechen. In der Grundversorgung – also dem Standardtarif, in dem viele Haushalte automatisch landen – sind die Voraussetzungen für eine Sperre in den Verordnungen für Strom und Gas geregelt (§ 19 StromGVV und GasGVV).

Eine Sperre ist nur zulässig, wenn ein „erheblicher Zahlungsrückstand“ vorliegt. Als Richtschnur gilt: Rückstände müssen mindestens dem doppelten monatlichen Abschlag entsprechen und mindestens 100 Euro betragen. Außerdem müssen in der Regel mindestens zwei Abschlagszahlungen oder vergleichbare Forderungen offen sein.

Bevor eine Sperre tatsächlich erfolgt, muss der Versorger sie Ihnen zunächst mit einem Vorlauf von mindestens vier Wochen androhen und später noch einmal konkret mindestens acht Werktage vorher ankündigen.

Spätestens mit dieser letzten Ankündigung muss Ihnen der Grundversorger eine sogenannte Abwendungsvereinbarung anbieten – also die Möglichkeit, die Schulden in Raten auszugleichen und die Belieferung weiter laufen zu lassen.

Strittige Teile der Forderung – etwa wegen einer angefochtenen Preiserhöhung oder offensichtlich fehlerhafter Ablesewerte – dürfen für die Sperrgrenze nicht mitgezählt werden. Und auch das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip gilt: Steht die Sperre in keinem Verhältnis zu den Folgen, etwa weil im Haushalt schwer erkrankte Menschen oder kleine Kinder leben, kann sie im Einzelfall unzulässig sein.

Rechnung prüfen, bevor Sie zahlen: Stimmen Zählerstand und Vertrag?

Bevor Sie einer hohen Nachforderung zustimmen oder eine Ratenzahlung unterschreiben, sollten Sie die Forderung genau prüfen. Ein erster Schritt ist der Abgleich der in der Rechnung verwendeten Zählerstände mit Ihren eigenen Aufzeichnungen, Fotos oder Ablesebelegen des Netzbetreibers. Gerade bei geschätzten Verbräuchen kann es zu deutlichen Abweichungen kommen.

Schauen Sie sich außerdem alle Preiserhöhungen an, die in Ihrem Vertrag vorgenommen wurden. Preisanpassungen müssen transparent begründet und rechtzeitig angekündigt worden sein; oft entsteht zugleich ein Sonderkündigungsrecht.

Werden Tarife „untergeschoben“, etwa am Telefon oder an der Haustür, besteht in der Regel ein Widerrufsrecht von 14 Tagen. Ein wirksam widerrufener Vertrag kann keinen rechtlichen Boden für hohe Nachforderungen bilden.

Wenn Sie Positionen auf der Rechnung nicht nachvollziehen können, legen Sie schriftlich Widerspruch ein und erklären konkret, welche Beträge Sie beanstanden. Solange eine Forderung nicht schlüssig dargelegt und von Ihnen begründet bestritten ist, zählt sie nicht ohne Weiteres als sperrreif.

Mit dem Versorger verhandeln: Raten, Abschläge und Abwendungsvereinbarung

Sind die Forderungen im Grundsatz berechtigt, geht es darum, die Versorgung zu sichern und die Schulden in machbaren Schritten zurückzuführen. Hier ist die Abwendungsvereinbarung der zentrale Hebel: In der Grundversorgung ist der Versorger verpflichtet, Ihnen spätestens acht Werktage vor einer Sperre eine solche Vereinbarung anzubieten.

Sie sieht meist eine zinslose Ratenzahlung der Rückstände vor, während Sie parallel die laufenden Abschläge weiterzahlen. Stimmen Sie zu und halten Sie sich an diese Vereinbarung, darf der Versorger die Lieferung nicht unterbrechen.

Auch außerhalb dieses formellen Instruments können Sie um individuelle Ratenzahlung bitten. In der Praxis akzeptieren viele Versorger realistische Monatsraten, wenn sie erkennen, dass Sie ernsthaft bemüht sind und gleichzeitig den laufenden Verbrauch abdecken.

Parallel sollten Sie Ihre Abschläge an den tatsächlichen Verbrauch und die aktuellen Preise anpassen lassen, damit nicht jedes Jahr neue Nachforderungen entstehen.

Prüfen Sie außerdem, ob Sie in einem teuren Grundversorgungstarif hängen. Wo es möglich ist und Ihre Bonität es zulässt, kann ein Wechsel in einen günstigeren Tarif oder zu einem anderen Anbieter helfen, die laufenden Kosten dauerhaft zu senken.

Hilfe vom Jobcenter: Energieschulden als Darlehen

Wer Bürgergeld bezieht, kann in bestimmten Fällen verlangen, dass das Jobcenter bei Energieschulden einspringt. Rechtsgrundlage ist insbesondere § 22 Absatz 8 SGB II, der die Übernahme von Schulden zur Sicherung der Unterkunft regelt. Nach der Rechtsprechung und den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit gelten drohende oder bereits vollzogene Strom- und Gassperren als „vergleichbare Notlage“.

In der Praxis bedeutet dies: Liegt eine Mahnung mit Sperrandrohung oder schon eine tatsächliche Sperre vor, können Sie beim Jobcenter einen Antrag auf Übernahme der Energieschulden stellen. In aller Regel erfolgt die Hilfe als zinsloses Darlehen, nicht als Zuschuss, weil Stromkosten dem Regelbedarf zugerechnet werden.

Das Jobcenter zahlt den Betrag häufig direkt an den Versorger, um sicherzustellen, dass die Sperre aufgehoben wird oder gar nicht erst eintritt. Das Darlehen wird später durch monatliche Abzüge von Ihrer Bürgergeld-Leistung getilgt; zulässig sind Aufrechnungen bis zu einem bestimmten Prozentsatz des maßgeblichen Regelbedarfs.

Gerichte haben Jobcenter in einzelnen Fällen sogar verpflichtet, sehr hohe Energieschulden zu übernehmen, wenn ansonsten eine unzumutbare Notlage drohte. Das zeigt: Wer rechtzeitig und gut begründet Hilfe beantragt, hat durchaus Chancen, nicht auf seinen Schulden sitzenzubleiben.

Grundsicherung, Sozialamt und besondere Härtefälle

Für Menschen, die Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII beziehen, ist das Sozialamt zuständig. Auch hier können Energieschulden übernommen werden, wenn sonst Wohnungslosigkeit oder eine vergleichbare Notlage drohen.

In vielen Fällen geschieht dies ebenfalls als Darlehen, in besonderen Härtefällen aber auch als Zuschuss, wenn eine Rückzahlung nicht zumutbar ist.

Die Praxis ähnelt dem Vorgehen der Jobcenter: Die Behörde prüft die Notlage, nimmt Kontakt zum Versorger auf und kann offene Forderungen direkt an den Energieanbieter überweisen. Gerade für ältere oder dauerhaft erwerbsgeminderte Menschen kann dies der entscheidende Schritt aus einer scheinbar ausweglosen Situation sein.

Landesweite Härtefallfonds: Zusätzliche Chance bei Stromschulden

Manche Bundesländer haben ergänzend zu den Bundesleistungen eigene Härtefallfonds für Energieschulden eingerichtet. Sie richten sich an einkommensschwache Haushalte, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind und bei denen eine Sperre droht oder bereits vollzogen wurde.

In Berlin etwa gibt es einen Härtefallfonds, über den einmalig Zuschüsse zu Energieschulden gewährt werden können, wenn die Betroffenen bestimmte Einkommensgrenzen einhalten und bereits versucht haben, andere Hilfen zu erhalten. Auch Hessen hat einen Fonds aufgelegt, der in besonders belasteten Fällen Billigkeitsleistungen vorsieht.

Die genauen Bedingungen – von den Anspruchsvoraussetzungen bis zur Antragstellung – unterscheiden sich von Land zu Land, weshalb ein Blick auf die Internetseiten der Landesbehörden oder ein Gespräch mit einer Beratungsstelle sinnvoll ist.

Wenn der Strom schon abgestellt ist: Wege zurück in die Versorgung

Ist der Strom oder das Gas bereits gesperrt, zählt vor allem Geschwindigkeit. Der erste Schritt ist das Gespräch mit dem Versorger: In vielen Fällen ist eine Entsperrung möglich, wenn Sie einen Teil der Rückstände sofort zahlen und gleichzeitig einen verbindlichen Ratenplan für den Rest vereinbaren. Zusätzlich können aber Entsperr- und Inkassokosten anfallen, sodass eine schnelle Klärung bares Geld spart.

Parallel sollten Sie – sofern Sie Anspruch auf Bürgergeld oder Grundsicherung haben – umgehend einen Eilantrag beim Jobcenter oder Sozialamt stellen. Je konkreter Sie die Notlage belegen (Sperrprotokoll, Schreiben des Versorgers, ärztliche Bescheinigungen bei gesundheitlichen Risiken), desto größer sind die Chancen, dass ein Darlehen oder Zuschuss bewilligt und direkt an den Versorger gezahlt wird.

In Bundesländern mit Härtefallfonds können Beratungsstellen helfen, Leistungen aus verschiedenen Töpfen zu kombinieren, um die Sperre aufzuheben und die Zahlungslast tragbar zu machen.

So verhindern Sie, dass neue Energieschulden entstehen

Wer einmal erlebt hat, wie bedrohlich eine Strom- oder Gassperre ist, möchte diesen Zustand nicht wieder riskieren. Deshalb lohnt sich ein Blick auf langfristige Strategien. Planen Sie Energie konsequent als festen Posten in Ihrem Haushaltsbudget ein und prüfen Sie regelmäßig, ob sich Ihr Verbrauch oder die Preise spürbar verändert haben.

Wenn Sie merken, dass Abschläge nicht mehr zu Ihrem tatsächlichen Verbrauch passen, fordern Sie rechtzeitig eine Anpassung an, statt eine hohe Jahresnachzahlung in Kauf zu nehmen.

Unabhängige Energie- und Schuldnerberatungen – etwa bei Verbraucherzentralen, Kommunen oder Wohlfahrtsverbänden – unterstützen Sie dabei, Rechnungen zu prüfen, Tarife zu vergleichen und Einsparmöglichkeiten zu finden, ohne Ihre Wohnsituation unzumutbar zu verschlechtern.

Wer sich früh Hilfe holt, kann meist noch verhandeln, statt nur zu reagieren. So werden Energieschulden nicht zur Dauerschleife, sondern zu einem Problem, das sich Schritt für Schritt wieder lösen lässt.