Die gesetzliche Rente allein wird vielen Menschen im Alter nicht genรผgen. Dennoch existieren zahlreiche Mรถglichkeiten, das Beste aus dem Rentensystem herauszuholen und die eigene Situation nachhaltig zu verbessern.
Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt gibt 12 legale Tipps, mehr aus der Rente herauszuholen.
Inhaltsverzeichnis
Wie funktioniert die gesetzliche Rente?
Wer in Deutschland sozialversicherungspflichtig angestellt ist, zahlt monatlich Rentenbeitrรคge und sammelt dadurch sogenannte Rentenpunkte. Die Berechnungsgrundlage dafรผr ist das durchschnittliche Bruttojahresgehalt, das sich jรคhrlich รคndert und fรผr das Jahr 2025 bei 50.493 Euro liegt.
Verdient jemand genau diesen Betrag, erhรคlt er einen vollen Rentenpunkt pro Jahr. Liegt das Gehalt darunter oder darรผber, verringert oder erhรถht sich die Punktzahl anteilig, bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze.
Mit derzeit 67 Jahren, zumindest fรผr alle nach 1964 Geborenen, kann regulรคr die Altersrente beantragt werden. Wer bis zu diesem Alter durchgรคngig das Durchschnittsentgelt verdient hat, sammelt รผber 42 Arbeitsjahre entsprechend 42 Rentenpunkte.
Jeder Punkt ist aktuell 39,32 Euro wert und wird mit Blick auf das jeweilige Jahr immer wieder neu festgelegt (etwa auf voraussichtlich 40,70 Euro). Die Folge: Wer diese Punkteanzahl vorweisen kann, erhรคlt rund 1.651 Euro Monatsrente. Abzรผge oder Zuschlรคge entstehen unter anderem, wenn jemand frรผher oder spรคter in Rente geht, oder wenn zusรคtzliche freiwillige Beitrรคge gezahlt werden.
Rente richtig einschรคtzen
Ab dem 27. Lebensjahr erhรคlt jeder Versicherte jรคhrlich eine Renteninformation, die zeigt, welche Rente er voraussichtlich beziehen wรผrde, wenn sich an seinem Einkommen nichts Wesentliches รคndert.
Dieser Wert ist jedoch mit Vorsicht zu genieรen, da er weder zukรผnftige Rentenanpassungen sicher abbildet, noch eindeutig vorhersagen kann, wie stark Inflation und Lohnentwicklung in den kommenden Jahrzehnten steigen.
Wer bei einer durchschnittlichen Preissteigerung von etwa 2 Prozent pro Jahr vorsichtig plant, sollte eine gewisse Abwertung der dort genannten Zahl berรผcksichtigen. Hinzu kommt, dass Rentenbezieher ihre Einkรผnfte spรคter versteuern und Kranken- sowie Pflegeversicherungsbeitrรคge zahlen mรผssen.
Weil die kรผnftige Entwicklung nie exakt vorhergesagt werden kann, empfehlen Fachleute eine tendenziell pessimistische Einschรคtzung.
1. Neben der Rente weiterarbeiten
Das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters bedeutet nicht automatisch, dass man sich vollstรคndig aus dem Berufsleben zurรผckziehen muss. Gesetzlich ist es zulรคssig, eine Altersrente zu beziehen und zusรคtzlich weiterzuarbeiten, ohne dass dies zu Abzรผgen bei den monatlichen Bezรผgen fรผhrt.
Im Gegenteil: Wer รผber das regulรคre Rentenalter hinaus angestellt bleibt und freiwillig in die Rentenversicherung einzahlt, sammelt weiter Rentenpunkte, was den Rentenanspruch zusรคtzlich erhรถht.
Ein klassischer Nebenjob oder Minijob nach Rentenbeginn kann ebenfalls sinnvoll sein, weil bis zu einer bestimmten Verdienstgrenze von monatlich 520 Euro (ab 2023: 520 Euro, 2024: 550 Euro, fรผr 2025 kรถnnte sie bei 556 Euro liegen) in der Regel keine Steuern und Sozialabgaben anfallen. Somit kann ein Teil der Lebenshaltungskosten ohne groรe Abzรผge mitfinanziert werden.
2. Spรคter in Rente gehen und dafรผr belohnt werden
Fรผr jeden Monat, den jemand รผber die regulรคre Regelaltersgrenze hinaus arbeitet, erhรถht sich die Rente durch einen prozentualen Zuschlag. Dies sind 0,5 Prozent pro Monat, was in einem ganzen Jahr sechs Prozent Aufschlag auf die Monatsrente bedeutet.
Da in dieser Zeit zusรคtzlich weiterhin Rentenbeitrรคge gezahlt werden und das laufende Gehalt bezogen wird, stellt eine Verlรคngerung der Berufstรคtigkeit รผber das 67. Lebensjahr hinaus eine interessante Option dar.
3. Mit 63 in Rente gehen und dennoch Einkommen erzielen
Die Altersrente fรผr langjรคhrig Versicherte erรถffnet Personen mit mindestens 35 Beitragsjahren die Mรถglichkeit, bereits mit 63 Jahren den Rentenbezug einzuleiten.
Dieser frรผhere Start ist jedoch mit dauerhaften Rentenabschlรคgen von 0,3 Prozent pro Monat verbunden, also 3,6 Prozent pro Jahr.
Wer vier Jahre vor der Regelaltersgrenze in Rente geht, muss 14,4 Prozent Einbuรen in Kauf nehmen.
Allerdings ist es mรถglich, die verringerte Rente durch eine Weiterbeschรคftigung im vollen Umfang zu ergรคnzen. Das fรผhrt zu einem doppelten Einkommen, allerdings bleibt der Abschlag lebenslang bestehen. Diese Variante kann attraktiv sein, wenn das Extraeinkommen in den Jahren bis zum 67. Lebensjahr konsequent investiert wird.
4. Teilweise in Rente und teilweise erwerbstรคtig
Die flexiblere Form besteht darin, lediglich eine Teilrente zu beziehen. Dabei kann jedes beliebige Rentenniveau zwischen 10 und 99,9 Prozent gewรคhlt werden.
Auf den teilweisen Rentenanteil wird ein eventueller Abschlag fรคllig, der Rest bleibt zunรคchst aufgeschoben. Auf diese Weise lรคsst sich die finanzielle Situation an persรถnliche Bedรผrfnisse anpassen, beispielsweise indem man Schritt fรผr Schritt ins Rentnerdasein wechselt.
5. Warum sogar 0,01 Prozent Teilrente sinnvoll sein kann
Wer zu 100 Prozent Rente bezieht und gleichzeitig weiterhin arbeitet, verliert den Anspruch auf Krankengeld. Denn das Gesetz unterscheidet sehr genau zwischen Versicherten, die im Erwerbsleben stehen, und Beziehern einer Vollrente.
Eine Mรถglichkeit, den Krankengeldanspruch zu wahren, besteht darin, auf minimalste Teile der Rente zu verzichten โ etwa 0,01 Prozent. So bleibt der Status als Arbeitnehmer mit Krankengeldanspruch erhalten, und es kommt dennoch schon Rentengeld, wenn auch nur in verschwindend geringer Hรถhe.
6. Arbeitslos melden als Brรผcke zur Rente
Eine zwei Jahre lรคngere Zahlung von Arbeitslosengeld (ALG I) ist ab dem 58. Lebensjahr mรถglich, sofern die Kรผndigung vom Arbeitgeber ausging und man die Anwartschaft erfรผllt.
Wer sich in dieser Phase des Arbeitslebens arbeitslos meldet, spart sich Rentenabschlรคge, wenn er im Anschluss regulรคr in Rente geht. Gleichzeitig fรคllt das Arbeitslosengeld mit etwa 60 Prozent des frรผheren Nettogehalts zwar niedriger als das gewohnte Erwerbseinkommen aus, ist aber fรผr manchen in Kombination mit einer kรผnftigen abschlagsfreien Rente durchaus lohnenswert.
7. Nach 45 Arbeitsjahren abschlagsfrei frรผh in Rente
Wer 45 Beitragsjahre vorweisen kann, hat die Mรถglichkeit, schon zwei Jahre eher in den Ruhestand zu treten, ohne dafรผr Abschlรคge hinnehmen zu mรผssen. Es handelt sich um die Rente fรผr besonders langjรคhrig Versicherte. Entscheidend ist jedoch, dass sรคmtliche relevanten Zeitrรคume, die anerkannt werden kรถnnen, wirklich bei der Rentenversicherung hinterlegt sind.
8. Anerkennung von Studienzeiten
Oft sind es genau diese zusรคtzlichen Zeitrรคume, die รผber die Schwelle von 35 oder 45 Jahren entscheiden. Ein Studium kann beispielsweise bis zu acht Jahre als sogenannte Anrechnungszeit berรผcksichtigt werden. Auch lange Arbeitsunfรคhigkeit, Mutterschutzzeiten und Phasen der Arbeitslosigkeit lassen sich gegebenenfalls geltend machen.
Wer sicherstellen mรถchte, dass alle Zeiten richtig gezรคhlt werden, sollte frรผhzeitig eine Kontenklรคrung bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen und sรคmtliche Studien- oder Schulbescheinigungen vorlegen.
9. Versicherungsverlauf prรผfen
Im Onlinedienst der Deutschen Rentenversicherung lรคsst sich regelmรครig ein Versicherungsverlauf abrufen, der chronologisch sรคmtliche gemeldeten Zeiten ausweist.
Werden hier Lรผcken oder Unstimmigkeiten entdeckt, kรถnnen sie durch Nachweise oder eine Kontenklรคrung ausgerรคumt werden. Diese Vorsorge stellt sicher, dass sich zum Zeitpunkt des Rentenstarts keine wichtigen Beitragsjahre unbemerkt in Luft auflรถsen.
10. Rentenpunkte fรผr Kindererziehung
Wer Kinder hat, kann die sogenannte Kindererziehungszeit bei der Rentenversicherung anrechnen lassen. Das Prinzip besagt, dass Eltern so gestellt werden, als hรคtten sie in diesen Jahren das durchschnittliche Erwerbseinkommen erzielt.
Fรผr Kinder, die vor 1992 geboren wurden, sind bis zu 2,5 Jahre Erziehungszeit mรถglich. Fรผr Kinder ab 1992 kรถnnen sogar 3 Jahre berรผcksichtigt werden, was pro Kind zu maximal 3 Rentenpunkten fรผhrt. Diese Regelung ist ein wichtiger Baustein, um die Einbuรen aus Erziehungsphasen teilweise auszugleichen.
11. Altersteilzeit als gleitender รbergang
Ab dem 55. Lebensjahr besteht die Mรถglichkeit, in Altersteilzeit zu wechseln. Hierbei wird รผblicherweise die wรถchentliche Arbeitszeit um 50 Prozent reduziert.
Der Lohn fรคllt niedriger aus, doch erhรคlt man zusรคtzlich mindestens 20 Prozent Aufstockung steuerfrei und sozialabgabenfrei vom Arbeitgeber. Auรerdem bezahlt der Betrieb weiterhin einen Anteil der Rentenbeitrรคge, damit die Altersansprรผche weitgehend auf dem Niveau der frรผheren Vollzeitbeschรคftigung bleiben.
Aus Arbeitgeber-Sicht bietet dieses Modell allerdings weniger Vorteile, weshalb es meist vertraglicher Einigung bedarf.
12. Rentenpunkte kaufen und Abschlรคge ausgleichen
Wer schon frรผh weiร, dass er bei Zeiten in Rente gehen will und mit Abschlรคgen konfrontiert wรคre, kann Rentenpunkte gezielt kaufen. Die gesetzliche Rentenversicherung erlaubt bestimmte Sonderzahlungen, die in einen hรถheren Rentenanspruch mรผnden.
รber Abschlagszahlungen fรผr Ausbildungszeiten hinaus steht zum Beispiel die Option offen, ab dem 50. Lebensjahr vorzeitig die voraussichtlichen Abschlรคge zu kompensieren. Dabei ist es wichtig, sich von der Rentenversicherung genau ausrechnen zu lassen, wie viele Punkte infrage kommen.
Die รberlegung, in die gesetzliche Rente zu investieren, hat ihre Reize. Im Vergleich zu Investitionen in Fonds oder Aktien bietet die Rente einen sicheren Auszahlungsfluss bis an das Lebensende. Dafรผr fรคllt jedoch die Flexibilitรคt weg, denn anders als bei einem Aktiendepot kรถnnen die eingezahlten Gelder spรคter nicht wieder herausgelรถst werden.
Ein groรer Vorteil der gesetzlichen Rente ist ihre lebenslange Zahlung. Selbst wenn das private Vermรถgen irgendwann aufgebraucht sein sollte, bleibt ein sicherer monatlicher Zahlungsstrom bestehen. Wer jedoch frรผh plant, benรถtigt die staatliche Versorgung weniger und kann sie eher als Ergรคnzung betrachten, statt darauf vรถllig angewiesen zu sein.