Die Bundesregierung plant zum 1. Januar 2026 die Einführung einer „Aktivrente“. Kern der Idee: Wer nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiterarbeitet, soll bis zu 2.000 Euro im Monat – also 24.000 Euro im Jahr – steuerfrei hinzuverdienen können.
Nach aktuellem Stand gilt die Begünstigung nur für Beschäftigte, die ihr Regelrentenalter erreicht haben; der steuerfreie Zuverdienst ergänzt die laufende Altersrente und soll Erwerbstätigkeit im Ruhestand attraktiver machen. Politisch wird das Vorhaben von Bundeskanzler Friedrich Merz als freiwilliges Angebot gerahmt – nicht als Pflicht zum längeren Arbeiten.
Wie die Steuerfreiheit wirkt – und wo Grenzen bleiben
Die geplante Steuerbefreiung greift ausschließlich für den Hinzuverdienst aus Erwerbsarbeit. Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung fallen auf dieses Einkommen weiterhin an; Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung sollen für reguläre Altersrentner entfallen. Damit erhöht sich das Netto aus dem Nebenverdienst spürbar, allerdings nicht eins zu eins um den Bruttobetrag.
Die Ausgestaltung im Detail – etwa ob bestimmte Beschäftigungsformen bevorzugt werden – ist noch in Klärung.
Der Reiz des Modells in Zahlen
In der Praxis kann die Aktivrente erhebliche Entlastungen bringen. Ein häufig diskutiertes Beispiel: Ein 66-Jähriger, der zuvor 3.000 Euro brutto monatlich verdient hat, muss – kombiniert mit seiner Rente – künftig nur noch rund 950 Euro brutto im Monat zuverdienen, um auf sein früheres Netto zu kommen.
Möglich wird das, weil auf diesen Zusatzverdienst keine Einkommensteuer erhoben wird; abgehen dürften weiterhin die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Für Frührentner sieht die Rechnung schlechter aus: Wer bereits mit 63 Jahren in Rente ist, müsste – mangels Aktivrenten-Bonus und bei dann regulärer Besteuerung – etwa 1.690 Euro brutto monatlich hinzuverdienen, um eine ähnliche Nettogröße zu erreichen.
Frührente bleibt ein Sonderfall – mit dauerhaften Abschlägen
Die Aktivrente privilegiert das Weiterarbeiten nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Wer vorher in Rente geht, profitiert von der Steuerbefreiung nicht und muss zusätzlich mit dauerhaften Rentenabschlägen rechnen. Pro Monat, den der Ruhestand vorgezogen wird, mindert sich die Rente regulär um 0,3 Prozent – bis zu maximal 14,4 Prozent bei vier Jahren Vorziehen, also bei einem Ruhestand mit 63 statt 67 Jahren. Diese Abschläge wirken lebenslang.
„36.000 Euro steuerfrei“? Was an der Schlagzeile dran ist
Mehrere Medien berichten, dass die Aktivrente zusammen mit dem allgemeinen Grundfreibetrag zu einem effektiv steuerfreien Gesamteinkommen von rund 36.000 Euro im Jahr führen könne.
Rentenrechtlich korrekt ist: Der neue Aktivrenten-Freibetrag (bis 24.000 Euro) würde zusätzlich zum allgemeinen Grundfreibetrag gewährt, dessen konkrete Wirkung allerdings von der individuellen Gesamteinkommenssituation abhängt – insbesondere, weil die gesetzliche Rente selbst weitgehend steuerpflichtig ist. Die „36.000 Euro“-Zahl ist somit ein grober Orientierungswert, keine universelle Garantie.
Was an der Rente weiterhin zu versteuern ist
Entscheidend bleibt die Rentenbesteuerung: Für Neurentnerinnen und Neurentner des Jahres 2025 beträgt der Besteuerungsanteil nach offizieller Übersicht des Bundesfinanzministeriums 83,5 Prozent; 16,5 Prozent der erstmaligen Jahresbruttorente werden als individueller Rentenfreibetrag dauerhaft festgeschrieben.
Der allgemeine Grundfreibetrag 2025 liegt bei 12.096 Euro für Alleinstehende. Dadurch kann ein erheblicher Teil der Rente steuerpflichtig bleiben – unabhängig von der Aktivrente.
Fiskalische Folgen: Entlastung für Ältere, Mindereinnahmen für den Staat
Haushaltswirksam ist die Aktivrente allemal. Für 2026 kalkuliert die Regierung – laut Berichten aus dem Finanzressort – mit Mindereinnahmen von rund 900 Millionen Euro, ab 2027 mit rund einer Milliarde Euro pro Jahr.
Ökonomische Institute gehen teils von deutlich höheren Steuerausfällen aus: Das Institut der deutschen Wirtschaft beziffert mögliche Mitnahmeeffekte und Mindereinnahmen auf bis zu 2,8 Milliarden Euro jährlich. Diese Spannbreite unterstreicht, dass die tatsächliche Inanspruchnahme und arbeitsmarktpolitische Wirkung schwer prognostizierbar sind.
Arbeitsmarkt, Fairness, Generationengerechtigkeit
Befürworter sehen in der Aktivrente ein pragmatisches Instrument gegen den Fachkräftemangel: Erfahrung bleibt im Betrieb, Wissenstransfer gelingt, Übergänge in den Ruhestand werden flexibler.
Kritiker fragen, ob das Modell nicht vor allem diejenigen begünstigt, die ohnehin arbeiten können und wollen, während gesundheitlich eingeschränkte oder auf Grundsicherung angewiesene Rentnerinnen und Rentner kaum profitieren.
Auch die geplante Beschränkung auf reguläre Altersrentner sowie die diskutierte Nicht-Einbeziehung Selbstständiger wird als Ungleichbehandlung kritisiert. Die politische Rahmensetzung – Kanzler Merz betont die Freiwilligkeit – hält die Debatte offen zwischen Anerkennung lebenslanger Leistung und dem Risiko, längeres Arbeiten zur finanziellen Notwendigkeit werden zu lassen.
Zwei Lebenslagen im Vergleich – und was sie bedeuten
Für Neurentner im Regelalter kann die Aktivrente tatsächlich das Versprechen „weniger arbeiten, ähnliches Netto“ einlösen, wie die obige Beispielrechnung zeigt.
Der zeitliche Einsatz sinkt in vielen Fällen auf ein bis zwei Arbeitstage pro Woche, wenn der Hinzuverdienst klug auf den Freibetrag zugeschnitten ist. Frühere Ruheständler hingegen müssen spürbar mehr arbeiten, tragen dauerhaft Rentenabschläge und zahlen auf den Zusatzverdienst weiterhin Lohnsteuer.
Das Ergebnis ist eine stärkere Belastung – selbst dann, wenn zusätzliche Beitragszeiten später kleine Rentenzuwächse bringen.
Planung ist Pflicht: Nettoeffekte realistisch durchrechnen
Wer die Aktivrente nutzen will, sollte den individuellen Mix aus Rente, Zusatzverdienst, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen sowie dem persönlichen Steuersatz durchrechnen lassen. Dabei sind nicht nur die künftigen Nettoeffekte zu betrachten, sondern auch gesundheitliche Belastbarkeit, Verfügbarkeit geeigneter Teilzeit- oder projektförmiger Jobs und mögliche Wechselwirkungen mit privaten und betrieblichen Vorsorgebausteinen.
Ebenso wichtig ist der Blick auf die Rentenbesteuerung über die Jahre hinweg, denn Rentenanpassungen und Gesetzesänderungen können den steuerpflichtigen Anteil verändern, während der individuelle Rentenfreibetrag in Euro fix bleibt.