Rente: Nachträgliche Absenkung des Rentenfaktors kann rechtswidrig sein – Urteil

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Der Rentenfaktor ist eine zentrale Kennzahl in privaten Rentenversicherungen und beeinflusst maßgeblich die Höhe der späteren Rentenzahlungen. Dieser Faktor gibt an, wie viel monatliche Rente pro 10.000 EUR Vertragsguthaben ausgezahlt wird.

Der Rentenfaktor findet sich in verschiedenen Rentenversicherungsprodukten wie der Riester- und Rürup-Rente, der betrieblichen Altersvorsorge sowie in ungeförderten privaten Rentenversicherungen.

Rentenfaktor bestimmt Auszahlungshöhe

Die Höhe des Rentenfaktors bestimmt direkt, welche monatliche Rente aus dem angesparten Kapital erzielt wird. Ein Beispiel: Bei einem Vertragsguthaben von 100.000 EUR und einem Rentenfaktor von 30 werden monatlich 300 EUR Rente ausgezahlt.

Sollte der Rentenfaktor hingegen nur bei 20 liegen, beträgt die monatliche Rente lediglich 200 EUR. Diese Differenz führt langfristig zu erheblichen Rentenverlusten, die sich im Laufe der Jahre massiv auf die finanzielle Situation im Ruhestand auswirken können.

Rechtliche Entwicklungen: Urteile zur Absenkung des Rentenfaktors

Die Frage, ob Versicherer den Rentenfaktor nachträglich absenken dürfen, ist juristisch umstritten. Ein wegweisendes Urteil des Landgerichts Köln stellte fest, dass die Zürich Versicherung nicht berechtigt war, den Rentenfaktor in einem Riester-Vertrag zu senken. Die Begründung des Versicherers, die Absenkung sei aufgrund der Niedrigzinsphase notwendig, wurde vom Gericht als unzulässig bewertet.

Das Urteil erklärt die nachträgliche Anpassung als rechtswidrig, da sie faktisch eine Rentenkürzung darstellt. Für betroffene Versicherte eröffnet dies die Möglichkeit, sowohl die Rücknahme der Senkung als auch Nachzahlungen zu verlangen, wenn bereits gekürzte Renten ausgezahlt wurden (LG Köln, 08.02.2023, Az. 26 O 12/22). Dieses Urteil hat eine hohe Signalwirkung und könnte in ähnlichen Fällen Anwendung finden.

Unterschiedliche Gerichtsurteile bei anderen Versicherern

Die juristische Situation ist nicht einheitlich. Bei der Allianz gibt es widersprüchliche Urteile: Während das Landgericht Stuttgart die Absenkung des Rentenfaktors in einem Riester-Vertrag als rechtmäßig ansah (LG Stuttgart, 10.07.2023, Az. 53 O 214/22), entschied das Amtsgericht Reinbek in einem vergleichbaren Fall zugunsten der Versicherten (Az. 14 C 473/23). Beide Verfahren sind bisher nicht rechtskräftig.

Diese Unterschiede zeigen, dass letztlich erst eine höchstrichterliche Entscheidung Klarheit bringen könnte. Parallel dazu wurden auch die AXA und die LPV Lebensversicherung von Verbraucherzentralen wegen ähnlicher Praktiken abgemahnt. Diese Verfahren befinden sich noch in der frühen Phase, könnten jedoch weitreichende Folgen haben.

Überprüfung des eigenen Vertrags: Hinweise auf Absenkungen des Rentenfaktors

Es ist für Versicherte wichtig, ihre jährlichen Standmitteilungen sorgfältig zu prüfen. Besonders während der Ansparphase eines Vertrags können Versicherer den Rentenfaktor mit Verweis auf wirtschaftliche Entwicklungen wie die Niedrigzinsphase nachträglich anpassen. Eine solche Anpassung sollte nicht ungeprüft hingenommen werden.

Es empfiehlt sich, frühzeitig Widerspruch einzulegen, um langfristige Renteneinbußen zu vermeiden. Insbesondere das Verstreichen von Fristen kann später zu einem Verlust des Rechts führen, den ursprünglichen Rentenfaktor wieder einzufordern.

Rechtliche Handlungsoptionen bei einer Rentenfaktor-Absenkung

Für den Fall einer Absenkung des garantierten Rentenfaktors bestehen verschiedene Handlungsoptionen. Ein erster Schritt ist die genaue Analyse des Vertrags und der Begründung der Absenkung durch den Versicherer. Ist die Absenkung mit der Niedrigzinsphase begründet, bietet das Urteil des Landgerichts Köln eine gute Grundlage für einen Widerspruch.

In der Ansparphase sollte frühzeitig darauf bestanden werden, dass der ursprünglich garantierte Rentenfaktor beibehalten wird, um spätere Rentenkürzungen zu verhindern.

Verjährungsfrist von 3 Jahren bei Nachzahlungsforderungen

Für Versicherte, die bereits eine gekürzte Rente beziehen oder eine Einmalzahlung erhalten haben, besteht die Möglichkeit, Nachzahlungen zu fordern. Hierbei gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren zum Jahresende (§ 195 BGB). Ein Musterschreiben für den Widerspruch oder die Nachforderung kann dabei unterstützen.

Sollte der Versicherer sich weigern, den Rentenfaktor anzupassen, bleibt als letzter Schritt die Klage. Diese sollte insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn der Rentenbeginn unmittelbar bevorsteht oder bereits Rentenzahlungen fließen.

Die Rolle der Treuhänderklausel: Wann dürfen Versicherer den Rentenfaktor ändern?

Die sogenannte Treuhänderklausel ermöglicht es Versicherern, wesentliche Vertragsbestandteile wie den Rentenfaktor nachträglich zu ändern, sofern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dauerhaft und unvorhersehbar verschlechtern. Die Anwendung dieser Klausel muss jedoch durch einen unabhängigen Treuhänder geprüft und genehmigt werden.

Typische Gründe für solche Anpassungen sind eine gestiegene Lebenserwartung oder stark veränderte Kapitalmarktrenditen. Das Landgericht Köln hat jedoch klargestellt, dass die Niedrigzinsphase nicht als ausreichender Grund für eine solche Anpassung dient, da sie als unternehmerisches Risiko zu werten ist, das nicht auf die Versicherten abgewälzt werden darf.

Welche Versicherer haben den Rentenfaktor in der Vergangenheit gesenkt?

In den vergangenen Jahren haben mehrere Versicherer wie Allianz, AXA, R+V und Zurich die Rentenfaktoren zahlreicher Verträge gesenkt. Besonders betroffen sind Verträge aus den Jahren 2000 bis 2016. Eine genaue Überprüfung dieser Verträge und gegebenenfalls rechtliche Schritte sind ratsam, um unberechtigte Rentenkürzungen zu verhindern.

Zusätzlich hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) im Jahr 2020 angeordnet, dass Versicherer höhere Rücklagen bilden müssen, um die zugesagten Rentenleistungen auch in Niedrigzinsphasen zu gewährleisten. Viele Unternehmen haben stattdessen den Rentenfaktor gesenkt, um diese Verpflichtung zu umgehen.

Kriterien für einen guten Rentenfaktor bei Neuabschlüssen

Bei einem Neuabschluss einer privaten Rentenversicherung sollte der garantierte Rentenfaktor und die vertraglichen Klauseln sorgfältig geprüft werden. Ein hoher garantierter Rentenfaktor und der Verzicht auf eine Treuhänderklausel sind entscheidend.

Verträge, bei denen der Versicherer auf die Anwendung von § 163 VVG verzichtet, bieten eine höhere Sicherheit, dass der garantierte Rentenfaktor auch tatsächlich stabil bleibt.