Nehmen wir an, Sie sind in Altersrente, erwerbsgemindert oder wiederholt krankgeschrieben. Ihrem behandelnden Arzt sagen Sie jetzt, dass Sie seit mehreren Monaten Tage haben, an denen Sie sich fรผhlen, als kรถnnten Sie kein Auto mehr fahren. Sie berichten auch davon, dass Sie in solchen Phasen bereits in riskante Situationen kamen, auch wenn Sie bisher noch keinen Unfall verursachten.
Gerade รคltere Menschen merken oft, dass Ihre kognitiven Fรคhigkeiten nachlassen, sie schlechter sehen oder schlechter hรถren, und besprechen entsprechende Probleme vertraulich mit ihrem Arzt, ohne deshalb jedoch ihren Fรผhrerschein abgeben zu wollen.
Darf der Arzt in diesem Fall eine Meldung an die Fahrerlaubnisbehรถrde (oder Polizei) machen. Ist er dazu sogar verpflichtet? Oder ist ihm das verboten? Wir zeigen Ihnen in diesem Beitrag die rechtlichen Grundlagen und informieren Sie darรผber, worauf Sie achten mรผssen.
Es gilt die รคrztliche Schweigepflicht
Erst einmal gilt die รคrztliche Schweigepflicht, und dabei handelt es sich um ein hohes Rechtsgut. Grundsรคtzlich ist der Arzt also nicht verpflichtet, Informationen รผber seine Patienten weiterzuleiten, und er ist dazu auch nicht ohne Hรผrden berechtigt.
Wann kann der Arzt die Fahrerlaubnisbehรถrde informieren?
Das รrzteblatt schreibt zur Rechtslage:
“Diagnostiziert der Arzt eine Erkrankung, die eine Fahruntauglichkeit nach sich zieht beziehungsweise fรผhrt die Therapie zum Verlust der Fahrtรผchtigkeit und zeigt sich der Patient nach entsprechender Aufklรคrung dennoch uneinsichtig und der Arzt hat die konkret begrรผndete Befรผrchtung, der Patient werde weiterhin am Straรenverkehr teilnehmen, kann der Arzt nach Abwรคgung der widerstreitenden Pflichten und Interessen eine Meldung an die Fahrerlaubnisbehรถrde oder die Polizei machen โ verpflichtet ist er hierzu jedoch grundsรคtzlich nicht.”
Eine Aussage von Ihnen selbst, in der Sie darรผber berichten, dass Sie sich an manchen Tagen fahruntauglich fรผhlen, rechtfertigt einen solchen Bruch mit der รคrztlichen Schweigepflicht jedoch nicht.
Wann muss der Arzt eine Meldung machen?
Der Arzt ist verpflichtet dazu, eine Meldung zu machen -bei der Polizei- wenn ein akuter Notstand besteht.
Es muss also eine extreme Gefahrenlage vorhanden sei, die fast unvermeidlich zu Selbst- und Fremdschรคdigung fรผhren. Ein Beispiel dafรผr ist ein Patient, der beabsichtigt, mit seinem Auto Suizid zu begehen oder in eine Menschenmenge zu rasen.
In der Regel wird jedoch selbst in solchen Fรคllen lediglich ein Offenbarungsrecht des Arztes erkannt, nicht jedoch eine Pflicht. Dies liegt daran, dass meist nicht klar beurteilt werden kann, ob ein solcher Notstand wirklich vorhanden war.
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Was bedeutet rechtfertigender Notstand?
Paragraf 34 regelt den rechtfertigenden Notstand folgendermaรen:
“Wer in einer gegenwรคrtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr fรผr Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwรคgung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgรผter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschรผtzte Interesse das beeintrรคchtigte wesentlich รผberwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.”
Was bedeutet das fรผr die Praxis?
Wenn Sie also Ihrem Arzt im Vertrauen erzรคhlen, dass Sie Zweifel an Ihrer Fahrtรผchtigkeit haben, dann ist das keineswegs ein rechtfertigender Notstand, der den Arzt verpflichtet, seine Schweigepflicht zu brechen. Auch ein Recht des Arztes, Ihre Informationen an die Fahrerlaubnisbehรถrde weiterzuleiten, besteht hier vermutlich nicht.
Worauf sollten Sie achten?
Sie sollten, wenn Sie fรผrchten, dass Ihre Fahrtauglichkeit nachlรคsst, ein aufklรคrendes Gesprรคch mit dem Arzt Ihres Vertrauens fรผhren und klรคren, wie Sie weiter vorgehen. Vielleicht kรถnnen Sie sinnvolle Hilfsmittel nutzen, um mรถgliche Defizite auszugleichen. Vielleicht mรผssen Sie sich auch Untersuchungen unterziehen, zum Beispiel Hรถr- und Sehtests durchfรผhren und Ihr Reaktionsvermรถgen testen.
Falls Ihr Arzt letztlich zu dem Ergebnis kommt, dass Sie nicht mehr fahrtauglich sind, dann ist es sinnvoll, den Fรผhrerschein abzugeben. In manchen Regionen Deutschlands bekommen Senioren, die freiwillig auf ihren Fรผhrerschein verzichten, ein kostenloses Ticket fรผr den รffentlichen Personennahverkehr. Das ist allemal besser, als den Fรผhrerschein von der Polizei entzogen zu bekommen – oder sogar einen schweren Unfall zu verursachen.