Pflegegeld als Lohnersatz? Ähnlich wie beim Elterngeld

Lesedauer 2 Minuten

Seit dem Amtsantritt der CDU-Politikerin Nina Warken als Bundesgesundheitsministerin am 6. Mai 2025 hat sich die gesundheitspolitische Agenda hörbar verschoben. Warken kündigte im Bundestag „zügiges Handeln“ bei der Reform der Pflege- und Krankenversicherung an, verwies jedoch zugleich auf die schwierige Finanzlage der Sozialsysteme.

Den eigentlichen Impuls für ein Pflegegeld, das sich am Elterngeld orientiert und pflegenden Angehörigen einen teilweisen Lohnersatz bieten soll, setzt nicht das Gesundheits-, sondern das Familienministerium.

65 Prozent des letzten Nettogehalts

Familienministerin Karin Prien (ebenfalls CDU) argumentiert, ohne stärkere Einbindung der Familien lasse sich die demografische Herausforderung in der Pflege nicht bewältigen.

In internen Papieren, die in Berlin kursieren, ist von einer Ersatzzahlung in Höhe von etwa 65 Prozent des letzten Nettogehalts die Rede; mindestens 300 Euro, höchstens 1 800 Euro pro Monat.

Das Pflegegeld soll steuerfrei sein und – ähnlich wie das Elterngeld – für einen klar umrissenen Zeitraum gewährt werden. Offizielle Eckdaten fehlen jedoch, weil das Konzept noch nicht ressort-abgestimmt ist.

Koalitionsinternes Ringen

Der Vorstoß hat die Koalition sichtbar in Bewegung gesetzt. Während Warken ihr Ministerium auf Konsolidierungskurs hält, mahnt das Finanzressort solide Gegenfinanzierung an; eine Mehrbelastung der Pflegeversicherung gilt in der Unions-SPD-Koalition als politisches Tabu. Arbeitgeberverbände befürchten zugleich zusätzliche Ausfälle auf dem Arbeitsmarkt, sollten viele Beschäftigte zugunsten der Pflege aus dem Job aussteigen.

Entlastungseffekte?

Theoretisch könnte ein Lohnersatz die stationäre und ambulante Pflege spürbar entlasten, weil vor allem Pflegegrad-2- und Pflegegrad-3-Patientinnen und -Patienten länger zuhause versorgt würden. Praktikerinnen und Praktiker weisen jedoch darauf hin, dass sich die Personalnot in Heimen dadurch nur verlagert: bleiben leichtere Fälle zuhause, steigt der Anteil hoch pflegebedürftiger Menschen in den Einrichtungen – und mit ihm die körperliche und psychische Belastung für die verbliebenen Fachkräfte.

Lesen Sie auch:

– Mit Pflege mehr Rente und jetzt mehr Zuschüsse

Qualitätssicherung als Achillesferse

Ob Angehörige eine anspruchsvolle Pflege dauerhaft fachgerecht leisten können, hängt an einer robusten Qualifizierung. Fachverbände fordern daher verpflichtende Grundkurse (Pflegebasics, Kinästhetik, Umgang mit Demenz) und eine regelmäßige Beratung nach § 37 Abs. 3 SGB XI. Ohne verbindliche Standards bestehe die Gefahr von Pflegefehlern und Überlastung – mit Folgekosten, die die erhoffte Einsparung bei den Pflegekassen schnell aufzehren könnten.

Die Ministerien kalkulieren vorsichtig mit Ausgaben im niedrigen einstelligen Milliardenbereich pro Jahr. Im Gegenzug verweisen Befürworterinnen auf mögliche Einsparungen bei Heimplätzen, Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie auf volkswirtschaftliche Effekte, wenn pflegende Angehörige später wieder regulär erwerbstätig werden.

Ökonominnen warnen allerdings vor einem doppelten Fachkräftemangel: Die Pflege gewinnt Betreuungszeit, die Gesamtwirtschaft verliert Arbeitskräfte.

Ein positiver Nebeneffekt könnte darin liegen, pflegende Angehörige langfristig für den Pflegeberuf zu gewinnen. Würde der Gesetzgeber die Pflichtkurse modular an die künftige bundesweite zweijährige Pflegeassistenz-Ausbildung anrechnen, ließe sich der spätere Einstieg in die Profession erleichtern. Die entscheidende Voraussetzung bleibt jedoch ein verbindlicher Rahmen, der Kompetenzaufbau belohnt und nicht allein auf familiäres Pflichtgefühl setzt.

Viele offene Fragen, doch die Richtung ist gesetzt

Mit der Idee eines steuerfreien Pflegegeldes als Lohnersatz adressiert die Bundesregierung ein drängendes demografisches Problem und setzt auf die Ressource Familie.

Ob das Konzept zum Befreiungsschlag für das überlastete Pflegesystem werden kann, entscheidet sich an drei Punkten: der tragfähigen Finanzierung, einem belastbaren Qualitätsrahmen und der Fähigkeit der Koalition, Ressort- und Parteigrenzen zu überbrücken.

Solange diese Fragen offen sind, bleibt das Pflegegeld ein ambitioniertes Versprechen – aber auch eine Chance, den Pflegediskurs in Deutschland neu auszurichten.