Rente 63 auch ohne 45 Beitragsjahre

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Viele Versicherte gehen noch immer davon aus, dass die „Rente mit 63“ nur mit 45 Beitragsjahren funktioniert. Das war einmal – und gilt nur noch für ältere Jahrgänge.

Wer 1964 oder später geboren wurde, kann zwar weiterhin bereits ab 63 eine Altersrente beziehen, benötigt dafür aber nicht zwingend 45 Jahre. Entscheidend ist, welche Rentenart Sie wählen und wie früh Sie starten wollen. Richtig geplant, lassen sich teure Fehlentscheidungen vermeiden – und ein früher, finanziell tragfähiger Ruhestand bleibt realistisch.

Für die jüngeren Jahrgänge gilt zugleich: Eine abschlagsfreie „Rente mit 63“ gibt es nicht mehr; die frühere Ausnahmeregel für besonders langjährig Versicherte ist stufenweise angehoben worden und liegt für den Jahrgang 1964 bei 65 Jahren.

Was „Rente mit 63“ heute tatsächlich bedeutet

Hinter dem Schlagwort verbergen sich zwei unterschiedliche Altersrenten mit je eigenen Spielregeln. Erstens die Altersrente für langjährig Versicherte: Sie setzt mindestens 35 Jahre Wartezeit voraus und kann ab 63 beantragt werden – stets mit dauerhaften Abschlägen von 0,3 Prozent pro vorgezogenem Monat; bei vier Jahren Vorziehen (63 statt 67) sind das 14,4 Prozent.

Zweitens die Altersrente für schwerbehinderte Menschen: Mit anerkanntem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 und 35 Jahren Wartezeit ist sie regulär ab 65 ohne Abschläge, vorzeitig – je nach Jahrgang – bereits ab 62 mit Abschlägen möglich.

Altersrente für langjährig Versicherte: Voraussetzungen, Beginn und Abschläge

Wer die große Wartezeit von 35 Jahren erfüllt, kann die Altersrente für langjährig Versicherte schon mit 63 starten. Maßgeblich ist der Jahrgang: Ab Geburtsjahr 1964 liegt die Regelaltersgrenze bei 67 Jahren.

Jeder Monat vor diesem regulären Alter mindert die spätere Monatsrente dauerhaft um 0,3 Prozent; der maximale Abzug bei 48 Monaten Vorziehung beträgt damit 14,4 Prozent. Diese Minderung bleibt für die gesamte Laufzeit der Rente bestehen – sie verschwindet also nicht mit Erreichen der Regelaltersgrenze.

Altersrente für schwerbehinderte Menschen: früher starten mit Anerkennung

Ist bei Rentenbeginn ein GdB von mindestens 50 festgestellt und sind 35 Wartejahre erfüllt, eröffnet diese Rentenart einen früheren, teils deutlich entspannteren Einstieg.

Für Jahrgänge 1964 und jünger ist der abschlagsfreie Start mit 65 möglich; der frühestmögliche Beginn liegt bei 62 – dann mit dauerhaften Abschlägen von 0,3 Prozent je Monat, also bis zu 10,8 Prozent bei drei Jahren Vorziehen.

Rechtsgrundlagen finden sich in § 37 SGB VI in Verbindung mit § 236a SGB VI sowie in den Auskünften der Deutschen Rentenversicherung.

Was für die 35-Jahre-Wartezeit zählt – und warum das wichtig ist

Die 35 Jahre setzen sich nicht nur aus klassischen Beschäftigungszeiten mit Pflichtbeiträgen zusammen. Anzurechnen sind auch Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung, Zeiten nicht erwerbsmäßiger Pflege, Zeiten mit Arbeitslosengeld oder Krankengeld sowie Anrechnungszeiten für Schule und Studium. Schul- und Hochschulzeiten gelten ab dem 17. Geburtstag und werden insgesamt bis maximal acht Jahre berücksichtigt.

Diese Zeiten erhöhen zwar nicht zwingend die Rentenhöhe, sie helfen aber beim Erreichen der 35-Jahre-Schwelle – und damit beim Zugang zur Rente ab 63.

Hinzuverdienst und Teilrente: mehr Freiheit seit 2023 – mit Fallstricken

Seit dem 1. Januar 2023 sind die Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten vollständig entfallen. Wer eine Altersvoll- oder Teilrente bezieht, darf grundsätzlich unbegrenzt hinzuverdienen.

Das erleichtert den gleitenden Übergang: Viele reduzieren zunächst die Arbeitszeit und kompensieren mit Rente und Lohn. Wichtig bleibt aber die Wahl zwischen Voll- und Teilrente, denn sie hat sozialrechtliche Folgen.

Ein zentraler Punkt ist das Krankengeld: Wer eine Vollrente wegen Alters bezieht, hat nach § 50 SGB V keinen Anspruch auf Krankengeld. Bei einer Teilrente (beispielsweise 99,99 Prozent) kann der Anspruch dagegen bestehen – vorausgesetzt, die Teilrente läuft bereits vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit und die Beschäftigung ist krankenversicherungspflichtig; Minijobs genügen nicht.

Dieser Unterschied ist für weiterbeschäftigte Rentnerinnen und Rentner finanziell erheblich. Lassen Sie sich hierzu unbedingt individuell von Ihrer Krankenkasse beraten und stellen Sie die Weichen rechtzeitig.

Abschläge planen und – wenn gewünscht – ausgleichen

Abschläge sind lebenslang. Wer sie vermeiden oder reduzieren möchte, hat zwei Stellschrauben. Erstens: den Rentenbeginn verschieben. Zweitens: die gesetzlich vorgesehene Ausgleichszahlung nach § 187a SGB VI nutzen.

Ab 50 Jahren können Sie auf Basis einer besonderen Auskunft der Deutschen Rentenversicherung freiwillige Beiträge leisten, um künftige Abschläge ganz oder teilweise zu kompensieren.

Ob sich das steuerlich und finanziell lohnt, hängt von Ihrer Lebenserwartung, dem Steuersatz und der geplanten Erwerbstätigkeit ab. Holen Sie dafür eine Rentenauskunft und – idealerweise – eine neutrale Beratung ein.

Rechenbeispiel: Jahrgang 1964, Rentenstart mit 63

Angenommen, die voraussichtliche Bruttorente zum Regelalter beträgt 1 800 Euro im Monat. Wer vier Jahre früher, also 48 Monate vor der persönlichen Altersgrenze von 67, in Rente geht, trägt einen Abschlag von 14,4 Prozent.

14,4 Prozent von 1 800 Euro sind 259,20 Euro (1 800 × 0,144 = 259,20). Die Monatsrente sinkt damit dauerhaft auf 1 540,80 Euro.

Der Betrag wird lebenslang gezahlt – nur die jährlichen Rentenanpassungen verändern das Niveau. Gleichzeitig fließt die Rente aber vier Jahre früher. Ob sich das unter dem Strich rechnet, hängt von Ihrer Erwerbs- und Lebensplanung, vom Hinzuverdienst und der Steuerlast ab.

Praxisleitfaden: So gehen Sie vor

Prüfen Sie zunächst Ihre Wartezeit in der aktuellen Rentenauskunft und klären Sie fehlende Zeiten – etwa Schul-, Studien-, Kindererziehungs-, Pflege- oder Krankheitszeiten – zeitnah nach.

Stellen Sie parallel fest, ob ein GdB 50 vorliegt oder erreichbar ist; die Feststellung muss rechtzeitig vor Rentenbeginn erfolgen, wenn Sie die Schwerbehindertenrente nutzen wollen.

Überlegen Sie, ob ein Teilrentenbezug zu Ihrer Erwerbsplanung passt und ob Sie damit sozialversicherungsrechtliche Vorteile – insbesondere beim Krankengeld – erhalten. Rechnen Sie schließlich verschiedene Starttermine durch, nutzen Sie den Rentenbeginn- und Rentenhöhenrechner der DRV und lassen Sie sich bei Bedarf eine besondere Auskunft zu möglichen Ausgleichszahlungen erstellen.

Stimmen Sie das Vorgehen mit Steuerberatung und – sofern Sie weiterarbeiten – mit der Krankenkasse und Ihrem Arbeitgeber ab.

Fazit: Mit System statt Mythen in den Ruhestand

Die Rente ab 63 ist auch ohne 45 Jahre Beiträge möglich – über die Altersrente für langjährig Versicherte oder, bei anerkannter Schwerbehinderung, über die spezielle Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Beide Wege sind mit dauerhaften Abschlägen verbunden, wenn der Start vor dem regulären Alter erfolgt. Wer seine rentenrechtlichen Zeiten prüft, die Rechtslage korrekt einordnet, den Hinzuverdienst klug nutzt und bei Bedarf Ausgleichszahlungen plant, kann den optimalen Zeitpunkt finden – und teure Irrtümer vermeiden.

Die Erkenntnis bleibt: Nicht die alte Chiffre „Rente mit 63“, sondern eine ehrliche Bestandsaufnahme Ihrer Zeiten, eine saubere Berechnung der Abschläge und eine frühzeitige Strategie entscheiden über einen entspannten Start in den Ruhestand.

Hinweis: Die genannten Altersgrenzen, Wartezeiten und Regelungen stammen aus den aktuellen Informationen der Deutschen Rentenversicherung und der Bundesregierung (Stand 2025). Individuelle Abweichungen sind möglich; maßgeblich sind Ihre Rentenauskunft und die jeweils einschlägigen Bestimmungen im SGB VI sowie § 50 SGB V