NRW – Das Museum der Armut

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24.05.2017

Das Ruhrgebiet ist eine alte Bastion der Sozialdemokratie, und die SPD in NRW warb mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit seit 1993. Jetzt erlitt sie eine große Niederlage.

Arbeits- und hoffnungslos
Zwar sinkt auch in Nordrhein-Westfalen die Arbeitslosigkeit, die ehemaligen Städte der Industriearbeiter sind jedoch nach wie vor Zentren der Armut, Erwerbs- und Hoffnungslosigkeit.

Ganz unten im Westen
Sachsen und Thüringen, die als ostdeutsche Bundesländer im Vergleich zum Westen als Problemzonen gelten, haben 2017 mit 7,3 % und 6,6 % eine niedrigere Quote an Erwerbslosen als Nordrhein-Westfalen, Brandenburg mit 7,6 % ebenso viele Arbeitslose. 2012 hatte Nordrhein-Westfalen 1,3 % mehr Arbeitslose als der deutsche Durchschnitt, 2017 sind es 1,6 %.

Es ist zwar richtig, dass NRW heute die niedrigste Arbeitslosenquote seit 1993 hat, dies aber als Erfolg auszugeben, ist im bundesweiten Vergleich, ein Prahlen auf „hohem Niveau“ des Elends.

Ob CDU oder SPD – Die Arbeitslosen blieben
Kein Flächenland der alten Bundesrepublik hat heute eine so hohe Arbeitslosenquote wie Nordrhein-Westfalen. Dies der SPD anzulasten, würde indessen verdecken, dass in den letzten fünf Jahren die Erwerbslosigkeit in NRW zumindest um 0,7 % sank.

Die Leiterin der Arbeitsagentur in NRW sagt zwar auch, dass NRW die niedrigste Arbeitslosenquote seit 1993 habe, betont aber, das seien immer noch so viele Arbeitslose wie in Niedersachsen, Bayern und Baden-Würtemberg zusammen. Langzeitarbeitslose gibt es prozentual mehr lediglich in Bremen und Brandenburg.

Besonders problematisch sind laut dem Institut der deutschen Wirtschaft Hartz-IV Empfänger, „an die man schwer rankommt“.

Der deutsche Rostgürtel
In den USA heißen die Bundesstaaten, die ehemals das Zentrum der industriellen Produktion waren mit Städten wie der alten Autostadt Detroit, im populären Sprachgebrauch „Rust Belt“, also Rostgürtel.

Das kennzeichnet ehemalige Industriestandorte, die heute im Wortsinn verrotten. Fabrikruinen und Slums, Arbeitslosigkeit ohne Perspektive bestimmen das Leben der ehemaligen Industriearbeiter.

Deutsche Detroits sind Gelsenkirchen, Duisburg, Bochum oder Essen – ehemalige Drehpunkte des Bergbaus, der Kohleförderung und Stahlproduktion.

Kultur statt Arbeit?
Ehemalige Zechen dienen heute als Kulturrzentren, und Essen wurde dafür stellvertretend für das Ruhrgebiet schon einmal zur Kulturhauptstadt Europas gewählt. Dafür können sich Hartz-IV Betroffene aus traditionellen Bergmanns-Familien aber einmal ein Bier in der Trinkhalle kaufen. Wie in den USA sind die ehemaligen Facharbeiter der Fabrikgesellschaft ein Kern der Abgehängten.

Keine Partei für Arbeitslose
Sie bildeten historisch die Basis der SPD-Wähler. Nach Jahrzehnten neoliberaler Politik, dem von einer SPD-Regierung eingeführten Repressionen gegen Erwerbslose und dem Leiden unter Hartz IV gibt es für sie aber keine SPD mehr, die sie wählen könnten.

Sie leben in der zeitlosen Agonie von „Freilichtmuseen“ einer vergangenen Epoche, in der rauchende Fabrikschlote und „Kumpels“ an Stahlöfen noch das Bewusstsein schufen, der Arbeiterklasse anzugehören.

Eine neue Klasse der Rechtlosen
Auf Hartz IV gestellt, sehen sie sich indessen als gesetzlich zur Armut Gezwungene, für die die Rechte, die einst Arbeiterklasse, Sozialdemokratie und Gewerkschaften erkämpften, keine Gültigkeit haben. Schwarz-Gelb wird das ebenso wenig ändern wie zuvor Rot-Grün. (Dr. Utz Anhalt)Quelle: Problemfall Arbeitslosigkeit: Der schwierige Patient NRW.

Bild: Thomas Reimer – fotolia