Kündigung – Der häufigste Denkfehler bei der Abfindung ist auch der Teuerste

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Kaum ein Thema wird im Zusammenhang mit Kündigung, Aufhebungsvertrag oder einvernehmlicher Trennung so häufig missverstanden wie die Abfindung. Viele Beschäftigte schauen zuerst auf die Frage, wie viel Steuer abgezogen wird und ob noch Beiträge zur Sozialversicherung anfallen. Beides ist wichtig, aber wer die Abfindung von Anfang an vor allem als Steuerproblem betrachtet, setzt sich leicht selbst aufs falsche Gleis.

Denn eine ungünstige Verhandlung führt oft zu deutlich größeren Einbußen als jede steuerliche Feinjustierung, mahnt der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Lange aus Hannover.

Sozialabgaben: In der Regel frei, aber nicht immer folgenlos

Abfindungen werden typischerweise als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt. Genau dieser Charakter sorgt im Normalfall dafür, dass darauf keine Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung anfallen.

Wer eine Abfindung erhält, hat deshalb häufig spürbar mehr Netto aus dem Bruttobetrag als bei regulärem Arbeitslohn. Das wird besonders relevant, wenn in Verhandlungen Beträge verschoben werden sollen, etwa indem statt einer Überstundenvergütung oder Bonuszahlung eine höhere Abfindung vereinbart wird. Während Lohnbestandteile regelmäßig beitragspflichtig sind, bleibt eine echte Abfindung im Grundsatz beitragsfrei.

Ganz unproblematisch ist das Thema dennoch nicht, sagt Lange. Entscheidend ist, dass die Zahlung tatsächlich als Abfindung anerkannt wird und nicht nach ihrer Ausgestaltung wie laufender Arbeitslohn wirkt.

Lange, regelmäßige Raten über Monate können den Eindruck eines Lohnersatzes verstärken und dadurch Diskussionen auslösen, ob es sich noch um eine begünstigte Entschädigung handelt. “Auch wenn Krankenkassen und Finanzverwaltung nicht bei jeder Ratenzahlung automatisch umqualifizieren, steigt mit komplexen Konstruktionen die Angriffsfläche”, warnt der Anwalt.

Der Sonderfall der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung

Besondere Aufmerksamkeit müssen diejenigen haben, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. “Hier kann eine Abfindung für die Beitragsberechnung eine Rolle spielen, weil Krankenkassen in bestimmten Konstellationen einen beitragspflichtigen Anteil annehmen”, warnt Lange.

Häufig geht es dabei um Fälle, in denen die Zahlung wirtschaftlich als Ersatz für entfallendes Arbeitsentgelt gewertet wird, etwa wenn Kündigungsfristen nicht eingehalten werden oder die Abfindung in einer Weise gezahlt wird, die eher einer Einkommensfortzahlung ähnelt. Die konkrete Behandlung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und sollte frühzeitig mit der Krankenkasse oder fachkundiger Beratung geklärt werden, damit später keine unerwarteten Nachforderungen entstehen.

Steuerfreiheit ist ein Mythos: Abfindungen sind grundsätzlich steuerpflichtig

“Noch immer hält sich hartnäckig die Vorstellung, Abfindungen seien bis zu einem bestimmten Betrag steuerfrei”, warnt der Rechtsanwalt. “Diese Regelungen gehören der Vergangenheit an. Heute gilt im Grundsatz: Eine Abfindung unterliegt der Einkommensteuer, praktisch meist zunächst der Lohnsteuer, die der Arbeitgeber beim Auszahlen einbehält. Wer eine hohe Abfindung erhält, spürt deshalb oft einen deutlichen Abzug, der im ersten Moment wie eine „Strafe“ wirkt, in Wahrheit aber vor allem mit der Steuerprogression zusammenhängt.”

Fünftelregelung: Begünstigung ja, Automatismus nein

Damit einmalige Entschädigungen nicht allein durch die Zusammenballung in einem Jahr in einen besonders hohen Steuersatz „hineinspringen“, sieht das Einkommensteuerrecht unter bestimmten Voraussetzungen eine Tarifermäßigung vor, die landläufig als Fünftelregelung bezeichnet wird. Vereinfacht wird rechnerisch so getan, als würde die Abfindung verteilt zufließen; dadurch wird der Progressionseffekt abgemildert.

Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, hängt aber nicht nur von der Höhe ab, sondern insbesondere davon, ob es sich steuerlich um eine Entschädigung handelt und ob es zu einer Zusammenballung von Einkünften in einem Veranlagungszeitraum kommt. Genau hier entstehen in der Praxis viele Fehler, weil gut gemeinte Gestaltungsideen die Begünstigung ungewollt gefährden können.

Wichtig ist außerdem eine Änderung, die viele erst bemerken, wenn sie die Abrechnung sehen. Seit dem 1. Januar 2025 wird die Fünftelregelung im laufenden Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt.

“Die Entlastung bleibt im Ergebnis möglich, muss aber regelmäßig über die Einkommensteuerveranlagung, also über die Steuererklärung, geltend gemacht werden. Das führt häufig zu einem Liquiditätseffekt: Zunächst wird mehr Lohnsteuer einbehalten, die Entlastung kommt erst später über den Steuerbescheid”, so Lange.

Warum das Verschieben oder Aufteilen der Zahlung riskant werden kann

In Verhandlungen taucht oft der Wunsch auf, die Abfindung auf zwei Kalenderjahre zu verteilen, um Steuern zu sparen. Das kann rechnerisch attraktiv wirken, ist aber keineswegs immer vorteilhaft und kann sogar nach hinten losgehen.

Zum einen ist die Frage, in welchem Jahr die Abfindung „besser“ passt, ohne verlässliche Prognose über die künftigen Einkünfte schwer zu beantworten. Zum anderen kann eine Verteilung die Voraussetzungen der Tarifermäßigung beeinträchtigen, wenn dadurch die Zusammenballung nicht mehr gegeben ist oder die Zahlung ihren Entschädigungscharakter verliert. Wer hier gestalten will, sollte deshalb nicht nach Bauchgefühl handeln, sondern mit steuerlicher Beratung die konkrete Fallkonstellation prüfen lassen.

Der häufigste Denkfehler: Steuern sparen als Hauptziel

Der größte Fehler ist oft kein Paragrafenproblem, sondern ein Zielproblem. Wenn der Blick von Beginn an darauf verengt wird, „möglichst wenig Steuer“ zu zahlen, wird leicht übersehen, dass eine Abfindung vor allem Verhandlungssache ist. Eine niedrige Abfindung bleibt auch dann niedrig, wenn sie steuerlich günstig behandelt wird.

Umgekehrt kann eine höhere Abfindung trotz Steuerabzug das deutlich bessere Ergebnis sein. Die Reihenfolge ist deshalb entscheidend: Zuerst zählt die Frage, wie hoch die Abfindung überhaupt ausfallen kann. Erst danach lohnt der nüchterne Blick darauf, wie Auszahlungstermin und Ausgestaltung steuerlich und sozialversicherungsrechtlich wirken.

“Gerade in der Praxis zeigt sich, dass „kreative“ Konstruktionen in späten Verhandlungsphasen oft weniger realistisch sind, weil Arbeitgeber in der Regel vor allem Rechtssicherheit und einen sauberen Abschluss wollen”, berichtet der Anwalt.

“Wer zu viel in Raten, Zeitverschiebungen oder Mischformen denkt, riskiert, dass die Gegenseite blockt oder dass später Diskussionen mit Finanzamt oder Krankenkasse entstehen. Häufig ist die robuste Lösung die beste: eine klare Abfindungsvereinbarung, rechtlich sauber begründet, nachvollziehbar dokumentiert und mit realistischem Blick auf die steuerlichen Folgen.”

Was Betroffene daraus ableiten sollten

Wer eine Abfindung erwartet oder verhandelt, sollte das Thema Steuern und Sozialabgaben ernst nehmen, aber nicht zum alleinigen Maßstab machen. Sozialversicherungsrechtlich ist die Abfindung meist vorteilhaft, freiwillig gesetzlich Versicherte müssen jedoch genauer hinschauen.

Steuerlich ist die Abfindung grundsätzlich pflichtig, eine Begünstigung kann greifen, ist aber an Voraussetzungen gebunden und seit 2025 regelmäßig erst über die Steuererklärung spürbar. Vor allem aber gilt: Der größte Hebel liegt oft nicht in der letzten steuerlichen Stellschraube, sondern in der Höhe und der klaren, belastbaren Gestaltung der Vereinbarung.