Kündigung bei Schwerbehinderung: Mehr Rechte bei Behinderung

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Menschen mit Schwerbehinderung haben am Arbeitsplatz besondere Nachteilsausgleiche, und das gilt auch hinsichtlich einer Kündigung. Hier gelten Sonderregelungen.

Viele Betroffene kennen diese allerdings nicht ausreichend, und oft kursieren Vorstellungen, die in die Irre führen. Die Punkte sind entscheidend und rechtlich festgelegt.

Menschen mit Schwerbehinderung haben einen besonderen Kündigungsschutz

Als schwerbehinderten Menschen darf Ihnen der Arbeitgeber nur kündigen, wenn das Integrationsamt der Kündigung vorher zustimmt. Das gilt ebenso für ordentliche wie für außerordentliche Kündigungen und Kündigungen in der Probezeit. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber Kenntnis vom Status als Schwerbehinderter hat.

Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

Wenn im Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung vorhanden ist, besteht die Pflicht, diese unverzüglich und umfassend bei einer geplanten Kündigung zu beteiligen. Der Arbeitgeber muss die Vertreter anhören und unterrichten, bevor er die Kündigung ausspricht. Unterlässt er dies, ist die Kündigung unwirksam.

Welche Kriterien muss das Integrationsamt befolgen?

Ob das Integrationsamt einer Kündigung zustimmt, ist keine Willkür, sondern folgt Richtlinien. Das Integrationsamt prüft im konkreten Fall, ob die Kündigung auf Gründen beruht, die mit der Behinderung nichts zu tun haben, und / oder, ob es für den Arbeitgeber unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Verhaltensbedingte Kündigung

Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen schweren Pflichtverletzungen oder Straftaten hat zum Beispiel in aller Regel nichts mit der Behinderung zu tun, es sei denn, das Verhalten gehört zum Krankheitsbild wie bei bestimmten psychischen oder geistigen Erkrankungen.
Auch eine Stilllegung des Betriebs ohne andere Möglichkeit, den Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung zu beschäftigen, rechtfertigt eine Kündigung.

Das Integrationsamt muss nicht jede Kündigung ablehnen

Eine Schwerbehinderung bedeutet dabei nicht grundsätzlich, dass das Integrationsamt eine Kündigung ablehnt, die (auch) mit der Behinderung zusammenhängt. Dabei geht es vielmehr um die Frage, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung zugemutet werden kann.

Arbeitsrecht: Mehr Rechte bei Vorliegen einer Behinderung für Arbeitnehmer

Recht / Schutz Kurz erklärt
Zustimmung des Integrationsamts Vor jeder Kündigung (ordentlich, außerordentlich, Änderungs­kündigung) eines schwerbehinderten Menschen ist VORHER die Zustimmung des Integrations-/Inklusionsamts nötig.
Ausnahmen (erste 6 Monate u.a.) Kein besonderer Kündigungsschutz in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses und in weiteren gesetzlich geregelten Sonderfällen; in dieser Zeit muss eine Kündigung bzw. Probe-Einstellung binnen 4 Tagen dem Integrationsamt angezeigt werden.
Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (SBV) Die SBV muss vor der Entscheidung umfassend unterrichtet und angehört werden; ohne ordnungsgemäße Beteiligung ist die Kündigung unwirksam.
Drei-Wochen-Frist zur Klage Gegen eine Kündigung muss innerhalb von 3 Wochen nach Zugang Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben werden – auch wenn z. B. die Amts-Zustimmung fehlt.
Betriebliches Eingliederungs­management (BEM) Bei >6 Wochen Krankheit in 12 Monaten muss der Arbeitgeber ein BEM anbieten; unterbleibt es, erschwert das insbesondere krankheitsbedingte Kündigungen.
Prävention/Frühzeitige Einschaltung Bei Problemen, die das Arbeitsverhältnis gefährden, sollen Arbeitgeber früh SBV, Betriebsrat und Integrationsamt einbinden, um Lösungen zu suchen.
Fristen beim Integrationsamt Außerordentliche Kündigung: Entscheidung i. d. R. innerhalb 2 Wochen (bei Fristversäumnis ggf. fiktive Zustimmung). Ordentliche Kündigung: Entscheidung meist innerhalb von 1 Monat.
Gleichstellung (GdB 30/40) Gleichgestellte haben grundsätzlich denselben Sonderkündigungsschutz; er greift, wenn die Gleichstellung bereits vorliegt oder der Antrag rechtzeitig vor Zugang der Kündigung gestellt wurde.
Schutz auch ohne Arbeitgeber-Kenntnis Der Zustimmungs­vorbehalt gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber von der (Gleich-)Schwerbehinderung wusste.

Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung

Wenn der Arbeitnehmer trotz Nachteilsausgleichen massive Leistungsdefizite zeigt, also seinen vertraglich vereinbarten Aufgaben nicht nachkommt, dann ist das ebenso ein Kündigungsgrund wie eine langfristige Erkrankung ohne Aussicht auf Besserung.

Zustimmung ist die Ausnahme, nicht die Regel

Das Integrationsamt wägt dabei die Interessen des Arbeitgebers gegen die des schwerbehinderten Arbeitnehmers ab. Ein Arbeitgeber muss sehr gut begründen, warum er eine Kündigung aussprechen will, und das Amt erteilt nur in Ausnahmen eine Zustimmung.

Wann gibt es keine Zustimmungspflicht des Integrationsamtes?

Die Zustimmungspflicht entfällt zum Beispiel bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitnehmer weniger als ein halbes Jahr im Betrieb beschäftigt ist, wenn er das 58. Lebensjahr vollendet hat und wenn er Anspruch auf eine Abfindung hat.

Der Arbeitgeber muss einer Kündigung vorbeugen

Der Arbeitgeber ist bei Kündigung eines Menschen mit Schwerbehinderung zudem verpflichtet, zuvor Maßnahmen vorzuschlagen und / oder umzusetzen, die eine Kündigung verhindern können. Bei Schwierigkeiten, die das Arbeitsverhältnis gefährden könnten, und nachdem der schwerbehinderte Mensch mehr als sechs Monate im Betrieb ist, muss der Arbeitgeber eine Präventionsverfahren ermöglichen und dafür den Betriebsrat und das Integrationsamt einschalten.

Wann ist kein Präventionsverfahren nötig?

Ein Präventionsverfahren ist nicht in allen Fällen nötig, damit eine spätere Kündigung gegenüber Schwerbehinderten wirksam wird. Wenn die Gründe für die Kündigung nicht in Zusammenhang mit der Behinderung stehen, und wenn das Verfahren von Anfang an aussichtslos ist, dann gibt es keine Pflicht, es durchzuführen.