Wer seinen Job verliert, hofft häufig auf eine hohe Abfindung. Ein gesetzlicher Automatismus existiert in Deutschland jedoch nicht. Ein Anspruch entsteht nur in Konstellationen, etwa bei einer betriebsbedingten Kündigung mit ausdrücklichem Hinweis des Arbeitgebers auf § 1a Kündigungsschutzgesetz; die dort genannte Formel sieht „ein halbes Monatsverdienst pro Beschäftigungsjahr“ vor.
Ohne diesen Hinweis und ohne die besondere Konstellation bleibt die Abfindung Verhandlungssache. Als grobe Faustgröße für Vergleiche gilt in der Praxis oft „ein halbes bis ein volles Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit“ – abhängig von Prozessrisiken, Branche und Verhandlungslage.
Eine Kündigung sollte niemals auf die lange Bank geschoben werden: Wer sich wehren will, muss binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erheben. Diese Frist ist hart; wird sie versäumt, gilt die Kündigung in aller Regel als wirksam.
Nicht vorschnell verhandeln – und die erste Zahl vermeiden
Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Lange aus Hannover, empfiehlt, sich bei Trennungsgesprächen zunächst zurückzuhalten, keine Zahl zu nennen und auf ein erstes Angebot des Arbeitgebers zu warten.
Diese Zurückhaltung kann in vielen Verhandlungssituationen sinnvoll sein. In der Praxis signalisiert sie, dass Sie nicht unter Druck stehen und zwingt die Gegenseite, sich zu positionieren.
Sie reduziert zudem das Risiko, mit einer zu niedrigen eigenen Forderung den Rahmen zu eng zu setzen. Dass Arbeitgeber ohne professionelle Gegenmacht selten mit ihrem besten Angebot starten, gehört zur Realität vieler Verhandlungen – gerade, wenn die Gegenseite unerfahren wirkt.
Psychologie der Verhandlung: Ankern ist mächtig – aber nicht für jede Seite vorteilhaft
Forschungen zur „Anchoring“-Heuristik zeigen, dass Erstangebote das Ergebnis oft stark beeinflussen. In transparenten Märkten oder wenn man sehr gut informiert ist, kann das frühe Setzen eines hohen, gut begründeten Ankers vorteilhaft sein.
Wer jedoch unsicher ist, wenig Vergleichswerte hat oder in einer Situation verhandelt, in der man sich bedürftig und klein fühlt, fährt oft besser damit, das erste konkrete Angebot der Gegenseite abzuwarten, um sich nicht selbst nach unten zu verankern.
Die Verhaltensforschung liefert damit keinen Widerspruch, sondern eine Nuance: Die Qualität des Ankers und die Informationslage entscheiden, ob „zuerst bieten“ klug ist.
Warum frühe anwaltliche Unterstützung den Spielraum vergrößert
“Sobald ein Arbeitgeber Trennungssignale sendet, verschiebt fachkundige Vertretung die Dynamik. Für die Gegenseite steigen Kostenrisiko und Komplexität; häufig verbessert sich bereits der erste ernsthafte Vorschlag, weil realistische Prozessrisiken eingepreist werden. Wichtig bleibt: Gibt es bereits eine Kündigung, läuft die Drei-Wochen-Frist – hier zählt jeder Tag”, sagt Lange.
Lange Hängepartien vermeiden: Timing ist Teil der Taktik
Verhandlungen, die sich über Monate ziehen, können belastend sein – und Risiken bergen: Konflikte eskalieren, Vertrauen erodiert, und es wächst die Gefahr zusätzlicher Auseinandersetzungen im Arbeitsverhältnis.
“Wer die eigene Position stärken will, sollte daher früh Klarheit über Ziele, Zeitfenster und Optionen schaffen, anstatt sich „weichkochen“ zu lassen. Das Script hebt genau darauf ab: nicht drängen lassen, aber strukturiert und mit klarer Eskalationsbereitschaft vorgehen”, rät der Fachanwalt.
Rechtsschutzversicherung: Was sie zahlt – und was nicht
Viele Privat-Rechtsschutzversicherungen decken die Kosten eines arbeitsrechtlichen Konflikts einschließlich einer Kündigungsschutzklage ab. Sie übernehmen typischerweise Anwalts- und Gerichtskosten bis zur vereinbarten Versicherungssumme.
Zu beachten sind Wartezeiten, Ausschlüsse und die Voraussetzung einer hinreichenden Erfolgsaussicht; die Abfindung selbst zahlt die Versicherung nicht. Eine Deckungszusage sollte früh geklärt werden.
Steuern nicht vergessen: Fünftelregelung weiterhin möglich – aber seit 2025 anders im Ablauf
Abfindungen sind grundsätzlich einkommensteuerpflichtig. Um die Progressionswirkung zu mindern, sieht § 34 EStG die sogenannte Fünftelregelung vor. Seit 2025 wird diese Tarifermäßigung im Lohnsteuerabzugsverfahren durch den Arbeitgeber nicht mehr automatisch angewendet; die Entlastung holt man sich regelmäßig über die Einkommensteuerveranlagung zurück.
Für Betroffene bedeutet das vor allem einen Liquiditätseffekt und die Notwendigkeit, die Begünstigung aktiv zu beantragen. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Abfindung als Entschädigung in einem Kalenderjahr zufließt („Zusammenballung“).
Aufhebungsvertrag, Arbeitsagentur und Sperrzeit: Fallstricke vorab klären
“Ein vorschnell unterschriebener Aufhebungsvertrag kann eine zwölfwöchige Sperrzeit beim Arbeitslosengeld auslösen”, warnt Lange. Hintergrund ist § 159 SGB III, wonach der Anspruch ruht, wenn die Arbeitslosigkeit „versicherungswidrig“ ohne wichtigen Grund herbeigeführt wurde.
Die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zeigen die Auslegung; je nach Gestaltung des Vertrags und Umständen des Einzelfalls lässt sich eine Sperrzeit vermeiden. Wer ALG I benötigt, sollte vor der Unterschrift die Auswirkungen mit der Agentur oder fachkundig prüfen lassen.
Was vom großen Versprechen bleibt: „Verdoppeln“ ist Verhandlungsziel, keine Garantie
Die zentrale Idee des Videos – nicht selbst die erste Zahl nennen, Angebote prüfen, professionell verhandeln – ist solide. Sie schafft Zeit, Information und Druckresistenz.
“Eine Verdopplung der Abfindung kann in einzelnen Fällen realistisch sein, insbesondere wenn die Kündigungsgründe schwach sind, der Kündigungsschutz greift und Prozessrisiken für den Arbeitgeber hoch sind”, so der Anwalt.
Ein Automatismus ist das nicht. Entscheidend sind Faktenlage, Beweise, Betriebszugehörigkeit, Gehalt, Arbeitsmarktchancen und die Verhandlungsführung im Detail.
Wer früh reagiert, Fristen wahrt, steuerliche Effekte bedenkt und die sozialrechtlichen Folgen eines Aufhebungsvertrags prüft, maximiert die Chancen auf ein starkes Ergebnis – ohne sich von überzogenen Garantien in die Irre führen zu lassen.
Doppelte Abfindung also mit viel Geschick und Psychologie
Aus den Aussagen des Rechtsanwalts Lange folgt ein klarer Fahrplan: Ruhe bewahren, keine Zahl nennen, auf ein konkretes Angebot warten, die eigene Verhandlungsposition mit fachkundiger Unterstützung stärken, zwingende Fristen und steuerliche Weichen im Blick behalten und sozialrechtliche Folgen eines Aufhebungsvertrags vor einer Unterschrift klären. So wird aus dem „sehr einfachen Trick“ eine belastbare Strategie – seriös, rechtssicher und am Ende häufig auch finanziell überlegen.