Hausbesuche durch das Jobcenter sind grundsätzlich zumutbar, insbesondere wenn sie zuvor angekündigt wurden. Bürgergeld-Beziehende müssen solche Besuche in der Regel dulden. Allerdings zählt die ausdrückliche Zustimmung zu einem Hausbesuch nicht zu den gesetzlichen Mitwirkungspflichten eines Leistungsberechtigten.
Verweigert ein Leistungsbeziehender den Hausbesuch, kann das Jobcenter daraus im Rahmen der Beweiswürdigung den Schluss ziehen, dass die Hilfebedürftigkeit nicht belegt ist. In der Folge kann es zu einer teilweisen oder vollständigen Versagung der Leistungen nach dem SGB II kommen. Die objektive Beweislast für das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen liegt beim Antragstellenden.
Kein genereller Anspruch auf Verzicht von Hausbesuchen
Leistungsberechtigte haben keinen Anspruch darauf, dass das Jobcenter im Rahmen des Vollzugs des SGB II künftig generell auf Hausbesuche verzichtet. Der Hausbesuch ist eine zulässige Form der sogenannten Augenscheinseinnahme und somit ein Teil des Verwaltungsverfahrens zur Beweiserhebung (§§ 20 ff. SGB X; vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.1991, 5 ER 657/91).
Grundrechte und Grenzen der Behördenbefugnisse
Trotz Mitwirkungspflicht gilt das verfassungsrechtlich garantierte Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 GG uneingeschränkt. Die Entscheidung, ob ein Hausbesuch zugelassen wird, liegt allein beim betroffenen Leistungsberechtigten (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 02.07.2014, L 3 AS 315/14 B ER). Eine zwangsweise Durchsetzung – etwa mithilfe der Polizei – ist dem Jobcenter nicht möglich (vgl. BayLSG, Beschluss vom 16.10.2016, L 7 AS 659/16 B ER).
Mitwirkungspflichten nach SGB I und SGB X
Zwar besteht gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X eine allgemeine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren, die auch die Duldung eines Hausbesuchs umfassen kann. Allerdings gehört die ausdrückliche Zustimmung zu einem Hausbesuch nicht zu den in §§ 60 bis 65a SGB I genannten Mitwirkungspflichten (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 09.07.2014, L 7 AS 476/16 B ER). Eine Duldungspflicht im Sinne eines behördlichen Zwangs ergibt sich daraus also nicht.
Folgen der Verweigerung
Lehnt ein Leistungsberechtigter den Hausbesuch ab und kann der relevante Sachverhalt auf anderem Wege nicht aufgeklärt werden, kann dies zu einer Ablehnung oder Kürzung der Leistungen führen. In einem solchen Fall trägt der Betroffene die Beweislast für seine Hilfebedürftigkeit (vgl. BayLSG, Beschluss vom 11.11.2011, L 7 AS 83/11 B ER).
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Fazit: Hausbesuche zwischen Bedarfsfeststellung und Missbrauchskontrolle
Hausbesuche im Rahmen des SGB II und SGB XII dienen zwei wesentlichen Zwecken:
- Bedarfsfeststellung – zur Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen
- Bedarfskontrolle – zur Aufdeckung möglicher Leistungserschleichung
Die Trennlinie zwischen diesen beiden Zielrichtungen ist oft fließend.
Gleichzeitig schützt das Grundgesetz (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG) die informationelle Selbstbestimmung sowie die Privat, Geheim und Intimsphäre jedes Menschen. Selbst wenn ein Hausbesuch rechtlich zulässig erscheint, muss die Verwaltung bei dessen Durchführung die Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG beachten – ein Grundrecht mit höchstem verfassungsrechtlichen Schutz.
Leistungsbeziehende haben daher jederzeit das Recht, einem Hausbesuch zu widersprechen. Kann ein Sachverhalt dadurch nicht aufgeklärt werden, kann dies zur (teilweisen) Versagung der Leistung führen (§ 60 ff. SGB I). Entscheidend ist, dass der Betroffene bestimmt, ob, wann und inwieweit ein Behördenmitarbeiter Zutritt zur Wohnung erhält.
Expertentipp von Detlef Brock
Rechtsschutz gegen Hausbesuche ist möglich:
Gegen einen konkret angekündigten Hausbesuch kann rechtlich vorgegangen werden, sofern Zweifel an seiner rechtlichen Grundlage bestehen. Auch nachträglich kann ein Hausbesuch gerichtlich überprüft werden – etwa mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit feststellen zu lassen, auch wenn der Besuch bereits erfolgt ist.