Hartz IV: Schlechte Bildungspaket-Bilanz

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Zum Zwischenbericht über das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung von Katja Kipping

23.08.2015

"Für 2,6 Millionen Euro wurden Plakate gedruckt , Werbeflächen gemietet und herzige Filmchen produziert, welche als Werbung vor die Nachrichten-Videos auf den Websites von Zeitungen und Fernsehsender platziert wurden. Das nenne ich nicht zielgenaue und umfassende Information, sondern eine parteipolitische Imagekampagne aus Steuermitteln!"

Dies schrieb ich damals als Reaktion auf die Antwort der Ministerin. Inzwischen sind – wie gesagt – vier Jahre ins Land gegangen und all meine Befürchtungen – ich hatte das Programm als bürokratisches Monster bezeichnet – haben sich leider erfüllt. Im Jahre 2013 hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Forschungsvorhaben zur Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes in Auftrag gegeben. Dazu liegt nun ein erster Zwischenbericht vor. Auf insgesamt 440 Seiten haben verschiedene Institute, Hochschulen, Politikberater und das Statistische Bundesamt alles zusammengetragen, was es zu einem Förderprogramm zu sagen gibt, das lediglich entwickelt wurde, um die Erhöhung des Hartz IV-Regelsatzes für Kinder zu verhindern und stattdessen fast ausschließlich auf die Gewährung von Sachleistungen über Gutscheine – selbstverständlich auf Antrag – zu setzen.

Begeisterte Forscher bei der Arbeit
Es ist ein großes Werk entstanden. Hunderte Interviews in verschiedenen Kommunen, geführt persönlich und telefonisch nach Fragebögen auf den Leistungsstellen, bei Leistungsberechtigten und Leistungsanbietern geben bis ins Detail Auskunft, wie Bildung und Teilhabe unter die Anspruchsberechtigten gebracht werden. So erfährt man, dass der Zeitaufwand für die Beantragung der Leistungen durch die Antragsteller zwischen minimal 0,7 Minuten (Antrag auf Schulbedarf) und maximal 4,1 Minuten (Antrag auf Lernförderung) beträgt. Naturgemäß wesentlich länger dauert die Bearbeitung. Auch hier wurde forsch geforscht und herausgefunden, das 11,7 bzw. 33,5 Minuten bearbeitet wurde.

Aber was sagen schon solch pauschale Zeitangaben? Die Teilhabeforscher sind deshalb noch tiefer in die Materie eingedrungen und haben genau analysiert, welcher Zeitanteil für welche Bearbeitungstätigkeit aufgewendet wurde. Für die Bearbeitung eines Antrages auf Unterstützung für Lernförderung erfährt man beispielsweise, dass die Sache an sich nur 22,9 Minuten bearbeitet wurde. Anschließen erfolgte eine Prüfung der Bearbeitung der Sache, die sich über über 5,2 Minuten erstreckte. Anschließend wurde 0,6 Minuten intern über das Prüfungsergebnis kommuniziert, bevor die externe Kommunikation anlaufen und nach 2,1 Minuten abgeschlossen sein könnte – wenn – ja wenn – nicht noch 1,7 Minuten für die Datenübertragung benötigt würden. Nun noch schnell den Vorgang archivieren, was nur 1,0 Minuten dauert, ein Hinweis darauf, dass die Bearbeiter wohl gleich im Keller neben dem Archiv sitzen dürften – und schon fertig. Jedenfalls kommt man so auf die erwähnten 33,5 Minuten.

Das alles – und noch viel mehr – haben die Institute und Experten für uns herausgefunden! Denn selbstverständlich gibt es die entsprechen Forschungsergebnisse auch noch für die Antragsabrechnung. Minute für Minute. Und wem das immer noch zu ungenau ist, der findet es auch noch unterschieden in Erst- und Folgeanträge aufgeschlüsselt. Auch finden sich Tabellen über die Erfüllungsaufwände – aufgeschlüsselt in Zeit und Geld – und dies noch einmal unterschieden in Erfüllungsaufwand der Leistungsstellen, der Leistungsträger und der Leistungsarten. Beeindruckend.

Ein beschämendes Fazit
Aber kommen wir zu den Zahlen, die eigentlich interessieren und deshalb gut versteckt – aber immerhin vorhanden sind: 450 Millionen Euro wurden im Jahr 2013 an Leistungen bewilligt. Das klingt gewaltig – bis man genauer liest und feststellt, dass nur 45% der Berechtigten die Leistungen überhaupt beantragt haben. Und genau das war beabsichtigt, schien und scheint es mir. Möglichst hohe bürokratische Hürden in der Beantragung aufbauen, damit wenig Geld ausgegeben werden muss. Jedenfalls an die Bedürftigen – denn die bürokratischen Hürden hat man sich ordentlich etwas kosten lassen: 136 Millionen Euro Verwaltungskosten hat das Bildungs- und Teilhabepaket 2013 verschlungen – also fast ein Drittel der Höhe der bewilligten Zuschüsse! Wovor hatte ich gewarnt? Vor einem bürokratischen Monster. Das ist es wirklich geworden – wenn auch monströser, als ich es befürchtet hatte.

Und zugegeben: Da verblassen die eingangs erwähnten 2,6 Millionen Euro für die Werbefilmchen und Plakate ein wenig. Wieviel jedoch die 440 Seiten Studie gekostet haben, interessiert mich dann doch. Ich werde es in Erfahrung bringen. (Gastbeitrag Katja Kipping, Die Linke)

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