Krankheit als Schikanegrund – die moralische Verkommenheit einer kranken Gesellschaft
Seit Jahren ist es kein Geheimnis mehr, dass die Bundesregierungen den Armen im Lande den Krieg erklärt haben. Dies zeigt sich sehr deutlich in den Schikanen, denen diese ob im Umgang mit Jobcentern und Sozialämtern ausgeliefert sind. Folge einer verbrecherischen Gesetzgebung, die alles einem Verwertungswahn unterwirft, auch den Menschen einschließlich seiner Gesundheit. Wert ist nur noch der Leistungsträger. Allen anderen gesteht man nur das Nötigste zu und selbst dieses wird ihnen von vielen geneidet und durch ständige pseudojuristische Tricksereien wieder genommen. Ständig werden die Opfer von überaus willigen Medien zu Tätern erklärt, während die wahren Täter ungenannt und ungestraft ihrem verwerflichen Treiben weiter nachgehen können: Wehrlos gemachten Menschen das letzte Quentchen Lebenswillen und Lebensfreude zu zerstören.
Seit Jahren warnen Mediziner davor, dass dieser ständige Druck und die Schikanen krank machen. Depressionen, Angst- und Panikstörungen, psychosomatische Erkrankungen, wie Magenprobleme, Kopfschmerzen und dergleichen mehr sind die Folge. Wer vorher nicht krank war, er wird krank gemacht. Die Häufigkeit von Selbstmorden nimmt zu.
Doch statt diese Warnungen zu beachten und die fortgesetzte vorsätzliche Körperverletzung gegenüber den Betroffenen endlich abzustellen, setzt man noch eines drauf und will jetzt auch noch die Kranken wegen ihrer Krankheiten drangsalieren.
Bis in ihre Wohnungen will man die angeblichen Schmarotzer verfolgen. Prüfen, ob nicht vielleicht doch ein freundlicher Arzt einmal zu viel eine Krankschreibung oder ein Attest ausstellte. Nun sollen die Betroffenen auch noch Angst bekommen krank zu werden. Bisher war Krankheit der einzige Bereich in dem sie noch Erholung von den Zumutungen und Schikanen finden durften. Damit soll jetzt Schluss sein.
Und wieder sind es oft unfähige, weil schlecht ausgebildete und falsch motivierte, Sachbearbeiter, die entscheiden sollen, wem die Prüfer auf den Leib rücken und wem in Folge dann empfindliche Kürzungen des Nötigsten drohen. Und ausgerechnet der MdK der Krankenkassen, der ja in den letzten Jahrzehnten oft dadurch aufgefallen ist, dass er zugunsten der Krankenkassen kranke Menschen wieder besseren Wissens gesund schrieb, soll als Bock zum Gärtner gemacht werden.
Vergessen wird dabei, dass der MdK selbst im Auftrag der Krankenkassen keine Entscheidungen treffen darf, sondern lediglich Empfehlungen ausspricht. Mehr darf er auch für die Jobcenter nicht tun. Diese Empfehlungen, aber auch die Folgerungen der Jobcenter können aber weder eine Krankschreibung aufheben noch ein Attest. Im Gegenteil muss hier in der Konsequenz ein korrektes medizinisches Gutachten erstellt werden. Nur wie soll das in der Praxis funktionieren? Zum Zeitpunkt der Begutachtung ist in der Regel die Krankheit längst überstanden. Der Gutachter kann also nur auf der Basis der Dokumentation des behandelnden Arztes und der Befragung des Patienten arbeiten. Dies ist natürlich schon deswegen mit Fehlern behaftet, weil die Ärzte in der Regel überlastet sind und darunter die Qualität der Dokumentation oft leidet. Natürlich zum Nachteil des Patienten, der als Anwalt in eigener Sache in der Regel auch überfordert sein dürfte.
Was ist nun zu erwarten? Kranke Menschen werden sich trotz Krankheit der Drangsal der Schikanen der Jobcenter genauso stellen, wie es kranke Arbeitnehmer seit längerer Zeit zum eigenen Schaden am Arbeitsplatz ebenso tun.
Verbindet man diese neuerliche Attacke auf die Menschenrechte der Erwerbslosen mit einer schon vorangegangenen Entscheidung, so wird klar, das sozialverträgliche Frühableben der Betroffenen als wohl gewünschtes Ergebnis nicht länger auszuklammern ist. Denn schon vorher wurde beschlossen, dass ein Erwerbsloser nur dann arbeitsunfähig ist, wenn er weniger als drei Stunden am Tag ausbeutbar ist bzw. sich in Pseudoweiterbildungsmaßnahmen, die nur dem Anbieter nutzen langweilen kann. Ansonsten darf man ihn nicht krankschrieben. Dem ging vorher das ebenso unsinnige wie widerwärtige Bettlägrigkeitsattest voraus, das es ebenso nur für Erwerbslose gab. Die Pariahs der Gesellschaft werden ein weiteres Mal nach abwärts getreten, als Kranke dritter und vierter Klasse.
Wie weit muss ein Land moralisch verkommen sein, um diesen Schritt zu tun und dies auch noch mit weitgehender Zustimmung von größeren Teilen der Bevölkerung? Für diese gelten Erwerbslose nicht erst seit Superminister Clements »Schmarotzerdebatte« oder der »spätrömischen Dekadenz« eines Westerwelle, als Faulenzer in der Hängematte des Sozialstaats, die man nie genug drangsalieren kann. Deutsche, ein Volk von Sozialrassisten mit kranker sadistischer Ader? Selbst Rentner und Behinderte gelten als nutzlose »Fresser«. Obdachlose werden Opfer von Mordanschlägen, werden auf offener Straße brutal ermordet, ob durch heftigste Prügel und Fußtritte oder durch Übergießen mit brennbaren Flüssigkeiten und anschließendem Anzünden.
Was ist in diese Land passiert? Hat man die Lehren der braunen Vergangenheit so schnell vergessen? Lässt man menschenverachtende Politik und Bürokratie wieder gewähren? Macht man noch selbst mit bei der Hatz auf die Schwächsten der Gesellschaft, die es aus der Sicht des neoliberalen Verwertungswahns wie Ungeziefer auszutilgen gilt?
Anständige Menschen sollten nicht mehr länger ihre Augen verschließen und dies ignorieren. Es ist höchste Zeit gegen diese Entwicklung aktiv zu werden. Denn es ist schon längst nicht mehr fünf vor zwölf, sondern schon längst nach zwölf. (Autor Thomas M. Müller)
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors