DGB Studie: Jeder zehnte Jugendliche in Deutschland ist auf Hartz IV-Sozialleistungen angewiesen.
Jeder zehnte Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahre ist laut einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf Hartz IV Sozialleistungen angewiesen. Insgesamt sind laut der Studie 900.000 junge Menschen auf Arbeitslosengeld II (ALG II) und 300.000 auf Arbeitslosengeld I angewiesen. Somit erhalten rund 1,2 Millionen junge Menschen Sozialleistungen. Hingegen gehen rund 3,4 Millionen junge Menschen einer geregelten Arbeit nach. Auf 3 sozialversicherungspflichtige Erwerbstรคtige Jugendliche kommt also mindestens eine/r, der auf Hilfsleistungen angewiesen ist. Auffรคllig dabei: der Groรteil braucht staatliche Hilfe, weil sie selbst oder die Eltern zu wenig verdienen, um davon leben zu kรถnnen. Viele Eltern sind zudem selbst ALG II Empfรคnger.
Von den knapp 1 Mio. Hartz IV Empfรคngern im Alter zwischen 15 und 24 Jahren wohnte Mitte 2008 ein Drittel in den neuen Lรคndern (336.000) und zwei Drittel in den alten (646.000). Im Vergleich zum Vorjahr hat sich ihre Zahl in beiden Landesteilen deutlich verringert, im Osten sogar mit 11 % deutlich stรคrker. Nicht einbezogen sind dabei die rund 160.000 jugendlichen Arbeitslosen in der Arbeitslosenversicherung, sowie etwa 50.000 jugendliche Teilnehmer an Fรถrdermaรnahmen, die aus-schlieรlich von der Arbeitslosenversicherung betreut werden. Rechnet man sie hinzu, so sind etwa 1,2 Mio. Jugendliche offiziell fรถrder- oder hilfebedรผrftig. Dem gegenรผber haben bundesweit rd. 3,4 Mio. Jugendliche unter 25 Jahren einen sozialversicherten Job. Auf drei die-ser erwerbstรคtigen Jugendlichen kommt damit eine/einer, der von Arbeitsagenturen oder den Trรคgern des Hartz IV-System betreut wird.
Mit dem Aufbau des Hartz IV-Systems hat sich die Hilfebedรผrftigkeit der Jugendlichen zunรคchst erhรถht und seit Frรผhjahr 2007 nahezu kontinuierlich verringert. Sowohl der Anstieg wie der Rรผckgang war dabei deutlich stรคrker als bei allen Hilfebedรผrftigen im erwerbsfรคhigen Alter. Zu dem รผberdurchschnittlichen Rรผckgang hat auch ein gesetzlicher Sondereffekt bei-getragen, da Jugendliche ab Juli 2006 meist keine eigene Bedarfgemeinschaft mehr darstellen kรถnnen.
Der Rรผckgang bei den hilfebedรผrftigen Jugendlichen war mehr als doppelt so stark wie bei den auf Hartz IV angewiesenen Kindern unter 15 Jahren. Im Unterschied zu den Kindern wird die Hartz IV-Bedรผrftigkeit heranwachsender Jugendlicher bisher kaum thematisiert. Ar-mut wie Arbeitslosigkeit gelten hier eher als eine vorรผbergehende Phase.
Trotz rรผcklรคufiger Hilfebedรผrftigkeit war Mitte 2008 immer noch gut jeder zehnte in Deutsch-land lebende Jugendliche auf Harz IV angewiesen; im Osten gilt dies sogar fรผr mehr als je-den sechsten Jugendlichen. Das Verarmungsrisiko der 15- bis 24-jรคhrigen ist hier mit 17,4 % doppelt so hoch wie fรผr die Gleichaltrigen in den alten Bundeslรคndern (8,4 %).
Zwischen den einzelnen Bundeslรคndern sind die Unterschiede noch grรถรer. Am ungรผnstigs-ten stellt sich die Situation in Berlin dar, wo mehr als jeder/jede fรผnfte Jugendliche Hartz IV-Leistungen bezieht. Es folgen Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern mit einer Hil-fequote von fast 20 %der 15 โ 24jรคhrigen Bevรถlkerung. Unter den westdeutschen Lรคndern ist Bremen das Schlusslicht. Hier ist das Verarmungsrisiko Jugendlicher doppelt so hoch wie im Schnitt der westdeutschen Lรคnder und auch hรถher als in Sachsen und Brandenburg. Als nรคchste folgen Hamburg und Thรผringen, wo die Hilfequote nahezu gleichauf liegt. Am gรผns-tigsten stellt sich die Situation in Bayern dar, wo das Verarmungsrisiko mit 4,2 % nur halb so hoch ist wie in den anderen westlichen Bundeslรคndern. Diese betrรคchtlichen regionalen Dis-paritรคten folgen weitgehend noch einem Ost-West-Gefรคlle, zeigen in den alten Lรคndern aber auch gewisse Unterschiede zwischen Nord und Sรผd.
Auffallend ist ebenso, dass die Hilfequote der Jugendlichen in nahezu allen Bundeslรคndern hรถher ist als fรผr alle Personen im erwerbsfรคhigen Alter. Lediglich in Bayern lag die Quote der Jugendlichen leicht niedriger als die der erwerbsfรคhigen Hilfeempfรคnger insgesamt. In den anderen Bundeslรคndern ist das Verarmungsrisiko von Jugendlichen hingegen im Vergleich zu allen erwerbsfรคhigen Hilfeempfรคngern รผberdurchschnittlich hoch.
Besonders gravierend ist die Armutserfahrung, wenn sich der Hilfebezug bereits in jungen Jahren verfestigt. Von den 18 โ 29jรคhrigen beispielsweise, die im Januar 2005 erstmalig be-dรผrftig wurden, waren etwa 40 % bis Ende 2006 durchgรคngig im Hartz IV-Bezug. Doch selbst von jenen, die den Ausstieg aus dem Hilfebezug schafften, waren etwa die Hรคlfte in diesem Zeitraum zeitweise erneut hilfebedรผrftig 1. Selbst Jugendliche, die relativ schnell aus dem Hilfebezug ausscheiden kรถnnen, fallen teils auch schnell wieder in Armut zurรผck. Die Prekarisierung des finanziellen Lebensstandards fรผr eine nicht gerade kleine Gruppe unter den Jugendlichen kann nicht mehr รผbersehen werden.
Armut hat viele Gesichter. Dies zeigt sich bei Jugendlichen wie Erwachsenen gleicherma-รen. Hรคufig muss auf selbstverstรคndliche Dinge verzichtet werden. Das in den Hartz IV-Regelsรคtzen gewรคhrte Existenzminimum insbesondere fรผr Kinder und Jugendliche reicht nicht aus. Allein aufgrund von Preisentwicklungen seit Aufbau des Hartz IV-Systems Anfang 2005 mรผsste eine Erhรถhung um rd. 5 % erfolgen, wie das Bundesarbeitsministerium selbst errechnete. Berรผcksichtigt man die Preisentwicklung bei regelsatzrelevanten Gรผtern, so mรผsste die Erhรถhung mindestens 8 % betragen. Wie schwierig die finanzielle Situation vieler Jungendlicher sein kann, zeigt eine Studie des Forschungsinstituts fรผr Kinderernรคhrung (FKE) der Universitรคt Bonn. Danach sei fรผr die Ernรคhrung eines 14- bis 18jรคhrigen mindes-tens 4,68 โฌ tรคglich notwendig, wรคhrend der Gesetzgeber lediglich 3.42 Euro vorsieht.
Oft wird in armen Familien am Essen gespart oder das Billigste vom Billigen gekauft; eine ausgewogene Ernรคhrung wird erschwert, auch wenn dies fรผr Kinder und Jugendliche beson-ders wichtig ist. Einen hohen Stellenwert fรผr manche Jugendliche hat Kleidung, denn sie entscheidet darรผber, ob man dazu gehรถrt. Jugendliche aus armen Verhรคltnissen kรถnnen da nicht mithalten, spรผren die Benachteiligung oder suchen sie zu kompensieren. Arm sein be-deutet, nicht dazuzugehรถren. Um die Fassade aufrecht halten zu kรถnnen, sind grรถรere Opfer erforderlich. Lรคngst nicht immer ist diese Armut im Alltag augenfรคllig. (12.02.2009, aus DGB Studie)