Unter Umständen können die Kosten für eine Brille beim Sozialamt beantragt werden
15.03.2013
Besonders Hartz IV Bezieher haben das Problem, dass bei besonders teuren Spezialgläsern weder die Krankenkasse zahlt noch sich das Jobcenter zuständig fühlt. Unter bestimmten Umständen kann es doch Geld geben und zwar vom Sozialamt. Denn Leistungen, die über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen hinausgehen, kann es nur dann geben, wenn die Brille nicht ausschließlich dem Ausgleich der Augenschwäche, sondern auch für die Orientierung und „Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“ dient und dabei unerlässlich ist. Es kann sich dabei um Leistungen der Eingliederungshilfe gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX handeln.
Im SGB IX ist die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen geregelt. Grundsätzlich ist die Voraussetzung, dass beim Antragsteller einer Behinderung vorliegt. Gemäß § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Es muss also keine Schwerbehinderung vorliegen. Eine Schwerbehinderung liegt nämlich erst dann vor, wenn der Grad der Behinderung mindestens 50 beträgt und damit auch ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt wurde.
In einem aktuellen Sozialgerichtsverfahren hat das Sozialgericht Oldenburg per Erlass mittels einer einstweiligen Anordnung das Oldenburger Sozialamt dazu verpflichtet, vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung die Kosten für zwei Brillengläser abzüglich des Kassenanteils zu übernehmen (Az: S 22 SO 166 / 12 ER).
Auch von Wichtigkeit: § 24 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2, Leitsatz:
1. Kosten für die Reparatur von Brillen zur Korrektur der Sehschärfe sind als Sonderbedarf nach § 24 SGB II zu erstatten.
2. Es handelt sich insoweit um einen abtrennbaren Streitgegenstand.
Leistungen zur „Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“ können nicht nur Leistungsberechtigte des Sozialamtes erhalten. Auch Bürger, die Hartz IV-Leistungen erhalten oder ohne Sozialleistungen am Rande des Existenzminimums leben, können diese Leistungen beantragen. Zuständig ist aber in jedem Fall das Sozialamt und nicht das Jobcenter. Demnach sollten alle Betroffene, die unter schweren Sehstörungen leiden, einen Antrag stellen und gegebenenfalls mit Hilfe eines Anwalts auch gerichtlich den Anspruch durchsetzen. (sb, mit verwendung des Artikels in "Quer", der ALSO e.V., RA Sabine Jorns)
Bild: sikapaulus / pixelio.de
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