Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung ersetzt das Einkommen, wenn eine รคrztlich bescheinigte Arbeitsunfรคhigkeit lรคnger andauert. Es wird grundsรคtzlich nach Ablauf der Entgeltfortzahlung gezahlt und ist wegen derselben Krankheit auf maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren begrenzt. Diese Hรถchstdauer bildet in der Praxis die โBlockfristโ und bestimmt, wie lange Anspruch besteht.
Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung โ im Alltag oft als โhalbe Erwerbsminderungsrenteโ bezeichnet โ dient dem Ausgleich eines dauerhaft geminderten Leistungsvermรถgens am Arbeitsmarkt. Sie ist keine volle Existenzsicherung, sondern ergรคnzt verbleibende Erwerbseinkรผnfte. Beim Zusammentreffen von Krankengeld und teilweiser Erwerbsminderungsrente stellt sich Betroffenen die Frage, ob und in welchem Umfang eine Anrechnung erfolgt.
Volle Rente beendet, halbe Rente mindert
Der Gesetzgeber zieht eine klare Linie zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderungsrente. Beginnt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, endet der Anspruch auf Krankengeld mit dem Rentenbeginn; ein neuer Anspruch entsteht wรคhrend des Rentenbezugs nicht. Damit soll vermieden werden, dass zwei vollwertige Entgeltersatzleistungen nebeneinander stehen.
Anders ist jedoch die Lage bei der halben Erwerbsminderungsrente: Hier ist das Krankengeld nicht ausgeschlossen, sondern zu kรผrzen. Maรgeblich ist ยง 50 Absatz 2 SGB V. Danach wird das Krankengeld โum den Zahlbetragโ der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gekรผrzt โ allerdings nur, wenn die Rente โvon einem Zeitpunkt nach dem Beginn der Arbeitsunfรคhigkeitโ zuerkannt wird. Der Gesetzeswortlaut stellt also ausdrรผcklich auf die zeitliche Reihenfolge ab.
Die zeitliche Reihenfolge entscheidet รผber die Kรผrzung
Entscheidend ist, ob der Rentenbeginn vor oder nach dem Beginn der Arbeitsunfรคhigkeit liegt, die das Krankengeld auslรถst. Wird die teilweise Erwerbsminderungsrente erst ab einem Zeitpunkt nach Eintritt der Arbeitsunfรคhigkeit bewilligt โ hรคufig sogar rรผckwirkend โ, muss die Krankenkasse das Krankengeld um den Zahlbetrag der Rente mindern.
Wird die Rente hingegen bereits vor der Arbeitsunfรคhigkeit bezogen, greift der Kรผrzungstatbestand nicht; in dieser Konstellation kann Krankengeld neben der bereits laufenden Teilrente gezahlt werden. Diese enge Auslegung des ยง 50 Absatz 2 SGB V entspricht der Rechtsprechung der Landessozialgerichte in Anschluss an das Bundessozialgericht.
Zahlbetragโ: Netto statt Brutto
Fรผr die Kรผrzung kommt es auf den โZahlbetragโ der Rente an. Damit ist der Betrag gemeint, der den Versicherten tatsรคchlich erreicht. Der Begriff โZahlbetragโ im Gesetz wird in Praxis und Kommentierung als Nettorente verstanden, also nach Abzug der in der Rente einbehaltenen Beitrรคge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Auch sozialgerichtliche Entscheidungen haben eine Anrechnung nach dem Zahl-, nicht nach dem Bruttobetrag bestรคtigt, um Doppelminderungen zu vermeiden. In der Praxis lohnt es sich, Krankenkassen-Bescheide darauf zu prรผfen, ob tatsรคchlich der Zahlbetrag zugrunde gelegt wurde.
Verhรคltnis zu den Ruhens- und Hรถchstdauerregeln des Krankengeldes
Die allgemeinen Ruhensvorschriften des ยง 49 SGB V bleiben unberรผhrt. Zeiten, in denen der Anspruch ruht โ etwa wรคhrend der Entgeltfortzahlung oder beim Bezug anderer vorrangiger Entgeltersatzleistungen โ, zรคhlen nicht auf die 78-Wochen-Grenze.
Fรผr das Zusammenwirken mit Rentenbezรผgen ist jedoch primรคr ยง 50 SGB V maรgeblich, der die Beendigung beim Bezug voller Erwerbsminderungsrente sowie die Kรผrzung beim Bezug teilweiser Erwerbsminderungsrente regelt. Die 78-Wochen-Grenze bleibt der Rahmen, innerhalb dessen Krankengeld trotz Kรผrzung weitergezahlt werden kann.
Rรผckwirkende Bewilligung und Erstattungsansprรผche
Wird eine teilweise oder volle Erwerbsminderungsrente rรผckwirkend bewilligt, trifft das in der Praxis hรคufig auf bereits gezahltes Krankengeld. In solchen Konstellationen bestehen zwischen Krankenkassen und Rentenversicherungstrรคgern abgestimmte Erstattungsverfahren nach dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch.
Die Krankenkasse kann sich aus Rentennachzahlungen bedienen, soweit gesetzlich ein Vorrang oder eine Kรผrzung vorgesehen ist. Fรผr die Betroffenen hat das in der Regel zur Folge, dass Rentennachzahlungen ganz oder teilweise an die Krankenkasse abflieรen.
Krankengeld als Hinzuverdienst bei der halben EM-Rente
Parallel zur Anrechnung auf das Krankengeld spielt die umgekehrte Richtung eine Rolle: Bei Renten wegen Erwerbsminderung gelten bestimmte Einkommen als Hinzuverdienst. Nach der Rentenversicherungspraxis gehรถrt dazu ausdrรผcklich auch Krankengeld.
รberschreitet der Hinzuverdienst die individuelle Hinzuverdienstgrenze, wird die Erwerbsminderungsrente nach ยง 96a SGB VI entsprechend gekรผrzt. Wer also Krankengeld bezieht und zugleich eine halbe Erwerbsminderungsrente erhรคlt, sollte die Hinzuverdienstgrenzen im Blick behalten; die Rentenversicherung berรผcksichtigt in diesen Fรคllen das Krankengeld bei der Prรผfung.
Rechenbeispiel in der Praxis
In der typischen Fallgestaltung beginnt nach sechs Wochen Entgeltfortzahlung der Krankengeldbezug. Wird eine teilweise Erwerbsminderungsrente erst spรคter โ und zwar ab einem Zeitpunkt nach Beginn der Arbeitsunfรคhigkeit โ bewilligt, mindert die Krankenkasse das laufende Krankengeld monatlich um den Zahlbetrag der Rente.
Der verbleibende Auszahlungsbetrag an Krankengeld lรคuft innerhalb der Blockfrist weiter. Wird die Rente nachtrรคglich rรผckwirkend festgesetzt, verrechnen die Trรคger die bis dahin gezahlten Betrรคge im Erstattungsverfahren, was die Betroffenen regelmรครig in Form einer gekรผrzten oder ausbleibenden Rentennachzahlung spรผren.
Eine Arbeitnehmerin verdient 3.000 โฌ brutto und rund 2.100 โฌ netto im Monat. Sie ist ab dem 01.03.2025 arbeitsunfรคhig. Nach sechs Wochen endet die Entgeltfortzahlung; ab dem 12.04.2025 besteht Anspruch auf Krankengeld. Das Krankengeld betrรคgt 70 % des Bruttos (2.100 โฌ) hรถchstens jedoch 90 % des Nettos (90 % von 2.100 โฌ = 1.890 โฌ). Maรgeblich ist der niedrigere Wert, daher ergeben sich 1.890 โฌ Krankengeld pro Monat (hier vereinfacht ohne Abzug der Sozialbeitrรคge).
Zum 01.07.2025 wird eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bewilligt; der monatliche Zahlbetrag betrรคgt 450 โฌ. Weil der Rentenbeginn nach Eintritt der Arbeitsunfรคhigkeit liegt, kรผrzt die Krankenkasse das Krankengeld um den Zahlbetrag der Rente. Der Auszahlungsbetrag des Krankengeldes sinkt damit von 1.890 โฌ auf 1.440 โฌ pro Monat (ebenfalls vereinfacht ohne Sozialabgaben). Wรผrde die Teilrente bereits vor dem 01.03.2025 gezahlt, kรคme es in dieser Konstellation nicht zur Kรผrzung des Krankengeldes.
Besonderheiten bei bereits laufender Teilrente
Liegt der Beginn der teilweisen Erwerbsminderungsrente vor dem Eintritt der Arbeitsunfรคhigkeit, die das Krankengeld auslรถst, fehlt es am Tatbestandsmerkmal des ยง 50 Absatz 2 SGB V. Dann darf das Krankengeld nicht wegen der bereits laufenden Teilrente gekรผrzt werden. Diese Konstellation ist selten, aber rechtlich bedeutsam, weil sie zeigt, dass nicht jeder gleichzeitige Bezug automatisch zur Minderung fรผhrt; ausschlaggebend ist die Reihenfolge der Leistungsfรคlle.
Praktische Hinweise fรผr Betroffene
In der Beratungspraxis empfiehlt es sich, Renten- und Krankengeldbewilligungen zeitnah gegenseitig zu melden, damit keine ungewollten รberzahlungen oder Fehlabzรผge entstehen. Bei Kรผrzungen sollte geprรผft werden, ob tatsรคchlich der Zahlbetrag der Teilrente, also der Nettobetrag, zugrunde gelegt wurde und ob der Rentenbeginn rechtlich in die Zeit โnach Beginn der Arbeitsunfรคhigkeitโ fรคllt. Bei rรผckwirkenden Bewilligungen ist mit Verrechnungen zu rechnen; hier kรถnnen Zahlungsplรคne oder Stundungen mit den Trรคgern besprochen werden. Schlieรlich lohnt der Blick auf die rentenrechtlichen Hinzuverdienstgrenzen, weil Krankengeld dort als Hinzuverdienst zรคhlt und die Teilrente mindern kann.
Fazit
Die halbe Erwerbsminderungsrente fรผhrt beim Krankengeld nicht zum Leistungsausschluss, sondern โ abhรคngig von der zeitlichen Reihenfolge โ zur Kรผrzung um den Zahlbetrag der Rente. Bei laufender Teilrente vor Beginn der Arbeitsunfรคhigkeit bleibt eine Kรผrzung des Krankengeldes regelmรครig auรen vor. Wer in beiden Systemen Leistungen erhรคlt, sollte neben den Hรถchstdauern und Ruhensregeln des Krankengeldes vor allem den Gesetzeswortlaut des ยง 50 SGB V und die Hinzuverdienstvorschriften des ยง 96a SGB VI im Blick behalten, um unliebsame รberraschungen bei der Auszahlung zu vermeiden.




