Das Bürgergeld war maßgeblich ein SPD-Projekt. Es sollte das ebenfalls seinerzeit von Rot-Grün initiierte Hartz-IV-Gesetz reformieren, also zumindest die schlimmsten Entrechtungen von Leistungsberechtigten abmildern. Jetzt schafft die SPD zusammen mit der Union das Bürgergeld wieder ab.
SPD macht Rolle rückwärts
Genau das, was mit dem Bürgergeld eingeführt wurde, wird jetzt wieder auf die vorher geltenden Hartz-IV-Regelungen gebracht: Vermittlung hat Vorrang vor Qualifikation, die Mitwirkungspflichten und Sanktionen werden noch einmal verschärft und Sozialleistungsmissbrauch soll stärker bekämpft werden.
Ein harsch kritisierter Kompromiss
Dabei war das Bürgergeld bei weitem nicht die Sozialreform, als die es angekündigt worden war. Die Sanktionen blieben erhalten und wurden gegenüber Hartz IV lediglich abgemildert, 2024 jedoch erneut verschärft. Angekündigte und bereits umgesetzte Qualifizierungen blieben vielerorts auf der Strecke, weil den Jobcentern das Budget fehlte.
Aus CDU/CSU und FDP hagelte es Kritik an den angeblich zu großzügigen Regelungen, obwohl das Bürgergeld durch Vermittlung zwischen der SPD geführten Regierung und der Union entstanden war, und obwohl die FDP selbst mit in der Ampelkoalition saß.
Helena Steinhaus, Gründerin der Initiative Sanktionsfrei e.V., fasste 2024 zusammen: „Innerhalb kürzester Zeit hat sich das Bürgergeld vom angeblichen Heilsbringer zum am meisten kritisierten politischen Projekt der Ampel entwickelt. Kaum war das Bürgergeld beschlossen, fingen CDU und AfD auch schon an, es zu dämonisieren.“
Linke und Sozialverbände kritisierten, dass die Regelsätze zu niedrig seien, um ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern und die komplizierten Regelungen Hilfebedürftige überforderten.
Trotz Fachkräftemangel: Deutschland setzt wieder auf Hilfsjobs
Jetzt werden also genau die Elemente des Bürgergeldes abgewickelt, die sinnvoll waren und auf den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien basierten. Der Vorrang der Qualifizierung gegenüber der Vermittlung in irgendeinen Job war ein logischer Schluss der Realität am Arbeitsmarkt.
Denn Unternehmen suchen überwiegend ausgebildete Fachkräfte, während erwerbsfähige Menschen im Bürgergeld-Bezug zum Großteil keine Ausbildung und oft nicht einmal einen Schulabschluss haben. An Hilfsarbeitern gibt es in Deutschland weder einen Mangel noch einen entsprechenden Bedarf.
Die Idee beim Bürgergeld war, Menschen auszubilden, statt sie in Hilfsjobs zu stecken. Das ist wissenschaftlich begründet, denn ausgebildete Menschen behalten ihre Beschäftigungen länger und zahlen durch ihre höheren Löhne auch mehr Steuern.
Die Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs bedeutet nichts anderes, als das kontraproduktive Mantra von Hartz IV aus dem Schrank zu holen.
Sanktionen sollen verschärft werden
Bereits 2024 wurde durch die Ampelkoalition angekündigt, die Sanktionen zu verschärfen. So soll jemand, der mehrfach eine Beschäftigung ablehnt, seine kompletten Ansprüche auf die Sozialleistung verlieren.
In der Umsetzung wird dies allerdings entweder nicht durchgesetzt oder aber Klagen vor den Sozialgerichten hageln. Denn ob das Kind nun Hartz IV, Bürgergeld oder Neue Grundsicherung genannt wird – laut Verfassungsgericht sind Totalsanktionen fast immer grundgesetzwidrig.
Die Regelsätze entsprechen dem Existenzminimum, und der Staat ist in Deutschland verpflichtet, dieses denjenigen zu gewähren, die es aus eigenen Mitteln nicht können. Nur im Extremfall, wenn jemand nämlich tatsächlich unmittelbar seinen Lebensunterhalt durch eine Erwerbsarbeit decken könnte, dies aber nicht tut, wäre es laut Verfassungsgericht möglich. Dann nämlich liegt keine Hilfebedürftigkeit mehr vor.
Zwischen Stammtischparolen und politischer Mutlosigkeit
Das Bürgergeld war zumindest ein Schritt in die richtige Richtung und ein Konzept, um Arbeitsvermittlung und Sozialleistungen an wissenschaftlich ermittelten Fakten auszurichten statt an Stammtischparolen gegen die finanziell Schwächsten.
Diese Stammtischparolen dröhnten allerdings, nachdem das Bürgergeld eingeführt wurde, in voller Lautstärke und durchgehend – von der Union und verschärft von der gesichert rechtsextremen AfD. Sie finden sich aber auch in den Kommentaren von „normalen Bürgern“, die die Boulevardpresse mit immer neuen Märchen über „faule Arbeitslose“ aufgebracht hat.
Nun sieht es so aus, also ob die SPD selbst gar keinen Elan mehr zeigt, ihr großspurig als Sozialreform angekündigtes Projekt zu verteidigen.