Bürgergeld: Neue Auszahlungsregeln der Jobcenter seit Oktober rechtswidrig

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Ab Oktober 2025 kündigen zahlreiche Jobcenter und Sozialämter an, keine Barscheckzahlungen mehr vorzunehmen. Hintergrund ist das Auslaufen der „Zahlungsanweisung zur Verrechnung“ (ZzV), die die Postbank zum 1. Januar 2026 endgültig beendet.

Weil ZzV-Schecks drei Monate gültig sind, stellten viele Träger die Ausgabe bereits Ende September ein, um den Übergang abzusichern. Offizielle Hinweise von Jobcentern bestätigen diesen Zeitplan, etwa mit der Ankündigung, dass ab dem 30. September 2025 keine ZzV-Schecks mehr versandt werden.

§ 47 SGB I gibt den Rahmen vor

Trotz des praktischen Auslaufens der Barscheck-Praxis gilt weiterhin das Gesetz. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB I sind Geldleistungen grundsätzlich kostenfrei auf das vom Leistungsberechtigten angegebene Konto zu überweisen oder – wenn der Empfänger dies verlangt – an seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu übermitteln.

Werden Leistungen an den Wohnsitz übermittelt, sind die dadurch veranlassten Kosten abzuziehen; das gilt jedoch nicht, wenn der Betroffene nachweist, dass ihm die Einrichtung eines Kontos ohne eigenes Verschulden nicht möglich ist. Diese Norm gilt bis zu einer Gesetzesänderung fort.

Was sich ändert: geplanter neuer § 47 SGB I

Im Zuge des „SGB VI-Anpassungsgesetzes“ (SGB VI-AnpG) soll § 47 SGB I präzisiert werden. Der Referentenentwurf sieht vor, dass Geldleistungen kostenfrei an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Empfängers zu übermitteln sind, wenn dieser nachweist, dass ihm die Kontoeröffnung ohne eigenes Verschulden nicht möglich ist – zusätzlich ist eine Wohnsitz-Übermittlung vorgesehen, wenn die Auszahlung keinen Aufschub duldet.

Das Vorhaben befindet sich im Gesetzgebungsverfahren; die Materie ist im Regierungsentwurf adressiert und als Änderung in Artikel 2 des Gesetzeswerks geführt.

Behördenpflicht bleibt: Auszahlung sicherstellen – auch ohne ZzV

Dass die Postbank das ZzV-Verfahren beendet, entbindet Leistungsträger nicht von ihrer gesetzlichen Pflicht, rechtmäßige Auszahlungen zu ermöglichen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat die Länder und obersten Sozialbehörden am 4. Juni 2025 ausdrücklich informiert und zugleich klargestellt, dass in Ausnahmefällen zusätzliche Auszahlungsmöglichkeiten vorzuhalten sind.

Genannt wird ausdrücklich die Bargeldauszahlung in Sozialämtern, um den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf das Existenzminimum sicherzustellen.

Mit anderen Worten: Können Betroffene ohne eigenes Verschulden kein Konto eröffnen oder liegt Eilbedürftigkeit vor, müssen Behörden praktikable Wege organisieren – etwa über behördliche Barauszahlungen, alternative Zahlungswege oder Kooperationen vor Ort.

Praxis vor Ort: Übergang ohne Rechtsbruch organisieren

In der Praxis bedeutet das: Der bloße Hinweis „ohne Konto keine Leistung“ ist mit der geltenden Rechtslage unvereinbar.

Rechtmäßig ist vielmehr, dass Jobcenter und Sozialämter den Übergang gestuft bewältigen: Wo möglich, helfen sie bei Basiskonten; wo dies nachweislich scheitert, sorgen sie weiterhin für eine Auszahlung – gegebenenfalls durch bar-nahe Alternativen innerhalb der Verwaltung. Sozialrechtsberatungen wie Tacheles e.V. weisen seit September 2025 genau darauf hin und dokumentieren zugleich lokale Rundschreiben, in denen vorschnell nur noch die Überweisung auf ein Konto zugelassen werden soll.

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Wenn die Auszahlung verweigert wird: Eilrechtsschutz nutzen

Sollte eine Behörde ab Oktober 2025 mündlich oder schriftlich erklären, sie könne mangels ZzV grundsätzlich nicht mehr auszahlen, steht Betroffenen der einstweilige Rechtsschutz vor dem Sozialgericht offen.

Eilverfahren können die Behörde zur Auszahlung verpflichten, wenn existenzsichernde Leistungen akut bedroht sind.

Für Leistungsempfänger und behinderte Menschen ist das Verfahren vor dem Sozialgericht grundsätzlich gerichtskostenfrei; die Rechtsantragsstellen der Gerichte unterstützen bei der Antragstellung.

Einordnung: Verwaltungspraxis, Gesetzeslage und Fachaufsicht

Die Einstellung der ZzV ist eine organisatorische Zäsur, keine rechtliche. Rechtlich maßgeblich ist – bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung – § 47 SGB I in seiner derzeitigen Fassung.

Selbst die geplante Neuregelung bestätigt den Grundsatz, dass bei fehlender Kontomöglichkeit ohne Verschulden oder in Eilfällen eine kostenfreie Wohnsitz-Übermittlung vorzunehmen ist.

Wo Häuser den Stopp von Barschecks vorschnell in ein generelles „ohne Konto keine Leistung“ übersetzen, droht ein Rechtsverstoß. Hier ist auch die Fachaufsicht gefordert, die rechtskonforme Auszahlungspraxis sicherzustellen.

Was Betroffene jetzt konkret tun können

Betroffene sollten ihre Situation belegen: Wer kein Konto eröffnen kann, sollte entsprechende Nachweise sammeln (z. B. Ablehnung eines Basiskontos). Gegen ablehnende Behördenentscheidungen empfiehlt sich umgehend der Gang zur Rechtsantragsstelle des Sozialgerichts mit einem Eilantrag auf Auszahlung der fälligen Leistungen.

Parallel lohnt die Nachfrage bei der Behörde, welche alternativen Wege – etwa behördliche Barauszahlung – konkret angeboten werden, unter Verweis auf das BMAS-Schreiben vom 4. Juni 2025.

Für die Übergangszeit kündigen Jobcenter teils begleitende Maßnahmen an; die Pflicht zur Leistungserbringung bleibt davon unberührt.

Quellenlage und Dokumente
Das BMAS-Rundschreiben vom 4. Juni 2025 („Einstellung der Zahlungsanweisung zur Verrechnung zum 1. Januar 2026“) nennt ausdrücklich die Bargeldauszahlung in Sozialämtern als Sicherungsinstrument. Die aktuelle Gesetzeslage zu § 47 SGB I ist im Wortlaut abrufbar. Der Gesetzentwurf zum SGB VI-Anpassungsgesetz, der die Änderung von § 47 SGB I führt, ist veröffentlicht; die Beteiligung von Bundesrat und Verbänden dokumentiert den laufenden Prozess.