Bürgergeld: Muss das Jobcenter auch die Strom- oder Mietschulden zahlen?

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Viele Bürgergeldbezieher kommen mit den Regelleistungen nicht aus. Oft haben sie schon vor Beginn des Leistungsbezugs Schulden. Was passiert, wenn Energieversorger einen “blauen Brief” schicken und eine Stromsperre androhen oder bereits durchgeführt haben? Wir erhalten immer wieder Mails von Betroffenen und wollen deshalb mit diesem Artikel aufklären.

Höhere Strompreise um etwa 5,5 Prozent

Aktuell kostet eine Kilowattstunde Strom für Neukunden nach Auswertungen von “Verivox” durchschnittlich 28,8 Cent (Datenstand: 22.11.2023). Der Strompreis der letzten sieben Tage ist im Vergleich zur Vorwoche erneut gestiegen.

Durch die Unterdeckung der Regelsätze geraten immer mehr Bürgergeldbeziehende in Not und häufen Stromschulden an, die Stromkosten müssen weiterhin aus den Regelleistungen bezahlt werden.

Unterdeckung im Regelsatz

Auch wer nicht sparsam mit Energie umgeht, kann also irgendwann in die Stromschuldenfalle geraten. Grundsätzlich übernimmt das Jobcenter keine Schulden von Bürgergeldbeziehern. In Notsituationen kann das Jobcenter dazu verpflichtet sein.

Ein Antrag auf Übernahme von Miet-, Energie- oder Stromschulden kann nur in besonderen Situationen gestellt werden. Wir zeigen, welche Rechte Schuldner haben und wann das Jobcenter helfen muss.

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Zuerst die Miete zahlen

Wer überschuldet ist, sollte immer darauf achten, zuerst Miete und Energiekosten zu bezahlen. Ausbleibende Zahlungen können hier schwerwiegende Folgen haben: fristlose Kündigung der Wohnung, Zwangsräumung oder Sperrung von Strom und Heizung. Manchmal ist die Schuldenlast aber auch so hoch, dass es sinnvoll ist, das Jobcenter über die drohende Kündigung der Wohnung oder eine bevorstehende Räumungsklage zu informieren.

Antrag auf Übernahme von Mietschulden

Wer Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) bezieht und wem wegen Mietschulden die Kündigung der Wohnung oder eine Räumungsklage droht, sollte unverzüglich beim zuständigen Träger der Grundsicherung (Jobcenter) die Übernahme der Mietschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II beantragen. Dies gilt auch für Heizkostennachzahlungen. Die Übernahme erfolgt in der Regel als Darlehen.

Stromschulden und ein Darlehen vom Jobcenter bei Hartz IV

Sonstige Schulden, zum Beispiel beim Energieversorger, können von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen als Darlehen übernommen werden. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Az.: L 7 AS 1289/14 B und L 7 AS 1290/14 B) hat entschieden, dass Jobcenter auch bei Stromschulden ein Darlehen gewähren müssen.

Allerdings dürfen die Stromschulden nicht durch einen offensichtlich verschwenderischen Gebrauch entstanden sein. Es muss eine Notsituation vorliegen und der Stromlieferant muss eine Sperrung androhen. Zudem muss der Stromlieferant ein Abstottern in Form von Raten abgelehnt haben.

Antrag auf Übernahme der Mietschulden und Schulden beim Energieversorger bei der Sozialhilfe

Wer Sozialhilfe bezieht oder weder Sozialhilfe, noch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhält, wendet sich bei einer drohenden Kündigung oder Räumungsklage an das Sozialamt.

Man kann dort die Übernahme der Mietschulden nach § 36 SGB XII beantragen. Das Sozialamt kann die Übernahme als “einmalige Beihilfe” oder als Darlehen gewähren. Dies gilt auch, wenn die Stadtwerke mit einer Stromsperre drohen.

Gläubiger informieren

Den Gläubigern sollte mitgeteilt werden, dass man derzeit keine Zahlungen leisten kann. Wichtig: Weisen Sie auf einen Termin bei der Schuldnerberatung hin (Siehe auch: Schulden und Privatinsolvenz: Das kann die Schuldnerberatung leisten).

Härtefallantrag stellen

Einen weiterer Ansatz ist der Antrag auf “Härtefallmehrbedarf als unabweisbaren laufenden Bedarf”, den der Verein Tacheles e.V. vorschlägt. Betroffene sollten diesen bei zu hohen Stromkosten beim Jobcenter nach § 21 Abs. 6 SGB II beantragen. Weiteres zum Thema Härtefallantrag finden Sie hier.