Bezahlkarte startet beim Bürgergeld ab 1. Januar 2026

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Mit dem Jahreswechsel 2025/2026 vollzieht sich beim Bürgergeld ein stiller, aber spürbarer Wechsel im Zahlungsweg: Dort, wo Leistungen bislang per Scheck ausgegeben wurden, soll ab dem 1. Januar 2026 eine Bezahlkarte an die Stelle des Papiers treten.

Der Schritt betrifft nach derzeitigem Stand keine breite Masse der Leistungsbeziehenden, sondern eine vergleichsweise kleine Gruppe von Menschen ohne eigenes Konto oder mit dem ausdrücklichen Wunsch, keine Überweisung zu erhalten. Inhaltlich bleibt das Bürgergeld dabei unangetastet. Was sich ändert, ist allein der Weg vom Leistungsträger zum Geld – und damit eine Reihe praktischer, rechtlicher und sozialer Folgefragen, die im Alltag erheblich sein können.

Warum überhaupt eine Bezahlkarte – und warum erst ab 2026?

Auslöser der Umstellung ist das Auslaufen der bisherigen Scheck-Lösungen zum Ende des Jahres 2025. Was früher über das Scheckverfahren funktionierte, soll künftig digital abgebildet werden. Im Sommer hatte es noch Warnungen gegeben, das Ende des Scheckverfahrens könne faktisch auf eine Kontopflicht hinauslaufen, also auf die Notwendigkeit einer IBAN, um Leistungen überhaupt noch zu erhalten.

Mit der Bezahlkarte wird diese Lücke geschlossen: Wer ein Konto hat, bekommt das Bürgergeld weiterhin per Überweisung, so wie es seit Jahren der Normalfall ist. Wer kein Konto hat oder keine Überweisung wünscht, soll stattdessen die Karte erhalten.

Die Bundesagentur für Arbeit rechnet bundesweit mit rund 8.000 Vorgängen in den Bereichen der Arbeitsagenturen sowie in den Jobcentern, die als gemeinsame Einrichtungen betrieben werden. Damit wird deutlich: Es geht nicht um eine neue „Bürgergeld-Karte“ für alle, sondern um eine Ersatzlösung für einen bisherigen Sonderweg.

Was sich für Betroffene ändert – und was ausdrücklich nicht

Anspruch, Höhe und Fälligkeit der Leistung sollen unverändert bleiben. Die Bezahlkarte verändert also weder die Bewilligung noch die Frage, wer Bürgergeld bekommt und in welcher Höhe. Der Wechsel ist technisch und organisatorisch, nicht leistungsrechtlich.

Für die Betroffenen ist die Veränderung dennoch konkret. Statt einen Scheck zu erhalten und ihn einzulösen, steht künftig ein Kartenprodukt zur Verfügung, das monatlich mit dem bewilligten Betrag als Guthaben beladen wird. Dieses Guthaben kann im Alltag eingesetzt werden wie bei einer gängigen Debitkarte, mit dem entscheidenden Unterschied, dass keine Überziehung möglich ist.

Wer das Guthaben verbraucht hat, kann schlicht nicht mehr bezahlen, bis erneut Guthaben aufgeladen wurde. Das kann vor Schulden schützen, zwingt aber zugleich zu sehr genauer Haushaltsplanung, weil es keinen Puffer gibt, der in Notlagen überbrückt.

So soll die Karte im Alltag funktionieren

Nach den vorliegenden Angaben ist vorgesehen, dass mit der Bezahlkarte sowohl im stationären Handel als auch online gezahlt werden kann, sofern Akzeptanzstellen das verwendete Kartensystem annehmen. Zusätzlich sollen Bargeldabhebungen am Geldautomaten möglich sein. Damit wirkt die Karte auf den ersten Blick wie eine gewöhnliche Debitkarte.

Ein wichtiger Punkt ist die Gestaltung: Die Karte soll ohne auffälligen Sonderaufdruck ausgegeben werden, um Stigmatisierung zu vermeiden.

In der Praxis lässt sich eine Karte allerdings häufig über Anbieterkennungen, das konkrete Kartendesign oder die technische Zuordnung im Zahlungsverkehr einordnen. Ob die angestrebte Unauffälligkeit im Alltag wirklich gelingt, wird sich erst in der Nutzung zeigen – gerade in Situationen, in denen Menschen ohnehin als „anders“ markiert werden, etwa an Kassen oder bei Rückfragen im Handel.

Guthaben statt Konto: Wo liegt das Geld eigentlich?

Technisch handelt es sich um eine vorausbezahlte Debitkarte, also um ein Guthabenmodell. Das Geld liegt nicht „beim Jobcenter“, sondern wird beim Kartenausgeber beziehungsweise dessen Bank- oder E-Geld-Institut geführt. In vielen solchen Modellen ist einer Karte eine eigene IBAN zugeordnet, auf die der Leistungsträger die Zahlung bucht.

Diese IBAN ist dann Teil der Zahlungsinfrastruktur des Dienstleisters und entspricht nicht automatisch einem klassischen privaten Girokonto des Karteninhabers.

Für Betroffene kann dieser Unterschied weitreichend sein. Ein Girokonto ist in Deutschland nicht nur ein Zahlungsinstrument, sondern häufig auch die Grundlage für Pfändungsschutz, für den Zugang zu bestimmten Vertragsverhältnissen und für Alltagsroutinen wie Lastschriften. Eine Bezahlkarte kann davon einiges ersetzen, aber nicht alles.

Pfändungsschutz: Offene Fragen mit hohem Risiko

Besonders sensibel ist die Frage des Pfändungsschutzes. Beim Girokonto lässt sich über ein Pfändungsschutzkonto eine gesetzlich geschützte Freigrenze sichern. Bei Kartenkonten ist dagegen nicht in jedem Modell eindeutig, ob und wie ein solcher Schutz in gleicher Weise verfügbar ist.

Wenn das Kartenkonto nicht als P-Konto geführt werden kann oder kein vergleichbarer Schutzmechanismus greift, kann das bei bekannten Pfändungen zu einem handfesten Problem werden, weil dann grundsätzlich die Gefahr besteht, dass Gläubiger zugreifen.

Hier entscheidet am Ende nicht die Alltagstauglichkeit der Karte, sondern die konkrete rechtliche und technische Ausgestaltung durch Anbieter und Leistungsträger. Wer Vollstreckungen befürchten muss oder bereits Pfändungen erlebt hat, sollte das Thema nicht vertagen. In solchen Fällen ist es naheliegend, parallel über ein eigenes Girokonto mit P-Konto-Funktion nachzudenken und sich beraten zu lassen, um den Lebensunterhalt verlässlich abzusichern.

Schufa und Bonität: Vieles spricht gegen Einträge, sicher ist es erst mit offizieller Klarstellung

Da die Bezahlkarte als reines Guthabenprodukt ohne Kreditlinie konzipiert ist, liegt es nahe, dass keine Bonitätsprüfung erforderlich ist und dass daraus auch kein klassischer Schufa-Effekt entsteht. Bei Kreditprodukten oder Dispositionsrahmen ist das anders, weil dort Risiken bewertet werden. Im Guthabenmodell fehlt diese Komponente weitgehend.

Gleichwohl ist Zurückhaltung sinnvoll, solange keine eindeutigen, schriftlich nachvollziehbaren Aussagen der zuständigen Stellen vorliegen. Entscheidend ist, wie der jeweilige Anbieter das Produkt meldetechnisch behandelt, welche Vertragsbeziehungen tatsächlich entstehen und ob es zusätzliche Dienstleistungen gibt, die doch wieder in eine Bonitätsprüfung hineinreichen könnten. Für Betroffene ist deshalb weniger die Vermutung wichtig als eine transparente Information, die rechtlich belastbar ist.

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Bargeld am Automaten: Praktisch möglich, aber nicht zwangsläufig kostenfrei

Dass Bargeldabhebungen vorgesehen sind, ist für viele Menschen entscheidend. Ein Teil des Alltags findet weiterhin bar statt, sei es aus Gewohnheit, sei es aus Notwendigkeit. Gerade dort, wo kleine Beträge gebraucht werden oder wo Kartenzahlung nicht akzeptiert wird, kann Bargeld nicht einfach „ersetzt“ werden.

Gleichzeitig steht die Frage im Raum, ob Abhebungen Gebühren auslösen. Bei vorausbezahlten Kartenmodellen sind pauschale Entgelte pro Abhebung nicht unüblich, und zusätzlich können Automatenbetreiber eigene Gebühren erheben. Ob die Leistungsträger solche Kosten abfedern, begrenzen oder in den Verträgen ausschließen, ist ein Detail mit großer Wirkung. Wenn Gebühren anfallen, kann das am Monatsende faktisch die verfügbare Summe senken, ohne dass sich am Leistungsbescheid etwas ändert. Schon wenige Euro pro Abhebung wirken in engen Budgets überproportional.

Im Alltag wird auch entscheidend sein, ob alternative Wege zur Bargeldversorgung funktionieren, etwa über Cashback im Handel. Das kann Gebühren vermeiden, setzt aber voraus, dass der Einkauf ohnehin stattfindet und dass die Akzeptanzstellen diese Funktion anbieten.

Limits, Sicherheit und Missbrauchsprävention: Schutzmechanismen mit Nebenwirkungen

Bei Kartenprodukten sind Sicherheitslimits üblich, die etwa Tages- oder Monatsgrenzen für Abhebungen und Zahlungen setzen. Solche Grenzen dienen der Missbrauchsprävention und sind nicht automatisch als Einschränkung des Leistungsbezugs gedacht. Trotzdem können sie im Alltag zu Friktionen führen, etwa wenn eine unerwartete größere Ausgabe ansteht oder wenn mehrere Zahlungen in kurzer Zeit erfolgen müssen.

Die Akzeptanz hängt davon ab, ob Limits so gesetzt werden, dass sie Sicherheit bieten, ohne berechtigte Nutzung unnötig zu blockieren. Gerade bei Menschen in prekären Situationen kann eine abgelehnte Zahlung an der Kasse schnell zur sozialen Belastung werden, selbst wenn nur ein technisches Limit der Auslöser ist.

Verlust, Diebstahl und Notfallversorgung: Der Moment, in dem das System sich bewähren muss

Der Verlust einer Karte ist für viele Menschen unangenehm, für Leistungsbeziehende kann er existenziell werden. Entscheidend ist daher nicht nur, dass eine Sperrung möglich ist, sondern wie schnell Ersatz kommt und ob es eine kurzfristige Überbrückung gibt, damit Miete, Lebensmittel und notwendige Ausgaben weiter bezahlt werden können.

Nach den vorliegenden Angaben sollen Sperrwege über etablierte Hotlines oder Anbieterkanäle möglich sein. Ebenso wird damit gerechnet, dass Jobcenter oder Agenturen in einer Übergangsphase Notlösungen veranlassen können, etwa durch Sofortbeladung oder eine Notauszahlung.

Ob für Ersatzkarten Gebühren anfallen, bleibt eine Vertragsfrage. Gerade hier wird sich zeigen, wie sozialverträglich das System gestaltet ist: Wer wenig hat, kann zusätzliche Kosten am wenigsten abfedern.

Datenschutz und Kontrolle: Was sichtbar wird – und was nicht

Kartenzahlungen erzeugen Transaktionsdaten. Üblicherweise umfasst das Zeitpunkt, Betrag und Händlerkennung, aber keine Warenkorbinhalte. Der Unterschied ist wichtig, weil sich aus Händlerdaten zwar Muster erkennen lassen, aber keine detaillierte Liste gekaufter Artikel.
Entscheidend ist außerdem die Rollenverteilung. Wenn das Guthaben beim Kartenemittenten geführt wird und Jobcenter nicht Kontoführer sind, entsteht daraus nicht automatisch ein Zugriff auf sämtliche Kartenumsätze.

Welche Datenübermittlungen es gibt, hängt von gesetzlichen Grundlagen und vertraglichen Notwendigkeiten ab, etwa für Abrechnungen, Statusmeldungen oder Betrugsprävention. Eine flächendeckende, anlasslose Verhaltensüberwachung ist damit nicht einfach „mit eingebaut“, sie wäre rechtlich hoch problematisch und müsste ausdrücklich legitimiert werden.

Für die Akzeptanz der Bezahlkarte ist Transparenz entscheidend: Betroffene müssen verständlich wissen, wer welche Daten sieht, wie lange sie gespeichert werden und unter welchen Voraussetzungen Zugriff erfolgen kann.

Abgrenzung zur Debatte um Bezahlkarten im Asylsystem

Politisch wird das Thema Bezahlkarte häufig vermischt. Bezahlkarten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden in einzelnen Ländern mit Einschränkungen verbunden, etwa mit Bargeldobergrenzen oder engeren Nutzungsmöglichkeiten. Daraus entsteht schnell der Eindruck, Bezahlkarten seien grundsätzlich ein Instrument zur Steuerung oder Begrenzung.

Die hier geplante Bezahlkarte beim Bürgergeld folgt nach den vorliegenden Angaben einer anderen Logik. Sie soll das Scheckverfahren ersetzen, ohne zusätzliche Hürden einzuführen, und ist auf die Fälle begrenzt, in denen bislang ohnehin nicht überwiesen wurde. Genau diese Abgrenzung ist wichtig, weil sonst eine Debatte über Kontrolle geführt wird, obwohl es organisatorisch um die Modernisierung eines Sonderwegs geht.

Was die Pilotphase leisten muss – und welche Fragen offen bleiben

Vorgesehen ist eine einjährige Pilotphase, nach der ausgewertet und nachjustiert werden soll. Damit liegt die Bewährungsprobe nicht im Prospekt, sondern im Alltag der Betroffenen. Die entscheidenden Punkte sind weniger die technische Bezahlfunktion als die Alltagstauglichkeit in schwierigen Situationen: Wie verlässlich funktioniert die Aufladung zum Fälligkeitstermin?

Was passiert bei Störungen? Wie leicht kommt jemand ohne digitale Routine an Hilfe? Welche Gebühren fallen wirklich an, und wer trägt sie? Wie wird Pfändungsschutz praktisch gelöst? Wie diskriminierungsfrei ist die Nutzung im Handel, wenn es zu Rückfragen oder Ablehnungen kommt?

Auch die Kommunikation wird eine Rolle spielen. Betroffene müssen rechtzeitig, verständlich und ohne Druck informiert werden. Wenn Menschen in ohnehin belasteten Lebenslagen erst kurzfristig erfahren, dass sie künftig eine Karte statt eines Schecks bekommen, entsteht Unsicherheit, die vermeidbar wäre.

Gelingen kann das Modell nur, wenn es nicht als Verwaltungsvereinfachung auf Kosten der Betroffenen erlebt wird, sondern als verlässlicher Ersatz mit klaren Rechten und einem funktionierenden Notfallnetz.

Zeitplan: Umstellung zum 1. Januar 2026

Die Umstellung ist zum 1. Januar 2026 vorgesehen. Die betroffenen Personen sollen von Jobcentern und Agenturen direkt informiert werden, die Karte wird ausgehändigt und anschließend monatlich mit dem bewilligten Betrag als Guthaben versehen. Für alle, die ihr Bürgergeld regulär auf ein Girokonto überwiesen bekommen, ändert sich nach derzeitigem Stand nichts.